Die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger im Bereich rechtsextremer Kriminalität hat sich in Nordrhein-Westfalen innerhalb eines Jahres beinahe verdreifacht. Wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Antwort des NRW-Innenministeriums auf eine SPD-Anfrage hervorgeht, wurde der Zuwachs 2024 im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Die Auswertung zeige, dass politisch motivierte Kriminalität von Rechts weiterhin eine zentrale Herausforderung für die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen bleibe, bilanzierte Innenminister Herbert Reul (CDU).
Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Dilek Engin, nannte die Zahlen „absolut alarmierend“.
Laut kriminalpolizeilichem Meldedienst stieg die Zahl der polizeilich erfassten 14- bis 17-jährigen Tatverdächtigen im Bereich politisch rechts motivierter Kriminalität 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 106 auf 299. Schwerpunkte seien nach wie vor die Verbreitung von Propagandamitteln sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, teilte Reul mit.
Deutlich mehr Volksverhetzung
Besonders steche diesmal aber der Anstieg bei Volksverletzungsdelikten hervor. Nach jeweils neun erfassten Taten von Jugendlichen 2022 und 2023 seien für das vergangene Jahr 48 solcher Fälle beim kriminalpolizeilichen Meldedienst registriert worden – also mehr als fünfmal so viele wie zuvor.
„Auch die Entwicklung im Bereich der Gewaltdelikte indiziert eine gewisse Radikalisierung“, stellte der Innenminister fest. Während 2023 in NRW überhaupt keine jugendlichen Tatverdächtigen mit Gewaltdelikten aus rechter Gesinnung aufgefallen seien, seien 2024 insgesamt 13 jugendliche Tatverdächtige wegen Körperverletzungsdelikten, Landfriedensbruch, Raub oder Widerstand gegen die Staatsgewalt aktenkundig geworden.
Gleichzeitig habe „das Tatmittel Internet weiter an Bedeutung gewonnen“, heißt es in der Antwort. Demnach hat sich die Zahl der Jugendlichen, die für ihre Straftat das Internet nutzten, von 38 im Jahr 2023 auf 84 Tatverdächtige im vorigen Jahr mehr als verdoppelt.
Intensive Ermittlung im Internet
„Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden ermitteln im Rahmen ihrer Befugnisse intensiv im Internet“, versicherte Reul. „Das betrifft die gesamte Bandbreite von Telegram über Instagram bis hin zu Tiktok.“ Der Identifizierung und Bearbeitung von Hass-Postings, Hass-Propaganda und Gewaltaufrufen in virtuellen sozialen Netzwerken komme dabei besondere Bedeutung zu.
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Bei der Bekämpfung von politischem Extremismus Jugendlicher setze die Landesregierung auf einen Dreiklang aus Repression, Prävention und Ausstiegshilfe. „Dies bleibt aber eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe“, betonte der CDU-Politiker.
Zu den wichtigsten repressiven Maßnahmen der Landesregierung in diesem Bereich zählten Vereinsverbote, Strafverfahren und der Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse, wenn die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen vorlägen. Die Polizei beobachte etwaige Radikalisierungstendenzen rechtsextremer Jugendlicher niedrigschwellig.
Opposition: Schulsozialarbeit auf der letzten Rille
Die SPD sieht auch schulpolitischen Handlungsbedarf. Seit Jahren lasse die Landesregierung „die Schulsozialarbeit auf der letzten Rille fahren“, bemängelte Engin. „Wann begreift sie endlich, dass das keine soziale Gefühlsduselei ist?“ Schulsozialarbeit sei ein elementarer Bestandteil von Bildungsarbeit, der angesichts immer größerer psychologischer Herausforderungen für Kinder und Jugendliche weiter an Bedeutung gewinne.
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„Für das Schulministerium ist die Schulsozialarbeit von großer Bedeutung bei der Gewalt- und Extremismusprävention“, entgegnete die Behörde. Rund 2.000 Fachkräfte seien mit ihrer sozialpädagogischen Fachexpertise im Landesdienst tätig. Seit 2022 unterstütze das Land darüber hinaus auch die kommunale Schulsozialarbeit über ein jährlich mit fast 58 Millionen Euro ausgestattetes Landesprogramm, auf dessen Grundlage derzeit rund.
„Einen wichtigen Beitrag bei der Extremismusbekämpfung leistet auch die Schulpsychologie“, betonte ein Ministeriumssprecher. Die Landesregierung habe die Fachkräfte-Stellenzahl für systemische Extremismusprävention auf 108 ab dem kommenden Schuljahr verdoppelt.