US-Wahlen

Demokratie in Washington: Harris-Wähler ziehen düstere Parallelen

Bei Kamala Harris’ zentraler Wahlparty in der Howard University in Washington trübt sich die Stimmung nach und nach ein. Wovor die Harris-Anhänger nun Angst haben.

Betretene Gesichter bei den Besuchern von Kamala Harris' Wahlparty an der Howard-University. | © IMAGO/UPI Photo

06.11.2024 | 06.11.2024, 12:04

Von Enthusiasmus ist auf Kamala Harris‘ Wahlparty wenig zu spüren – umso mehr aber von der Angst, sollte Donald Trump die Schicksalswahl gewinnen. Harris-Anhänger ziehen Parallelen zum Deutschland der 1930er-Jahre. Eine junge Amerikanerin sagt: „Das ist keine Welt, in der ich leben möchte.“

Gute Partys zeichnen sich oft dadurch aus, dass es schwierig ist, hineinzukommen. Dass es bei Kamala Harris zentraler Wahlparty in der Howard University in der US-Hauptstadt Washington am Dienstagabend so einfach ist, ist womöglich schon bezeichnend. Um 21.30 Uhr – eine halbe Stunde nach dem offiziellen Beginn – gibt es keine Schlangen an der alten Ausbildungsstätte der demokratischen Präsidentschaftskandidatin. Die Sicherheitsschleuse ist in Sekunden bewältigt. Niemand fragt nach der Registrierung, die man eigentlich vorzeigen sollte.

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Vor der Absperrung tanzt eine Frau mit einem Transparent, auf dem „Madam President“ steht, sie will sich die gute Laune nicht durch die zunehmend schlechten Ergebnisse für Harris verderben lassen. Vor einem Wahlkampfbus, der für Harris und ihren Vize-Kandidaten Tim Walz wirbt, machen Menschen Selfies. Einige Tausend Anhänger der amtierenden Vizepräsidentin, die als erste Frau ins Weiße Haus einziehen will, haben sich auf einem zentralen Platz in der Uni versammelt. Allerdings könnten noch zahlreiche weitere Menschen unterkommen, ohne dass es hier überfüllt wäre.

So verlief die Wahlparty von Kamala Harris

Auf einer gigantischen Leinwand läuft der Harris-freundliche Sender CNN. Bei jedem guten Ergebnis für Harris jubelt die Menge, bei jedem Erfolg ihres republikanischen Herausforderers Donald Trump wird gebuht. Im Laufe der Zeit nehmen die Buh-Rufe deutlich zu, es sieht nicht gut aus für Harris, die zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht auf ihrer eigenen Wahlparty angekommen ist.

Unterstützer beobachten die Ergebnisse einer Wahlkampfveranstaltung für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris auf dem Campus der Howard University in Washington. - © Susan Walsh/AP/dpa
Unterstützer beobachten die Ergebnisse einer Wahlkampfveranstaltung für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris auf dem Campus der Howard University in Washington. | © Susan Walsh/AP/dpa

Aufgeben wollen viele Menschen hier um kurz vor 23 Uhr (Ortszeit/5 Uhr deutscher Zeit) nicht. „Ich glaube, sie hat noch eine Chance“, sagt Zorin, die junge Frau will wie viele hier ihren Nachnamen nicht nennen – auch das war vor der Spaltung der USA einmal anders. Was aber wäre, sollte Trump gewinnen? „Das ist keine Welt, in der ich leben möchte“, sagt die 24-Jährige. „Das würde bedeuten, dass uns Frauen die Rechte und Freiheiten genommen würden.“

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Harris-Anhänger gehen durch die Menge und verteilen US-Flaggen. Ariella hat schon eine Fahne und schwenkt sie fleißig. Auch sie erfüllt die Aussicht auf eine etwaige zweite Trump-Amtszeit mit Angst. „Halte ich ihn für einen Faschisten? Absolut“, sagt sie.

Harris-Anhänger sorgen sich vor Trump

Dass er die Selbstbestimmungsrechte von Frauen einschränken werde, sei schrecklich. Schwerer wiege am Ende aber die Bedrohung für die Demokratie. „Er liebt (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin“, sagt Ariella. „Freunde auf der ganzen Welt schreiben mir und sagen, dass sie entsetzt wären, sollte er zurückkommen. Ich kann nur sagen: Gott stehe uns bei.“

Neben Ariella stehen Jason Ziedenberg (54) und Cathy (71), die ebenfalls keinen Nachnamen nennen möchte – die drei haben sich zufällig in den Gesprächen mit dem Reporter aus Deutschland kennengelernt und wollen zusammen aufs Foto.

Cathy sagt, sie sehe Parallelen zwischen dem Aufstieg der Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren in Deutschland und Trumps Maga-Bewegung heute in den USA. „Dass es überhaupt dazu kommen konnte, ist wirklich schwierig zu begreifen.“ Als Cathy darüber spricht, taut Ziedenberg auf – und erzählt, dass seine Familie Opfer des Holocausts in Polen zu beklagen hatte. Er selbst sagt, er habe in den vergangenen Tagen im Swing-State an etliche Türen geklopft, um die Menschen zur Stimmabgabe für Harris zu bewegen.

Möglicher Trump-Wahlsieg löst Furcht aus

London (41) ist schwarz und trägt Rasta-Locken, trotz der schlechten Werte für Harris sagt er auf der Party: „Ich genieße den Moment.“ Es sei schön, mit Gleichgesinnten auf dem Campus zu feiern. Seine spontane Antwort auf die Frage, was im Fall eines Trump-Sieges geschehen würde, will er nicht veröffentlicht sehen. London denkt einen Moment über ein druckbares Zitat nach und sagt dann: „Wir sind im Arsch“, was tatsächlich deutlich diplomatischer als die erste Reaktion ist.

London meint, als erstinstanzlich verurteilter Straftäter hätte Trump nie zur Wahl für das Präsidentenamt in den USA antreten dürfen. Das sei ihm am Ende nur geglückt, weil er Milliardär ist. „Er versucht, wie Putin zu sein“, sagt London. „Er will ein Diktator sein.“

In der Nacht, um kurz vor 1 Uhr Ortszeit, sorgt der Auftritt von Harris-Berater Cedric Richmond für weitere Ernüchterung. „Ihr werdet heute Nacht nicht von der Vizepräsidentin hören“, sagt er zu der kleiner werdenden Anhängerschaft der Präsidentschaftskandidatin. Richmond forderte die Gäste der Wahlparty auf, nach Hause zu gehen. Harris werde erst am Mittwochmorgen zu ihren Anhängerinnen und Anhängern sprechen.