Bielefeld (epd). Vor dem Hintergrund eines massiven Spardrucks wird in der Evangelischen Kirche von Westfalen erstmals ein Wirtschaftsfachmann hauptamtliches Mitglied der Kirchenleitung und neuer Finanzchef. Die westfälische Landessynode wählte am Dienstag in Bielefeld den Diplom-Kaufmann Ralf Henning Krause fast einstimmig zum neuen Oberkirchenrat und besetzte einen weiteren Platz in der Kirchenleitung neu. Die Synode befasste sich am vorletzten Tag ihrer Herbsttagung zudem mit dem Thema sexualisierte Gewalt. Die Missbrauchsbetroffene Nancy Janz forderte von der evangelischen Kirche weitere Konsequenzen.
Der promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Krause war bisher unter anderem Direktor des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Bonn/Berlin, Geschäftsführender Gesellschafter mehrerer IT-Firmen sowie Gründer eines Unternehmens für Projektmanagement für Banken. In der Kirchenleitung tritt der Ökonom, der einziger Bewerber war, die Nachfolge des Juristen Hans-Tjabert Conring an, der nach achtjähriger Amtszeit nicht erneut als Oberkirchenrat kandidierte.
In der Funktion des Finanzdezernenten löst der 60-jährige Krause den bislang zuständigen Juristischen Vizepräsidenten Arne Kupke ab. Dieser hatte am Montag eine „Schieflage der kirchlichen Haushalte“ auf allen Ebenen konstatiert. Um wieder einen ausgeglichenen Haushalt auf der landeskirchlichen Ebene zu erreichen, soll dieser Etat bis 2028 dauerhaft um rund 14 Millionen Euro gekürzt werden. Ein Haushaltssicherungskonzept wird derzeit erarbeitet und soll im Frühjahr verabschiedet werden.
Sitz in Kirchenleitung nach Kurschus-Rücktritt vakant
Zum neuen ehrenamtlichen Mitglied der Kirchenleitung wählte die Synode die 58-jährige Erziehungswissenschaftlerin Uta Schütte-Haermeyer, bislang Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Dortmund und Lünen, die einzige Kandidatin war. Der Sitz in der Kirchenleitung war vakant, nachdem der Jurist Michael Bertrams im vergangenen November als Reaktion auf den Rücktritt der damaligen Präses Annette Kurschus seinen sofortigen Rückzug aus dem Leitungsgremium erklärt hatte.
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Die Kirchenleitung besteht aus fünf haupt- und zehn nebenamtlichen Mitgliedern und ist in der westfälischen Kirche das wichtigste Gremium nach der Landessynode. Um die Wahl eines Ökonomen zu ermöglichen, war vor einem Jahr eigens die Kirchenordnung geändert worden. Dieser Platz in dem Leitungsorgan war bisher Juristen vorbehalten.
Kritik am Umgang mit Missbrauchsstudie
Nancy Janz, Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sagte vor der Synode, das Problem der sexualisierten Gewalt lasse sich „nicht mit Samaritertum oder einer Geldleistung lösen“. Durch Verschiebung von Verantwortung, Verdrängen des Themas, Sprachlosigkeit und Ohnmachtsgebaren könne kein Vertrauen aufgebaut werden. Die Bedürfnisse und Rechte der Betroffenen müssten in den Mittelpunkt gestellt werden.
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Sie sei wütend, dass ein Aufschrei nach der Anfang des Jahres veröffentlichten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie ausgeblieben sei, erklärte Janz. Sie forderte einen Kulturwandel. Nötig seien eine Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt sowie Schulungen und Präventionsprogramme. Sicherheit, Respekt und Gerechtigkeit müssten über institutionelle Interessen gestellt werden.
Die westfälische Kirche will sich nach den Worten ihres Theologischen Vizepräsidenten Ulf Schlüter diesem Thema weiter stellen. Es gehe um Transparenz, Prävention und eine stärkere Beteiligung von Betroffenen.