Arabi-Nachfolge und das Szenario 3. Liga: Arminia-Präsident Schütte im Interview

Bielefeld. In seinen bald zwei Jahren Präsidentschaft ist Rainer Schütte (66) bei Arminia Bielefeld auch zum Krisenmanager geworden. Für die Profiabteilung das Szenario 3. Liga konkret zu planen, insbesondere die schweren Sparmaßnahmen im Zuge des Zulassungsverfahrens, darauf hätte er gerne verzichtet. Nun muss sich Arminia wappnen. Darüber spricht der DSC-Klubboss im großen Interview ebenso wie über ehemalige und künftige Geschäftsführer. Und er verrät, was ihm in vielen frustrierenden Momenten die Motivation für seinen Posten gibt. Herr Schütte, kann Arminia Bielefeld den direkten Klassenerhalt noch schaffen? Ich glaube fest daran. Wahrscheinlicher ist das Szenario Relegation geworden. Aber wir haben vergangenes Wochenende gesehen, was etwa in Nürnberg ab der 88. Minute passiert ist. Im Fußball passiert Unberechenbares. Was auch passiert: Wir müssen es nehmen, wie es kommt. Was macht der sich zuspitzende Abstiegskampf mit Ihnen? In mir sieht es genauso aus wie bei vielen engen Arminia-Begleitern und Fans: Ich bin aktuell hochgradig angespannt. Wir haben viele Nackenschläge bekommen und müssen auf der anderen Seite genauso konstatieren, dass es eine gewisse Berechtigung hat, wenn man drei Spieltage vor Saisonende da steht, wo wir stehen. Trotzdem bin ich optimistisch, denn jeder arbeitet wahnsinnig hart: Trainer Uwe Koschinat mit seinem Team genauso wie Geschäftsführer Christoph Wortmann und unsere Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle. Alle sind fokussiert auf den Klassenerhalt. Das gibt mir Hoffnung, dass wir es schaffen. Die meisten Aluminiumtreffer der Liga, einige umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, nun die schweren Verletzungen von Masaya Okugawa und Guilherme Ramos: Hadern Sie mit dem Schicksal? Nein, trotz aller Widerstände gilt das, was der Trainer zuletzt gesagt hat: Wir haben nicht nur eine erste Mannschaft, sondern darüber hinaus hervorragende Spieler, die nach ihrer Chance lechzen. Für Gui und Masaya ist das unglaublich schade, es wird eine Herausforderung für alle. Aber wir haben genügend Qualität, die Ausfälle auszugleichen. Und vielleicht entsteht nun eine &bdquo;Jetzt-erst-recht“-Mentalität. Der Start unter dem vom Aufsichtsrat verpflichteten Uwe Koschinat übertraf alle Erwartungen. Mittelfristig schafft auch der dritte Trainer der Saison bislang keinen Punkteschnitt, der für mehr als Abstiegskampf genügt. Warum ist das so? Ich möchte darüber nicht spekulieren, das kann ich auch nicht. Unsere Platzierung hat nicht nur mit Glück und Pech zu tun. Aber zurückzublicken und nach Schuld zu suchen, bringt uns nicht weiter. Wir haben alles gemacht, was wir als Aufsichtsrat tun konnten. Wie immer gibt es viele Meinungen: Die einen fanden es zu spät, die anderen hätten lieber gar nichts verändert. Die ganze Saison über arbeiten wir die Ereignisse kritisch auf, intern als auch mit Fußballsachverstand von außen. Was wir jetzt sehen, ist großer Wille in der ganzen Mannschaft, und das zählt. Die Trennung von Ex-Sportgeschäftsführer Samir Arabi liegt zwei Monate zurück. Wie ist der Stand bei seinem Vertragsverhältnis? Samir Arabi hat einen in Kündigung befindlichen Vertrag, der irgendwann auslaufen wird. So lange steht er auf der Gehaltsliste von Arminia Bielefeld. Zwei Monate lang besteht eine Vakanz in der sportlichen Leitung. Liegen Sie bei der Personalsuche noch im Zeitplan? Absolut, und wenn nicht mehr viel dazwischenkommt, bleibt das auch mit der beidseitigen Zusage von Verein und Kandidat so. Wir hatten damit geplant, dass die Entscheidung zur Nachfolge bis zum Saisonende dauern kann – und in den Tagen bis dahin wird sich sicherlich noch etwas tun. Die Frage, in welcher Liga wir an den Start gehen, hat Einfluss auf den Prozess genommen. Wir haben jemanden für beide Ligen gesucht. Jemanden, der den Verein, das Umfeld und die Aufgabe mit Herzblut annimmt. Es gibt mittlerweile umfangreiche Gerüchte und auch einige Namen, die als Nachfolge Samir Arabis diskutiert werden. Michael Mutzel, Uwe Klein und Alexander Klitzpera zählen unter anderem dazu. Wer wird’s denn nun? Zu Namen möchte ich mich bewusst nicht äußern. Wir haben viele Gespräche geführt, auch mit anderen Personen als jenen, die öffentlich gehandelt werden. Arminia Bielefeld muss jetzt zweigleisig planen. Ein Absturz von der Bundesliga in die 3. Liga binnen eines Jahres, die Corona-Krise ist noch nicht ganz verdaut, auch die Sanierung des Vereins liegt noch nicht lange zurück: Wie würde das Szenario Abstieg überhaupt angegangen? Ohne die Sanierung in 2018 hätte unsere Profiabteilung, also die sogenannte KGaA, schon die Corona-Krise nicht überlebt. Zum Glück ist diese vorher abgeschlossen worden und wir sind in die Bundesliga aufgestiegen. Das hat uns sehr geholfen, trotz der Corona-Verluste nicht wieder in Probleme zu geraten. Der Abstieg in die 2. Liga ist uns dann wirtschaftlich nicht schwergefallen, denn auch wenn die Ansprüche der Fans wachsen, so sind wir in der Planung realistisch geblieben. Bilanziell und finanziell sind wir in dieser Liga blitzsauber. Der Abstieg in die 3. Liga wäre jedoch eine gigantische Herausforderung. Viele, viele Millionen Euro Fernsehgeld, unsere jetzige Haupteinnahmequelle, fielen aus und müssten kompensiert werden. Da müssten richtig dicke Bretter gebohrt werden. Dafür arbeitet Christoph Wortmann mit seinem Team in diesen Wochen hart. Zwei Millionen Euro müssen dem Vernehmen nach für die Zweitliga-Lizenz noch nachgewiesen werden, im Drittliga-Fall multipliziert sich dieser Betrag nochmals. Die genannten Zahlen kommentiere ich nicht. Nur so viel: Der Fall 2. Bundesliga ist für uns überhaupt kein Problem. Wenn es tatsächlich zum Abstieg käme, wäre das mit unserer großen Hoffnung verbunden, dass unsere Fans weiter in die Schüco-Arena kommen würden. Denn die Zuschauereinnahmen würden dann extrem wichtig werden. Auch alle im Zuge der Inflation gestiegenen Kosten, von Energiekosten bis zur Rasenpflege, würden uns dann viel größere Sorgen bereiten. Wir würden hart arbeiten müssen. Deshalb ist dieser Klassenerhalt so wichtig für uns. Wird es für die Profiabteilung des DSC im Drittliga-Fall definitiv eine Zulassung des DFB geben? Ich gehe ganz fest davon aus, dass wir das hinkriegen würden. Daran wird seit Wochen gearbeitet, alles ist vorbereitet. Der Etat für die Profis würde deutlich sinken, mit kleinen Budgets kann Arminia allerdings arbeiten. Doch es würde auch im Drumherum harte Maßnahmen geben müssen, denn es würde sehr viel Geld fehlen. Und wir können dieses nicht mehr vom Stadion abknabbern oder von einer Bank als schnelle Liquidität bekommen. Die Folgen daraus wären sehr schmerzhafte. Herr Schütte, Sie sind im Bündnis Ostwestfalen hervorragend vernetzt. Viele Leute fragen sich, warum das Bündnis nun so zurückhaltend geblieben ist. Warum es etwa im Winter nicht als Geldgeber für Verstärkungen eingesprungen ist, die Arminia dringend benötigte. Jeder Gedankengang ist zulässig. Aber das Bündnis Ostwestfalen ist nicht dazu da, sportliche Lücken zu schließen. Es war ein Teil der Rettung des Vereins. Aus ihm sind die Stadionbesitzgesellschaft Bündnis Alm entstanden sowie die Gesellschaft, die das neue Funktionsgebäude am Trainingszentrum an der Friedrich-Hagemann-Straße baut. Das Bündnis hat auch mit reduzierten Mieten dazu beigetragen, dass Arminia die Corona-Pandemie überstanden hat. Unter dem Strich sind viele Millionen Euro in die langfristige Vereinsentwicklung geflossen. Darüber hinaus engagieren sich einige Unternehmen des Bündnisses noch zusätzlich als Sponsoren. In einzelne Spielertransfers wird es aber nie investieren. Es nimmt keine Investorenrolle ein, das war von Anfang an klar formuliert und wird auch so bleiben. Der Ansatz war immer ein langfristiger, damit Arminia Bielefeld auf eigenen Beinen stehen kann. Würde das Bündnis denn im Abstiegsfall der Arminia nochmals mit Geld unter die Arme greifen, sollten alle internen Sparmaßnahmen nicht ausreichen? Die Geschäftsführung arbeitet zunächst daran, dass die Etatlücke geschlossen wird. Wo wir damit in den kommenden Wochen stehen, werden wir sehen. Welche Auswirkungen hat die Ligazugehörigkeit im kommenden Jahr auf das Neubauprojekt am Trainingszentrum? Gar keine. Es soll spätestens in einem Jahr bezugsfertig sein. Ein Projekt, das nicht nur für die Profis bestimmt ist. Sondern auch für die Junioren, die ein ganz starkes Jahr hinter sich haben. Von unserer Profimannschaft hängt unglaublich viel ab, sie bringt die Liquidität ein. Aber in unserem Verein haben wir im Gegensatz zur enttäuschenden Saison in der 2. Bundesliga viele tolle Erfolge: der sensationelle Gewinn der Deutschen Meisterschaft unserer U17, der Wiederaufstieg der U19 in die Bundesliga, auch die U17-Juniorinnen sind in die Bundesliga aufgestiegen. Das alles ist uns mit extrem begrenzten Mitteln gelungen. Es sind Beispiele dafür, wie gut in verschiedenen Bereichen des Vereins, übrigens auch in anderen Abteilungen, gearbeitet wird. Und umso schmerzlicher ist es, dass unser Aushängeschild derzeit so wenig Erfolg hat. Herr Schütte, Sie sind seit Sommer 2021 Präsident. Arminia hat sich in dieser Zeit immer in unruhigem Fahrwasser bewegt. Auch Sie geraten als Vereinschef ins Visier der Kritiker. Wie viel gibt Ihnen dieser Posten noch zurück? Krise haben wir als Präsidium, das ehrenamtlich arbeitet, in unserer Amtszeit eigentlich ab dem ersten Tag erlebt. Die Abstiegssorgen der Profis in der Bundesliga, das Thema Corona, die Zuschauerausschlüsse und eine daraus abgeleitete Distanzierung. Ganz einfach war es nie. 80 Prozent unserer Arbeit sollte sich mit dem e.V. (eingetragener Verein, Anm. d. Red.) beschäftigen, mit dem Fußballnachwuchs, den vielen Abteilungen. Die Realität sah aufgrund der Krisen und der Themen um die Geschäftsführer der KGaA natürlich anders aus. All die Menschen im e.V. und in der KGaA haben uns eine Menge zurückgegeben: Mitarbeitende aus der Geschäftsstelle, Ehrenamtliche, auch Fans, auch die Süd. Darüber hinaus erleben wir immer wieder, welche Bedeutung der Verein für die Stadt und die Region hat. Die vielen Kinder und Jugendlichen, die am Verein hängen, denen Arminia Bielefeld etwas gibt. Beispielhaft dafür ist das Sommerfest der "Arminis" mit nahezu 10.000 Besuchern am 1. Mai: Solche Veranstaltungen geben uns viel Kraft, für diesen Verein zu kämpfen und das Ehrenamt trotz der immensen Belastungen mit Freude auszuüben und der Verantwortung gerecht zu werden.

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