Bielefeld. Als er um kurz nach 7 Uhr das Wahlfrühstück eröffnet, blickt Chefredakteur Thomas Seim bereits in „betroffene Gesichter“. So war es schon vor acht Jahren, als die „Neue Westfälische“ zum Election Breakfast geladen hatte – und Donald Trump die US-Wahl für sich entschied. Geschichte wiederholt sich. Doch die Diskussion ist nun eine andere.
Rund 50 Meinungsführer aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind der Einladung der Chefredaktion zum Election Breakfast ins Verlagshaus in Bielefeld gefolgt. Als sie am frühen Morgen eintrudeln, zeichnet sich bereits ab, dass Trump die Präsidentschaftswahl erneut gewinnen dürfte. „Ist das hier heute Morgen eine Art Selbsthilfegruppe?“, fragt eine Teilnehmerin und lächelt. Auch Chefredakteur Seim stellt überrascht fest: „Wir wissen wohl doch schon eher Bescheid als gedacht.“
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Entsprechend schnell nimmt die lebhafte Diskussion bei Kaffee, Bagel und Muffin im Newsroom der „Neuen Westfälischen“ Fahrt auf. Dafür sorgt vor allem Ronald Pofalla. „Ich finde dieses Ergebnis überhaupt nicht überraschend“, sagt der frühere CDU-Kanzleramtschef. Viele Menschen würden in Umfragen nicht einräumen, Trump zu wählen – aus Sorge, „sich rechtfertigen zu müssen“, glaubt Pofalla. Der frühere Vorstand der Deutschen Bahn zeichnet jetzt ein düsteres Bild: „Europa ist auf Trump nicht vorbereitet. Deutschland auch nicht. Jetzt wird Deutschland erheblich unter Druck kommen.“ Auf das Land komme eine „riesige Gefahr“ zu.
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Ampel hat sich auf eine Trump-Wahl vorbereitet
Der Widerspruch folgt prompt. „Ich frage mich, woher alle wissen, dass die deutsche Politik nicht vorbereitet ist“, entgegnet Achim Post. Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag und Chef der NRW-SPD ist nah dran an den Spitzenpolitikern der Ampelkoalition. „Wir reden seit zwei Jahren darüber, wer diese Wahl gewinnen könnte“, beteuert Post. Man habe unter anderem ein 30-seitiges „internes Szenario“ erarbeitet.

Zugleich formuliert der Politiker aus Espelkamp eine klare Botschaft an die Koalitionspartner in Berlin: Neuwahlen seien angesichts des wahrscheinlichen Wahlsiegs von Trump „kaum mehr vorstellbar und unverantwortlich“. Das lässt aufhorchen.
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Unter den rund 50 Gästen des Election Breakfast sind viele Vertreterinnen und Vertreter der regionalen Wirtschaft. Besonders hellhörig werden sie, als Christian Nolting zugeschaltet wird. Der Chief Investment Officer der Deutschen Bank prognostiziert, dass sich der Sieg Trumps voraussichtlich positiv auf die internationalen Märkte auswirken werde, die sich diesen Ausgang gewünscht hätten. Auch der weltweite Trend zu höheren Staatsausgaben dürfte sich unter Trump fortsetzen. Er erwarte, dass die Zinsen nun auf dem aktuell höheren Niveau verharren werden, so Nolting. Sein Appell: Die EU und Deutschland müssten deshalb vor allem kleinere und mittlere Unternehmen unterstützen.
So schätzen Experten die Folgen des Trump-Siegs ein
Deutlich wird auch Peter von Möller. „Mit Zöllen müssen wir fertig werden“, sagt der Gesellschafter der Bielefelder Möller-Group. Es müsse unterschieden werden zwischen kurzfristigen Auswirkungen und langfristigen geopolitischen Konsequenzen. Letztere dürften entscheidender und schlimmer sein, glaubt Möller. Er erwarte, dass die US-Wirtschaft über Trumps Sieg zunächst „jubeln“ werde, da es nun zu Steuerentlastungen und schnellerem Handeln kommen könnte, so der Unternehmer.
Dass die Wahlentscheidung der Amerikaner nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird, erläutert Eleonora Rohland. Ein Wahlsieg Trumps könnte auch den weltweiten Bemühungen um Klimaschutz massiv schaden, befürchtet die Amerikanistin der Uni Bielefeld. „Das ist sehr bedenklich.“

Der Themenverlauf beim Election Breakfast gibt einen kleinen Vorgeschmack auf das, was schon in den nächsten Tagen weltweit diskutiert werden dürfte: Die Frage – wie geht es in der Ukraine weiter? Trump hat bereits angekündigt, in kürzester Zeit eine Lösung für den Krieg herbeiführen zu wollen.
Diskussionen über Umgang mit Russland
Ein Thema, das in Deutschland unzureichend diskutiert werde, meint Pofalla. „Ich verstehe nicht, warum die deutsche Innenpolitik dem Bündnis Sahra Wagenknecht die Forderung überlassen hat, mit Russland zu verhandeln“, sagt der CDU-Mann und blickt entschieden in die Menge. „Es gibt doch gar keinen Widerspruch zwischen Härte und Gesprächen.“
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Er selber sei in diesem Jahr bereits zwei Mal in Russland gewesen, um Gespräche zu führen, so Pofalla. Auch an dieser Stelle erntet er Widerspruch. „Darüber müssen wir noch mal reden, Ronald“, ruft ihm der langjährige EU-Abgeordnete Elmar Brok zu und nippt an der Kaffeetasse.
Wissenschaftlerin Angelika Epple erinnert beim Blick auf den Wahlverlauf in den USA derweil daran, dass sich Personen „in einem freien Land“ entschieden haben, Trump zu wählen. „Die USA sind noch eine Demokratie“, sagt die Rektorin der Uni Bielefeld. „Wir müssen uns der Polarisierung mit aller Kraft entgegenstellen. Wir müssen versuchen, verschiedene Konfliktlagen wirklich zu adressieren.“ Und bei allen offenen Fragen und Sorgen der rund 50 Teilnehmer des Election Breakfast formuliert Epple abschließend einen Satz, den wohl alle unterschreiben dürften. „Wir können erwarten, dass jetzt das Unerwartbare regiert.“