Kommentar

Trumps Sieg bei der US-Wahl trifft Deutschland wie ein Paukenschlag

Politisch wird es ein Spagat zwischen Härte und Diplomatie. Auf den deutschen Mittelstand kommt ein Problem zu. Und für den Klimaschutz ist der Sieg von Donald Trump eine Katastrophe, meint unsere Autorin.

Der Republikaner Donald Trump ist neuer US-Präsident. | © Alex Brandon/AP/dpa

Andrea Rolfes
06.11.2024 | 06.11.2024, 16:44

Bielefeld. Der Wahlsieg von Donald Trump versetzt Deutschland in Aufruhr. Aber auch Europa und die Welt. Denn diese Präsidentschaftswahl ist eine Richtungswahl. Das beschreibt die Tragweite des Wahlergebnisses, das weit über die USA hinaus wirkt und eine neue Ära in den internationalen Beziehungen, im Handel und in der geopolitischen Ordnung einläutet.

Wir alle haben miterlebt, wie die USA einen Präsidenten gewählt haben, der demokratische Prinzipien infrage stellt. Donald Trump hat auf eine polarisierende Rhetorik gesetzt, er hat eine autoritäre Agenda angekündigt, er ist ein verurteilter Straftäter, der es mit den Fakten nicht so genau nimmt, dem sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden, der von nicht wenigen als Faschist bezeichnet wird. Er ist ein Mann, der das US-Militär auf seine selbsternannten Feinde im eigenen Land hetzen will.

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Das ist ein ernüchterndes Zeichen: Die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung hat sich nicht davon abhalten lassen, Donald Trump zu wählen. Diese Mehrheit will offenbar einen Wandel, der auf Kosten der demokratischen Stabilität geht.

Rückkehr zu einem kompromisslosen Amerika

Trump verkörpert die Rückkehr zu einem kompromisslosen Amerika, meint unsere Autorin. - © AFP
Trump verkörpert die Rückkehr zu einem kompromisslosen Amerika, meint unsere Autorin. | © AFP

Ein erheblicher Teil der Amerikaner sieht in Trump ein Symbol des Wandels. Dabei geht es vor allem um wirtschaftliche Interessen und das Thema Einwanderung. Trump verkörpert die Rückkehr zu einem kompromisslosen Amerika, das klare Grenzen zieht und eigene Interessen durchsetzt.

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Mit seiner Wiederwahl ist die Hoffnung auf mehr Wohlstand verbunden. Denn derzeit haben viele Amerikaner das Gefühl, dass ihre Lebensqualität stagniert oder sinkt.

Unsicherheiten und Risiken für die Welt

Obwohl die Wirtschaft unter Biden weiter gewachsen ist, fühlen sich die Amerikaner von den hohen Lebensmittelpreisen und Lebenshaltungskosten erdrückt. Inflation und soziale Ungerechtigkeit haben ihre Spuren hinterlassen. Trump ist es gelungen, diese Sorgen besser aufzugreifen.

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Für die Welt birgt Trumps neue Amtszeit Unsicherheiten und Risiken. Für Deutschland bedeutet sie eine grundlegende Zäsur, die das Land zu einer strategischen Neuausrichtung zwingt.

Das Wahlergebnis drängt Deutschland in eine Richtung, die mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung erfordert. Denn schon jetzt ist klar, dass es Bereiche gibt, in denen die Folgen unübersehbar sein werden:

Die deutsche Sicherheitspolitik

Bereits in seiner ersten Präsidentschaft hatte Trump eine „America First“-Politik durchgesetzt, die oft mit einer Abkehr von internationalen Abkommen und Allianzen einherging. Europa – und damit auch Deutschland – muss sich auf eine mögliche Reduzierung amerikanischer Sicherheitsgarantien einstellen. Das könnte die NATO schwächen und die europäischen Staaten zwingen, ihre Verteidigungspolitik neu auszurichten und enger zusammenzuarbeiten.

Die Bereitschaft der USA, sich teilweise aus der globalen Sicherheitsverantwortung zurückzuziehen, wird Deutschland in eine Lage bringen, deutlich mehr in die eigene Verteidigung investieren zu müssen. Letztlich ist das ein überfälliger Schritt.

Deutsche Politik

Durch den Ausgang der US-Wahl könnte die Ampelkoalition länger bestehen bleiben. - © Kay Nietfeld/dpa
Durch den Ausgang der US-Wahl könnte die Ampelkoalition länger bestehen bleiben. | © Kay Nietfeld/dpa

Es klingt paradox. Trumps Wahlsieg könnte helfen, die Ampelkoalition zusammenzuhalten – zumindest kurzfristig. Ein radikaler außenpolitischer Kurswechsel, wie er von einer neuen Trump-Administration erwartet wird, könnte die Koalitionspartner dazu bewegen, sich auf ihre gemeinsamen Werte zu besinnen.

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Andererseits birgt der Wahlsieg innenpolitisch das Potenzial für neue Spannungen in der Ampelkoalition. Ein Trump-bedingter Strategiewechsel könnte zu höheren Verteidigungsausgaben führen. Deutschland müsste möglicherweise mehr als die angekündigten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufbringen, um die EU-Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Die SPD und die Grünen sind jedoch gegenüber massiven Aufrüstungen skeptisch eingestellt.

Deutsche Wirtschaft

Trumps wirtschaftspolitische Pläne versprechen zunächst einen Schub für die US-Wirtschaft, könnten Deutschland jedoch teuer zu stehen kommen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Trump mit Zöllen und Handelsbarrieren deutlich gemacht, dass seine „America First“-Politik oft zulasten internationaler Partner geht.

Diesmal könnte Deutschland noch stärker betroffen sein: Besonders die exportorientierte Industrie könnte langfristig unter erschwerten Exportbedingungen leiden. Bielefelder Unternehmer wie Peter von Möller mahnen, dass Trumps protektionistische Politik auf Dauer das Wachstum der regionalen Industrie belasten könnte.

Sollten die Zinsen weiter auf dem derzeit hohen Niveau bleiben, wie es die Deutsche Bank prognostiziert, werden vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen in Schwierigkeiten geraten.

Klimapolitik

Schon in seiner ersten Amtszeit hat Trump gezeigt, dass Klimaschutz für ihn keine Priorität hat. - © epd
Schon in seiner ersten Amtszeit hat Trump gezeigt, dass Klimaschutz für ihn keine Priorität hat. | © epd

Trumps Sieg bedeutet einen herben Rückschlag für den Klimaschutz. Schon in seiner ersten Amtszeit hat Trump gezeigt, dass Klimaschutz für ihn keine Priorität hat. Seine Fokussierung auf fossile Energieträger wird internationalen Bemühungen zum Klimaschutz erheblich schwächen und Europa vor gewaltige Aufgaben stellen.

Die deutsche Klimapolitik muss sich unter diesen Umständen radikal neu ausrichten und verstärkt auf innereuropäische Lösungen setzen. Die Amerikanistin und Klimaschutzexpertin Eleonora Rohland fürchtet gar, dass der Handlungsspielraum für globale Umweltmaßnahmen erheblich eingeschränkt wird.

Ukraine

Trumps Ankündigung, den Ukraine-Konflikt so schnell wie möglich zu lösen, stellt Europa vor neue diplomatische und sicherheitspolitische Herausforderungen. Vieles spricht dafür, dass sich Trump für einen Rückzug der USA oder zumindest für eine deutliche Reduzierung der Unterstützung aussprechen wird.

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Trump könnte versuchen, Russland zu Verhandlungen zu bewegen, was nicht unbedingt im Interesse Deutschlands oder seiner europäischen Verbündeten sein muss. Vor allem dann nicht, wenn Trump versuchen würde, das Kräfteverhältnis im Konflikt deutlich zugunsten Putins zu verschieben.