DSC-Präsident Rainer Schütte: „Es geht um Arminia, nicht um mich“

Herr Schütte, bei der Jahreshauptversammlung 2023 haben Sie im Zusammenhang mit einer möglichen erneuten Präsidentschaftskandidatur erklärt, dass alles seine Zeit habe. Das klang akut nach Abschied. Nun treten Sie am 18. November noch einmal zur Wahl an. Warum? Rainer Schütte: Ich habe in der Tat gesagt, alles hat seine Zeit. Bei meinem erneuten Antritt zur Wahl geht es nicht um mich, es geht um Arminia. Wir haben das Für und Wider sehr genau abgewogen und mit vielen Personen im Umfeld der Arminia gesprochen. Vor ungefähr eineinhalb Jahren, nach dem Abstieg aus der 2. Liga, haben wir leise einen intensiven Restrukturierungsprozess eingeleitet, sowohl in der KGaA als auch im e.V. Ein Beispiel: Wir haben praktisch gleichzeitig mit dem Abstieg mit dem Bau des neuen Trainingszentrums an der Friedrich-Hagemann-Straße begonnen. Wir alle haben uns gesagt: jetzt erst recht! Warum? Weil wir das Vertrauen unserer vielen Partner genießen, dass sich hier wieder etwas entwickelt. Der Neubau ist ein deutliches Zeichen nach außen, denn damit ist uns etwas gelungen, was bei Arminia seit 25 Jahren in der Planung war. Ja, alles hat seine Zeit. Aber mir wurde auch gespiegelt, dass ein Rückzug aktuell zur Unzeit käme. Ich höre immer wieder: Rainer, die Gremien bei Arminia leben von Vertrauen und Verlässlichkeit und dafür stehst du. Das ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Das hat mich noch einmal bestärkt, dass ich zusammen mit meinen Präsidiumskollegen Rainer Kobusch und Hans-Wilhelm Beckmann noch einmal zur Wahl antrete. Lesen Sie auch: Arminia-Präsident Rainer Schütte bestätigt: &bdquo;Ich stelle mich wieder zur Wahl“ Rechnen Sie mit Widerständen? Schütte: Natürlich wird es nach den turbulenten letzten Jahren Widerstände geben, da bin ich mir sicher. Zugleich gibt es auch viel Zuspruch und ich habe auch die Überzeugung, dass diejenigen, die uns näher begleiten, die Dinge einordnen können. Und wenn nicht, dann haben wir, dann habe ich etwas falsch gemacht. Wie gesagt, es geht um Arminia und es ist uns das größte Anliegen, dass die Arminia gut aufgestellt und erfolgreich ist. Wird es Ihre letzte Kandidatur sein? Schütte: Ja, zumal dann auch die in der Satzung verankerte Altersgrenze greift. Ich bin jetzt 68, mit 70 Jahren ist bei uns Schluss. Gut aufgestellt zu sein, ist das eine. Die größte Überzeugungskraft bei Fans und Mitgliedern liefern im Fußball aber die Ergebnisse. Maurice Eschweiler: Wir entwickeln uns strukturell weiter, sei es mit dem Trainingszentrum, der Förderung der Akademinia und des Frauenfußballs oder den vielen gesellschaftlichen Initiativen. Der sportliche Erfolg bleibt jedoch der entscheidende Gradmesser. Wir brauchen den Erfolg auch aus wirtschaftlichen Gründen und sind damit keinesfalls alleine. So hat in der Saison 2022/23 die große Mehrheit der Drittligavereine Verluste geschrieben. Auch wir sind trotz der vielen von Finanz-Geschäftsführer Christoph Wortmann und Team angestoßenen, positiven Entwicklungen verlustig und können es uns darum nicht in der 3. Liga einrichten. Wir wollen sie schnellstmöglich nach oben verlassen, das muss das Ziel sein. Schütte: Das Umfeld hat zu Recht Ansprüche. Deshalb haben wir nach dem Abstieg in die 3. Liga auch ganz bewusst die Entscheidung getroffen, nicht alles herunterzuschrauben. Wir hätten praktisch über Nacht das Nachwuchsleistungszentrum abschaffen können, aber wir haben andere Ansprüche und wollen diese aufrechterhalten. Mit der Folge, dass wir geplant Verluste schreiben. Klar ist, dass man das nicht ewig machen kann. Aber kaufen können wir uns den Erfolg nun mal nicht. Also müssen die sportlich Verantwortlichen die passenden Spieler finden und entwickeln, an die sie glauben. Unser Torwart Jonas Kersken ist dafür ein gutes Beispiel. Viele haben nach dem Abstieg 2023 gerufen, dass unsere Torhüter zu jung sind und wir einen erfahrenen Torhüter brauchen. Als Stefan Ortega Moreno am Trainingszentrum zu Besuch war, hat er gesagt: Wenn ihr jetzt einen älteren Torwart holt und den Jungen nicht das Vertrauen schenkt, dann macht ihr sie kaputt. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe das Vertrauen bekommen und habe mich entwickelt. Genau das entspricht unserer Denkweise. Herr Eschweiler, Sie sagen, man wolle die 3. Liga schnellstmöglich verlassen. Was heißt das konkret? Eschweiler: Nachdem wir letztes Jahr eine stabile Spielzeit als Ziel ausgerufen haben, wollen wir jetzt eine ambitionierte Saison spielen und in der extrem ausgeglichenen Liga stets im oberen Drittel sein. Dabei setzt die Sportliche Leitung für die einzelnen Phasen der langen Saison immer wieder Zwischenziele. Mit diesem Vorgehen leben wir derzeit gut. Die Ziele für die ersten Saisonphasen wurden erreicht. Warum ist es so schwierig, in der 3. Liga schwarze Zahlen zu schreiben? Schütte: Das liegt vor allem am TV-Geld. Die Diskrepanz zwischen der 2. und der 3. Liga ist enorm. Wir sind nach dem Abstieg von nahezu 20 Millionen Euro auf 1,3 Millionen Euro gefallen. Das gewissermaßen über Nacht aufzufangen, ist nicht so einfach. Eschweiler: Dank der vielen Traditionsvereine, die nebenbei bemerkt eigentlich alle aufsteigen müssen, um unter den derzeitigen Begebenheiten dauerhaft überlebensfähig zu sein, boomt die 3. Liga. Aber das spiegelt sich nur sehr unzureichend in den TV-Geldern und in den zentral vermarkteten Bereichen wider. Hier ist noch deutlich Luft nach oben. Es ist schon verwunderlich, dass den Vereinen wenige Tage vor dem Saisonbeginn mitgeteilt wird: Wir haben in der Zentralvermarktung für die boomende 3. Liga leider keinen Sponsor für den zweiten Trikot-Ärmel gefunden, ihr könnt den jetzt selbst vermarkten. Christoph Wortmann hat aus der Not eine Tugend gemacht und sich aus alter Verbundenheit und in enger Zusammenarbeit mit dem Vorstand der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel für das Bethel-Logo auf dem Ärmel entschieden. Die Erlöse der gedruckten Ärmel-Logos auf den verkauften Trikots gehen an Bethel, was von vielen Arminen sehr geschätzt wird. Sie finden auch kreative Wege, um frisches Geld zu akquirieren. Unlängst haben Sie die Gründung der &bdquo;Arminia Familie und Freunde GmbH und Co. KG“ bekanntgegeben. Diese Gesellschaft, zu der insgesamt sieben Teilhaber zählen, hat dem Mutterverein Schulden in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro abgekauft, die der e.V. gegenüber der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) abzutragen hat. Das Geld wurde dem Profibereich zugeführt. Woher und aus welcher Zeit stammen diese Verbindlichkeiten, die sogar ein Volumen von insgesamt rund 2,2 Millionen Euro haben, eigentlich? Eschweiler: Die Arminia-internen Verbindlichkeiten stammen aus Zeiten rund um den Neubau der Osttribüne, noch vor der Gründung der Alm KG. In der mit dem Arbeitstitel gegründeten &bdquo;Arminia Familie und Freunde GmbH und Co. KG“ haben sich Menschen aus der Region gefunden, die bestimmte Kriterien erfüllen. Diese Menschen haben erstens eine hohe Loyalität, vielleicht sogar Liebe zur Arminia. Sie können den e.V. nun schützen, falls die KGaA einmal in schwieriges Fahrwasser geraten sollte. Die Teilhaber wollen das Geld zweitens erst dann zurückhaben, wenn Arminia da ist, wo der Klub hingehört – in der 2. Bundesliga. Erst dann besteht für den e.V. wieder die Möglichkeit, Verbindlichkeiten abzubauen. Denn die Marke Arminia wird nur in der 1. und 2. Liga über den TV-Vertrag auskömmlich vergütet. Der e.V. bekommt also einen Teil der deutlich höheren TV-Gelder und kann dadurch genauso wie zuvor tilgen. In der 3. Liga gibt es für den Verein nur noch eine kleine Summe, die er allerdings für das eigene Geschäft benötigt, etwa um den Breitensport zu fördern. Schütte: Wir haben uns bei unserem Amtsantritt vorgenommen, diese internen Verbindlichkeiten des e.V. schnellstmöglich abzubauen. Das ist uns bisher auch gelungen. Von 3,9 Millionen sind die Verbindlichkeiten auf rund 2,2 Millionen Euro gesunken. Wie genau haben Sie das Geld eingesetzt? Eschweiler: Wir konnten unser Sportbudget wohldosiert erhöhen. Klare Maßgabe ist dabei, Werte innerhalb der KGaA zu schaffen. Wir haben zum Beispiel Verträge mit jungen Spielern langfristig verlängert. Ist von den 1,1 Millionen Euro noch etwas übrig? Eschweiler: Die Summe ist für diese Saison verplant. Das Geld verbessert unsere Ausgangslage und ermöglicht Maßnahmen, die wir sonst nicht hätten umsetzen können. Dennoch sind wir im Ligavergleich mit Blick auf den Etat weiter nicht ganz vorne dabei. Wären Ressourcen vorhanden, um den Kader im Winter noch einmal punktuell zu verstärken und die Aufstiegschance weiter zu erhöhen? Eschweiler: Michael Mutzel und sein Team haben einen sehr guten Kader für die gesamte Saison zusammengestellt. Es gibt keinerlei Handlungsdruck. Es herrscht großes Vertrauen in die Spieler, bei denen die sportliche Leitung noch klare Entwicklungsmöglichkeiten sieht. Zugleich haben die Verantwortlichen den Markt immer im Blick. Das Fußballgeschäft ist schnelllebig. Was sich in der Winterpause möglicherweise noch tut, werden wir sehen. Was hat Arminia dazu bewogen, den Vertrag mit Chefcoach Mitch Kniat und seinem Trainerteam so früh vorzeitig zu verlängern? Eschweiler: Wir sind fest davon überzeugt, dass Arminia nach den enormen Umbrüchen der vergangenen Jahre nun vor allem Kontinuität und Stabilität auf allen Ebenen benötigt. Das gilt auch für die Trainerposition, die in den Verantwortungsbereich von Michael Mutzel fällt. Der Aufsichtsrat folgt seiner begründeten Auffassung, dass Mitch Kniat und sein Trainerteam hervorragende Arbeit leisten und sich über alle Maßen mit Arminia identifizieren. Man lernt Menschen am besten kennen, wenn sie unter enormen Druck arbeiten müssen. Gerade in diesen Druckphasen hat Mitch Kniat einen außerordentlich guten Job gemacht. Zugleich entwickelt er die junge Mannschaft kontinuierlich weiter, so wie es die Sportliche Geschäftsführung vorgibt. Lesen Sie auch: Vertrag vorzeitig verlängert: Mitch Kniat bleibt Arminia-Trainer Hatten Sie gar keine Sorge, dass Ihnen das im Falle einer Negativphase auf die Füße fallen könnte? Eschweiler: Es wird wieder Phasen geben, in denen der Motor stottert. Aber gerade dann hat das Trainerteam bisher abgeliefert. Wir müssen uns, so gut es geht, unabhängig machen von der Tagesform. Unsere Geschäftsführer weisen immer wieder auf die Entwicklung hin: Wir haben von den letzten 32 Pflichtspielen bei 17 Siegen insgesamt nur vier und damit jedes achte verloren. Die Geschäftsführung ist daher zu Recht überzeugt, dass wir mit der frühzeitigen Vertragsverlängerung einen Erfolgsfaktor schaffen und für alle Beteiligten ein eindeutiges Zeichen setzen. Ex-Profi Manuel Hornig nimmt als sogenanntes sachverständiges Mitglied mit Sportkompetenz an den Sitzungen des Aufsichtsrates teil. Gibt es Überlegungen, ihn fest in den Aufsichtsrat zu integrieren? Eschweiler: Er arbeitet im Gremium wie jedes andere Mitglied voll mit. Er ist zwar formal nicht stimmberechtigt, aber seine Stimme hat enormes Gewicht – insbesondere bei den Sportthemen. Er nimmt an jeder Sitzung teil und hat Zugang zu allen Unterlagen. Der jetzige Aufsichtsrat ist ein von den Mitgliedern gewähltes Gremium. Deshalb können wir seinen Status nicht einfach mal so verändern. Es macht inhaltlich aber auch keinen Unterschied. Frauen sind in den Arminia-Gremien bisher nicht vertreten. Soll und wird sich das in naher Zukunft ändern? Schütte: Wir wünschen uns das sehr, aber es muss passen. Salopp gesagt: Arminia-Verrückte zu finden, egal ob Frau oder Mann, die so viel Zeit in ein Ehrenamt stecken, es sich beruflich und familiär erlauben können und zu Arminia passen, ist nicht so einfach. Seit dem Umzug der Ultras auf der Südtribüne gibt es immer wieder Beschwerden von Fans, die sich von ihrem Platz verdrängt fühlen? Wie nehmen Sie diese Situation wahr? Schütte: Diese Schwierigkeiten gab es und es gibt sie zum Teil noch immer. Der Fanbeirat hat bei jedem Spiel Anlaufpunkte eingerichtet. Die große Beschwerdewelle hat sich gelegt, aber es gibt weiterhin Dinge, die offenbar noch besprochen werden müssen. Christoph Wortmann und sein Team arbeiten kontinuierlich daran, im Dialog zu bleiben und die letzten Unstimmigkeiten zu lösen.

Meistgelesen