Riesiger Bedarf an Apothekern: Pläne für eigenen Pharmazie-Studiengang in OWL

Düsseldorf/Bielefeld. Die Zahlen sind besorgniserregend: Während es im Regierungsbezirk Detmold 2009 noch 541 Apotheken gab, so waren es zu Jahresbeginn nur noch 419 – ein Rückgang um 122 Einrichtungen oder 22,6 Prozent. Bis Sommer haben weitere neun Apotheken in OWL geschlossen. Akteure in der Region wollen diesen Trend stoppen. Nicht nur die sinkende Anzahl der Apotheken bereitet ihnen Sorgen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe im Durchschnitt 54 Jahre alt sind. &bdquo;Die Apothekenlandschaft steht somit innerhalb der nächsten zehn Jahre vor einem großen Umbruch“, heißt es vom Apothekerverband Westfalen-Lippe. Da gleichzeitig die Anzahl älterer Menschen in der Bevölkerung zunimmt, wird auch der Bedarf an Medikamenten steigen und somit die Nachfrage nach Pharmazeuten – es bräuchte also unterm Strich eigentlich mehr Apotheken. Lesen Sie auch: Medikamentenmangel und Apothekersterben in Bielefeld An dieser Stelle kommen Studentinnen und Studenten in Spiel. Bislang gibt es in Westfalen-Lippe nur einen Hochschulstandort für angehende Apotheker: in Münster. Die Anzahl der Studienplätze müsse &bdquo;deutlich“ erhöht werden, fordert der Apothekerverband. Deshalb gibt es Pläne, künftig einen Studiengang in Bielefeld ins Leben zu rufen. &bdquo;Die Universität Bielefeld und die TH OWL stehen bereit, einen solchen Studiengang Pharmazie in Kooperation aufzubauen“, heißt es vom Apothekerverband Westfalen-Lippe. Gemeinsam mit der Apothekerkammer Westfalen-Lippe sei man bereit, dem neuen Studiengang eine Anschubfinanzierung zu geben und zwei Stiftungsprofessuren für den Zeitraum von fünf Jahren zu fördern, teilt Sprecherin Nina Grunsky auf Anfrage mit. Stadt Bielefeld unterstützt die Ziele &bdquo;ausdrücklich“ Hochschule und Apothekerschaft seien bereit, &bdquo;ihren Beitrag zu leisten“, um einen neuen Studiengang aufzubauen, Nachwuchskräfte auszubilden und damit die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung der Menschen zu sichern. Das bestätigt die Uni Bielefeld. Gemeinsam mit der TH OWL prüfe man den Aufbau eines Studiengangs Pharmazie, teilt Ingo Lohuis, Sprecher der Uni Bielefeld, mit. &bdquo;Erste inhaltliche Überlegungen für einen Modellstudiengang liegen bereits vor. Ein solcher Studiengang kann nach Einschätzung der Universität Bielefeld und der TH OWL einen wichtigen Beitrag für die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung in OWL leisten.“ Aktuell würden notwendige Ressourcen und inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten für einen solchen kooperativen Pharmazie-Studiengang eruiert. Studiert würde in Bielefeld und in Lemgo, sagt Lohuis. Lesen Sie auch: Jede zehnte Kommune in NRW hat nur noch eine Apotheke &bdquo;Wir unterstützen dieses Ziel ausdrücklich“, sagt Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) im Gespräch mit dieser Redaktion. &bdquo;Ein Studiengang Pharmazie wäre ein wichtiger Baustein, um die Medizinische Fakultät weiterzuentwickeln.“ NRW soll dauerhafte Finanzierung sicherstellen Doch wie so oft richtet sich jetzt der Blick nach Düsseldorf. Für den laborlastigen Studiengang seien zusätzliche Finanzmittel für Personal und Infrastruktur notwendig, die &bdquo;dauerhaft“ vom Land zur Verfügung gestellt werden müssten, heißt es von der Uni Bielefeld. &bdquo;Ob die Landesregierung dies tut, ist offen.“ Stiftungsprofessuren, wie sie im Kreis der regionalen Apotheker diskutiert würden, könnten ein &bdquo;Baustein“ sein, heißt es von der Uni Bielefeld. Das zuständige NRW-Wissenschaftsministerium unter Leitung von Ina Brandes (CDU) teilt auf Anfrage mit, dass der Landesregierung ein &bdquo;erstes Konzept“ für die &bdquo;Einrichtung eines Pharmazie-Studiengangs in Bielefeld“ vorliege. Das NRW-Gesundheitsministerium und das NRW-Wissenschaftsministerium befänden sich dazu im Austausch mit den beteiligten Hochschulen und der Apothekerschaft. &bdquo;Im Rahmen der nordrhein-westfälischen Hochschulautonomie kann eine Hochschule grundsätzlich jederzeit selbstständig neue Studiengänge aus Mitteln des ihr vom Land zur Verfügung gestellten Globalhaushaltes ohne Zustimmung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft einrichten“, teilt eine Sprecherin mit. Der CDU-Landtagsabgeordnete Tom Brüntrup aus Bielefeld sagt, die Beteiligten vor Ort seien sich &bdquo;einig“, dass der Studiengang in OWL kommen solle. Jetzt gehe es um das &bdquo;wann“. Brüntrup verweist auf die angespannte Haushaltslage des Landes, die eine Herausforderung darstelle und eine schnelle Realisierung erschwere. &bdquo;Fakt ist aber, dass bei dem Thema viel Bewegung drin ist.“ Nur drei pharmazeutische Fakultäten in NRW Einen &bdquo;Klebeeffekt“ erhofft sich Thorsten Klute. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag bezeichnet die Region OWL als &bdquo;weißen Fleck“ im Bereich der Apotheker-Ausbildung. &bdquo;Wenn es aber in der Region einen Studiengang geben sollte, dann ist es realistisch, dass die Studierenden anschließend auch in der Region arbeiten“, sagt der SPD-Politiker aus dem Kreis Gütersloh. Lesen Sie auch: Sorge um Pflegeinstitut an der Uni Bielefeld Auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe hofft jetzt auf einen &bdquo;positiven“ Beschluss der Landesregierung. Eine Gruppe von Apothekern in OWL hat bereits einen Förderverein &bdquo;Zukunft Pharmazie“ gegründet, um das Vorhaben auch durch Mitgliedsbeiträge sowie das Einwerben von Spendengeldern zu unterstützen. &bdquo;Realistisch ist die Umsetzung des Vorhabens in einem Land wie NRW ohne Zweifel“, meint Grunsky. Zum Hintergrund: Die vorhandene Zahl an universitären Ausbildungsplätzen in Westfalen-Lippe kann den bis zum Jahr 2040 entstehenden Bedarf an Apothekerinnen und Apothekern von 3.600 nicht decken: Es fehlen rund 2.200 Apothekerinnen und Apotheker bzw. es müssten rund 110 Apothekerinnen und Apotheker zusätzlich jährlich ausgebildet werden und entsprechende Studienplätze geschaffen werden. Mit Bonn, Düsseldorf und Münster gibt es in NRW drei Standorte mit pharmazeutischen Fakultäten. Münster ist der einzige Standort in Westfalen-Lippe, an dem durchschnittlich rund 114 Apothekerinnen und Apotheker pro Jahr ihren Abschluss machen.

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