Fünf Ausrufezeichen, die Arminia Bielefeld beim Mega-Auftakt gesetzt hat

Bielefeld. Dynamo Dresden, VfL Bochum, Preußen Münster: Was zitterte mancher Fan von Arminia Bielefeld vor diesem Kracherprogramm zum Saisonstart. Zu Unrecht, wie sich nun herausgestellt hat: Zwei besondere Heimsiege haben die Liebe der Fans zum DSC neu aufflammen lassen, und selbst das Auftaktspiel beim Topfavoriten kann angesichts der darauf folgenden Entwicklung nun als wichtiger, weil lehrreicher Schritt verbucht werden. Fünf Ausrufezeichen machen Mut für die mittelfristige Zukunft. Eine Analyse. Die Mannschaft ist sofort funktionsfähig! Intern hatte so ziemlich jeder mindestens mit mehreren Wochen Eingewöhnungszeit auch noch nach dem Saisonstart gerechnet, als sich im Juni eine völlig neue DSC-Besatzung einfand. Eine, die untereinander zum Großteil erst noch Kontaktdaten austauschen musste. Elf Neuzugänge standen sowohl beim siegreichen Pokalmatch gegen Bochum als auch beim 4:0-Derbykracher über Preußen Münster in der Startformation, überhaupt ist ja aus dem Vorjahr nur Fabian Klos übrig. Doch schon jetzt, nach vielleicht 50 gemeinsamen Trainingseinheiten, hat dieses Team Abläufe und Abstimmung entwickeln können, die in der Vorsaison fremd waren. "Man hat gesehen, dass wir mit der komplett neuen Mannschaft schon für eine gewisse Art von Fußball stehen", sagte Sport-Geschäftsführer Michael Mutzel nach dem Derbysieg am Samstag. "Aber es gibt noch viel zu verfeinern." Das stimmt. Doch die Basis ist eine ganz andere als im Vorjahr. Was auch der Verdienst des 43-Jährigen ist, der unter widrigsten Bedingungen gezielt Spieler fand, die auch charakterlich für die Herausforderung Neuaufbau geeignet sein mussten. Arminia hat seine Anhängerschaft daran gewöhnt, vieles mit Vorsicht zu genießen, aber: Bislang sieht es danach aus, als hätte er viele Treffer gelandet. Das Trainerteam ist anpassungsfähig! Gegen Bochum schickten Mitch Kniat, Daniel Jara Cortina und Oliver Döking die Arminia primär in direkte Duelle und endlose Laufarbeit, verabschiedeten sich dafür völlig vom gepflegten Passspiel. Gegen Münster machte Kniat aus seinem präferierten 4:3:3 im Ballbesitz ein 3:4:3, zog Rechtverteidiger Can Özkan zuweilen in die Zentrale und überforderte die Gäste damit auf ihrer Schwachstelle, der linken Seite. Über sie fielen zwei entscheidende Gegentore. Angriffspressing sei das grundsätzliche Mittel, stellte Kniat am Samstag nochmal klar, "aber wir passen uns immer dem Gegner an." Münster ließ sich anfangs kaum pressen, der Gegner hatte kaum Interesse am Ballbesitz und ließ Arminia in Ruhe aufbauen. Auch der gezielte, lange Ball von Torhüter Jonas Kersken kam daher wiederholt zum Einsatz. Und führte ebenfalls zu zwei Toren. Offensiv ist Arminia mit großem Potenzial gesegnet! Aus vielleicht sieben Großchancen, die Arminia Bielefeld in den zwei vergangenen Heimspielen besaß, sechs Tore zu machen, ist eine grandiose Quote. Nun lässt sich in der 3. Liga eine solche Effektivität nicht ewig aufrechterhalten. Doch allemal bemerkenswert ist, wie abgeklärt Spieler wie Merveille Biankadi und Aygün Yildirim schon jetzt agieren - der Kontrast zum offensiv stark limitierten Gegner Münster war offensichtlich. Arminias Offensive bringt Spitzenpotenzial mit. Und das, obwohl Sportchef Mutzel berechtigterweise einwirft: "Die vordere Reihe hatte bei ihren Klubs im Vorjahr überhaupt keinen Spielrhythmus." Ihnen tue es nun "richtig gut, durch Erfolgserlebnisse ans Laufen zu kommen". Stimmt. Widerstandskraft ist kein Fremdwort mehr! Das Attribut, das jeder sofort und bedingungslos mitbringen sollte, zeigt der Großteil auch: über Schmerzgrenzen gehen zu können und sich resistent zu zeigen. Das begann übrigens schon beim von unglücklichen Umständen geprägten 1:3 in Dresden, als es Arminia in Unterzahl gelang, den Schaden zu begrenzen. Gegen Bochum überschritt die halbe Mannschaft ihre körperlichen Limits, lief sich die Krämpfe aus übersäuerten Muskeln, bis wirklich gar nichts mehr ging. Dazu steckte sie zwei Gegentore in den Nachspielzeiten weg und wahrte die Konzentration. Und beim Derby? "Wir haben immer dann getroffen, wenn der Gegner eine stärkere Phase hatte", resümierte Kniat. Auch hier sucht man unfreiwillig den Vergleich zum desaströsen Vorjahr, als Arminia in diesen Momenten besonders leicht einzuknicken schien. Dem "neuen" DSC passiert das - bislang - nicht. Illusorisch zu glauben, dass damit allein eine Saison ohne Rückschläge gebucht ist. Doch erst einmal will dieses strapazierfähige Kollektiv überwunden werden. Die neue Brücke ist gebaut! Das Derby bot willkommenen Anlass für den einen oder anderen Klassiker. "Sowas hat man lange nicht gesehen!", dröhnte es überschwänglich über den Bielefelder Westen. Die Entscheidung, mit Ausnahme von Kapitän Klos sportlich völlig unverbraucht in die Zukunft zu starten, war goldrichtig. Denn auch beim Anhang, der mit zwei quantitativ wie atmosphärisch herausragenden Auftritten in Vorleistung gegangen war, ist zu spüren: Mit der schweren Enttäuschung vergangener Monate hat dieser DSC nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Die neue Brücke zwischen Team und Fans ist errichtet. Die einen spielen teils zum ersten Mal vor solchen Heimkulissen, die anderen sind froh um jeden, der sich auf dem Feld wieder spürbar für Arminia ins Zeug legt. Eine Symbiose, wie es sie seit dem plötzlichen Corona-Shutdown Anfang 2020 nicht mehr gab, hat sich eingestellt. Doch wie langfristig sich diese Entwicklung einstellt, das wird erst die Drittliga-Normalität zeigen, die ab dem Spiel in Ulm am Dienstag (19 Uhr) auf Arminia Bielefeld wartet.

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