OWL Crime – mit Podcast

Polizeigewalt in Herford: Wie eine Verkehrskontrolle eskalierte

Nach einer Verkehrskontrolle wurde der Herforder Hasan K. wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung angeklagt. Das Video des Einsatzes zeigt jedoch, was wirklich geschah.

Das Video der Tat überführte den gewalttätigen Polizisten. | © Aufnahme Polizei

Jan Husmann
17.10.2024 | 17.10.2024, 05:55

Herford/Bielefeld. Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung lauten die Anklagepunkte gegen Hasan K. (Name geändert). Standbilder einer Videoaufnahme des Einsatzes im Juni 2014 scheinen diese eindeutig zu belegen. Doch der Verteidiger von Hasan K., Detlev Binder, hatte das komische Gefühl, dass die Standbilder nicht das gesamte Geschehen widerspiegeln.

Das Video wird von der Polizei Herford lange nicht herausgegeben. Erst kurz vor Prozessbeginn sieht Binder die Aufnahme und ist schockiert von dem, was er sieht. Mehrere Schläge des Polizisten auf Hasan K. sowie eine Attacke mit Pfefferspray. Statt des Angeklagten steht nun der Polizeibeamte Sebastian P. (Name geändert) im Mittelpunkt des Verfahrens.

In der neuesten Folge von „OstwestFälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, sprechen Birgitt Gottwald und Strafrechtsanwalt Detlev Binder über einen Fall, der weit über die Grenzen von OWL hinaus Wellen geschlagen hat.

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Polizeigewalt in Herford – der Fall im Überblick:

  • Bei einer Polizeikontrolle im Juni 2014 wird Hasan K. von dem Polizeibeamten Sebastian P. angegriffen.
  • Zunächst wird Hasan K. auf der Grundlage von Standbildern einer Videoaufzeichnung angeklagt.
  • Strafverteidiger Detlev Binder fordert bei der Polizei das gesamte Video an. Dieses wird erst am Abend vor Prozessbeginn übersendet.
  • In dem Video ist erkennbar, wie Hasan K. mehrfach von dem Polizeibeamten geschlagen wird.
  • Nachdem das Video im Gericht abgespielt wird, wird Hasan K. freigesprochen und Sebastian P. rückt in den Fokus der Ermittler.

Polizei Herford gibt Video erst spät raus

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld erhob Anklage gegen Hasan K. aufgrund von Standbildern, die aus einer Videoaufnahme des Vorfalls stammten. Binder fiel auf, dass die Zeitstempel auf den Standbildern zum Teil mehrere Minuten auseinanderlagen. Um zu prüfen, was in der Zwischenzeit passierte, forderte Binder das gesamte Video von der Herforder Polizei an.

Es dauerte bis zum Abend vor Beginn des Prozesses, bis das Video vorlag. Da dies zunächst verschlüsselt war, konnte Binder das Video erst am Morgen des ersten Prozesstages ansehen. Was er sah, schockierte ihn so sehr, dass er seinen eigenen Augen nicht traute. „Das, was ich gesehen habe, hat mich vollkommen perplex gemacht“, sagt Binder. „Ich hab es einer Mitarbeiterin gezeigt und die hat gesagt: ’Da wird einer von einem Polizeibeamten verprügelt. Ist doch eindeutig.’“

In dem Video ist zu sehen, wie der Polizist Sebastian P. zunächst versucht Hasan K. zu Boden zu bringen. K. wehrt sich, worauf P. ihm zwei Schläge verpasst. K. gestikuliert offensichtlich erregt, greift aber nicht an. Danach setzt P. Pfefferspray gegen K. ein, eilt diesem noch nach und setzt erneut das Pfefferspray ein.

Mildes Urteil gegen Polizisten

Binder und Hasan K. spielen das gesamte Video im Gericht ab. Die Anklage gegen K. wird fallengelassen. Die Staatsanwaltschaft ging zunächst in Revision, aber auch diese wird später zurückgezogen. Statt gegen Hasan K. wird nun gegen Sebastian P. ermittelt.

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Gegen den Polizeibeamten wird Anklage wegen Verfolgung Unschuldiger, Körperverletzung im Amt und versuchten Betrugs erhoben. Zunächst verteidigt sich Sebastian P. offensiv – ohne Erfolg. P. wird zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt. Polizisten, die zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt werden, müssen aus dem Dienst entfernt werden. Der Beamte geht jedoch in Berufung.

Im zweiten Verfahren, gut ein Jahr nach der ersten Verurteilung, legt P. ein Geständnis ab. Dieses wird aus Binders Sicht sehr stark von den Richtern honoriert. Das rechtskräftige Urteil, das im Mai 2018 ausgesprochen wird, lautete elf Monate auf Bewährung und 4.200 Euro Schmerzensgeld. Über ein polizeiinternes Disziplinarverfahren gibt es keine weiteren Informationen. Ermittlungen gegen weitere Polizisten, die mit dem Fall zu tun hatten, sowie die Staatsanwaltschaft Bielefeld, führten zu keinen Verurteilungen.

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