Wie Arminias Gastspiel bei Hertha BSC ohne Corona ausgesehen hätte

32. Spieltag. Abstiegskampf. Frühsommer. Das holt selbst diejenigen vom Sofa, die sonst niemals auswärts fahren würden. Dazu noch Berlin, die Hauptstadt, das Olympiastadion, dieser Tempel des deutschen Sports - ein angemessener Ort für den potenziell wichtigsten Schritt zum Klassenerhalt. Denn der ist, das zeigt auch der dreihundertzwanzigste prüfende Blick auf die Tabelle, in den vergangenen Wochen doch zusehends in Gefahr geraten. Eine 0:5-Schmach vor fast 50.000 jubelnden Heimfans im Gladbacher Borussia-Park hatte die ebenfalls anwesenden fünftausend Arminen zwei Wochen zuvor ziemlich enttäuscht und desillusioniert auf die Heimreise nach Ostwestfalen geschickt. Wie das passieren konnte, wird unter den zahllosen Arminia-Fans in den ICEs und an den Raststätten der A2 von Auetal bis Michendorf noch immer heiß diskutiert. Hatten ihre Idole sich zu ungesunder Selbstsicherheit hinreißen lassen nach dem knappen Sieg über Schalke? Eine ausverkaufte Alm hatte die Königsblauen mit donnernden Sprechchören in die 2. Bundesliga verabschiedet, Siegtorschütze Fabian Klos auf dem Zaun sitzend sein Sondertrikot in die feiernde Menge geschleudert. Fußball lebt durch seine Fans, dieser Schriftzug blitzte noch kurz auf, ehe ein glücklicher Junge, ein glückliches Mädchen das Jersey sicher unter der Jacke verstaute. Mit achttausend Fans im Olympiastadion In anderen Jahren hätten 30 Punkte für den Klassenerhalt gereicht. Aber das wäre doch nicht Arminia, wenn es nicht mindestens einen Konkurrenten gäbe, der aus abgeschlagener Position plötzlich zu einer Weltklasse-Rückrunde ansetzt, ein anderer mit einem aus dem Ruhestand reaktivierten Feuerwehrmann als Trainer von den Toten aufersteht, flachst eine Gruppe Fans bei der Einfahrt in den Spandauer Bahnhof. Die Chance auf ein weiteres Bundesligajahr ist ja dennoch lebendig, und das allein genügt als Motivation, an diesem Wochenende mehr als 700 Kilometer auf sich zu nehmen. Auf einen kalten, unwirtlichen Jahresbeginn - etliche DSC-Fans blieben bei der Anfahrt zum Bremen-Heimspiel in Schneemassen stecken, ehe die Partie schließlich abgesagt wurde - soll nun endlich das erste warme Wochenende folgen. Kein Wunder, dass die Auswärtskarten wie heiße Semmeln verkauft wurden, Arminia musste mehrfach Tickets nachordern. In Berlin geht das glücklicherweise problemlos, ausverkauft ist das Stadion nur gegen Bayern oder den BVB. Auf Gegner wie Bielefeld, obgleich tabellarisch auf Augenhöhe, schaut die Alte Dame eher naserümpfend. Die ersten Bielefelder kommen am Freitagabend, viele am Samstag und noch mehr am Spieltags-Sonntag. Ein erster Aufruf der Fanszene hat sich ganz offensichtlich rasend schnell verbreitet, jeder stiftete noch einen anderen an: Sieben- bis achttausend Arminen erobern schließlich die Hauptstadt, fahren mit gecharterten Schiffen über die Spree, treffen sich spontan am Brandenburger Tor und auf dem Kudamm. Sightseeing, Kneipenkultur und Fußball an lauen Frühsommerabenden - an diesem Wochenende passt alles. Die U2 Richtung Ruhleben ist sonntagnachmittags schon am Potsdamer Platz rappelvoll, helles Blau mischt sich mit dunklem Blau, Arminen mischen sich unter Herthaner. Auf dem Weg über den Olympischen Platz herrscht friedliche, aber angespannte Atmosphäre. Die Fachsimpelei beginnt auf der Rückreise Selbst die, die schon in München, auf Schalke und in Dortmund waren, wissen den ersten Blick ins Stadion zu schätzen. 55.000 Leute wollen das Spiel sehen, etliche Plätze sind frei, alles verliert sich ein wenig in diesem weiten und doch beeindruckend großen Rund. "Nur nach Hause geh'n wir nicht" stimmt das Stadion in den Minuten vor dem Anpfiff ohrenbetäubend laut an, aber Arminias Anhang kontert wacker. Das Spiel ist genau so, wie ein Abstiegskrimi am 32. Spieltag sein muss: Zäh, kompliziert, mitreißend nur durch Spannung und Zweikampfhärte. Irgendwann geht Hertha in Führung, es ist der erste schöne Spielzug. Drei Minuten vor Schluss stochert ein Armine im Getümmel eine Ecke zum 1:1 in die Maschen. Die meisten erfahren erst lange nach Abpfiff, dass Andreas Voglsammer der Torschütze war - im Freudentaumel geht alles andere unter. 31 Punkte sind es also nun, und die Entscheidung ist wohl auf das allerletzte Wochenende vertagt. Schon auf der Rückreise beginnt die Fachsimpelei: Punktgleich mit Hertha, einen vor Köln und Bremen, drei hinter Augsburg, wer braucht nun welches Ergebnis, wird das Torverhältnis doch noch zum Verhängnis? Der Krimi um die Bundesliga geht weiter. So hatten sich es doch alle, die es mit dem Außenseiter halten, vor der Saison erhofft und so tritt es auch ein. In nicht einmal sechs Tagen kommt schon Hoffenheim zum letzten Heimspiel. Und noch bevor der Mannschaftsbus den Berliner Stadtring erreicht, meldet Arminia: "Nichts geht mehr. Die Schüco-Arena ist restlos ausverkauft."

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