Was halten Sie von einem Verbot der AfD, Herr Reul?

Herr Reul, der neue CSU-Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, hat als eine erste Amtshandlung die Polizei an den Grenzen für Kontrollen verstärkt. Ist das der richtige Weg, mit Zuwanderung umzugehen? Vor einem Jahr wäre ich sehr kritisch gewesen, heute nicht mehr. Unkontrollierte und unerlaubte Migration hat einen wesentlichen Einfluss auf die Stimmung in der Gesellschaft – das muss man benennen, andernfalls schafft man Misstrauen. Was auch zur Wahrheit gehört: Für Probleme wie irreguläre Migration gibt es nie nur die eine Lösung. Auch nicht mit Grenzkontrollen. Aber sie sind ein Mosaikstein. Was sind die Grenzkontrollen dann? Sie sind ein Zeichen an die Leute, die hierhin kommen, dass es nicht mehr automatisch mit der Aufnahme klappt. Sie sind aber auch ein Zeichen an die Nachbarstaaten, durch die die meisten der Migranten vorher marschiert sind. Die werden künftig auch ihre Außengrenzen kontrollieren müssen. Da hoffe ich auf einen Dominoeffekt und die Erkenntnis, dass das Thema Migration nur gemeinsam in Europa gelöst werden kann. Stichwort Kriminalität: Sind Zuwanderer hier tatsächlich der große Faktor? Gehen wir es mal von einer anderen Seite an: Wenn zwei Schüler in einer Klasse nicht Deutsch sprechen, ist das kein Problem. Sind es 20, dann schon. Bei zu vielen Leuten, die die Sprache und Kultur nicht kennen, schaffen wir die Integration nicht. Das schaffen wir nur, wenn wir die Zuwanderung begrenzen. Lesen Sie auch: NRW-Innenminister warnt vor Erstarken des IS – vor allem Jugendliche gefährdet Wieso? Wir können den Menschen so Arbeit verschaffen und müssen sie nicht in Containerdörfern mit Hunderten anderen Männern unterbringen. Das kann doch nicht gut gehen. So produzieren wir Probleme selbst, auch in Sachen Kriminalität. Der Beginn der Flüchtlingskrise vor gut zehn Jahren hat zu einem politischen Klima geführt, das die AfD genutzt hat und dazu geführt, dass sie stark geworden ist. Wie soll man damit jetzt umgehen? Die Partei und deren Anhänger beschimpfen, verunglimpfen oder ignorieren funktioniert nicht. Wir müssen uns inhaltlich auseinandersetzen. Die große Masse wählt AfD, weil Politik über Jahre ein schlechtes Bild abgegeben hat. Wenn wir zum Beispiel bestehende Probleme wie Migration oder Clans nicht benennen, fragen sich die normalen Bürger, wieso wir sie anlügen. Ehrlichkeit hat aber auch Risiken, denn sie kann der falschen Seite Material liefern. Und der letzte Punkt ist, dass wir Probleme lösen müssen, Stück für Stück, und nicht große Lösungen versprechen, die es nicht gibt. Reul bemerkt schärferen Ton im NRW-Landtag Muss man dann nicht auch so ehrlich sein und sagen, dass Probleme wie Kindesmissbrauch oder Clankriminalität nie gelöst werden? Kriminalität hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Da mache ich mir überhaupt keine Illusionen. Aber wir können sie kontrollieren und reduzieren. Gehen wir einen Schritt zurück. Was halten Sie von einem AfD-Verbot? Heute habe ich Zweifel. Wenn die Einstufung der Partei als &bdquo;gesichert rechtsextremistisch“ Bestand hat, müsste man rational gesehen die AfD verbieten. Doch wir wollen die Wähler der Partei ja auch zurückgewinnen. Wenn wir sie mit Verbotsforderungen aber weiter in die Sündenbock-Ecke treiben, wird das nur noch schwieriger. Die Einstufung der AfD erfolgte durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. In NRW gibt es die Sondersituation, dass der Landesverband jedoch nicht als rechtsextremistisch gilt Im Landesverband Nordrhein-Westfalen werden nur die Teilstrukturen der aufgelösten Jungen Alternative Nordrhein-Westfalen und der &bdquo;Völkisch-nationalistische Personenzusammenschluss innerhalb AfD, ehemals Flügel“ als Verdachtsfall beobachtet. Ich merke aber auch, dass der Ton – zum Beispiel im Landtag – schärfer wird. Lesen Sie auch: Aufgedeckt: AfD-Wahlkämpfer aus OWL in &bdquo;Reichsbürger“-Gruppe aktiv Was sagt es Ihnen, wenn Menschen trotz der Einstufung in der AfD bleiben? Ich will es nicht aussprechen – aber ganz schlau sind die nicht. Letztendlich müssen wir uns aber eingestehen, dass wir zu viel falsch gemacht haben. Wie gehen Sie mit Beamten, zum Beispiel bei der Polizei, um, die bei der AfD sind? Menschen, die nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen, will ich nicht im Staatsdienst haben. Ich kann sie aber nur rauskriegen, wenn ich individuell nachweise, dass sie ihre Pflicht verletzen. Wir werden uns mit den Fällen, die uns erreichen, beschäftigen. Pauschal zu sagen, AfD-Mitglieder fliegen bei der Polizei raus, geht nicht. Ihr Parteikollege und neuer Bundeskanzler Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang im Bundestag gescheitert. Was haben Sie in dem Moment gedacht? Ich konnte es kaum glauben. Wer so stimmt, erfüllt nach meiner Auffassung nicht die Anforderungen an einen verantwortungsvollen Politiker. Wenn etwas nicht passt, hätte es schon vorher angesprochen werden können – in großer oder kleiner Runde. Am Tag der Kanzlerwahl hintenrum gegen ihn zu stimmen, finde ich das Letzte. Ich glaube aber nicht, dass die Ereignisse dramatische Folgen haben werden. Wenn Friedrich Merz und seine Regierung gute Politik machen, dann ist das schnell vergessen. Die Leute werden viel mehr darauf achten, ob sich tatsächlich etwas ändert.

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