NRW-SPD-Fraktionschef Ott: „Solingen ist die erste große Krise für Wüst“

Herr Ott, das Attentat von Solingen weist einen unmittelbaren Bezug zur Region OWL auf, da der mutmaßliche Täter in Paderborn untergebracht war. Welche politischen Konsequenzen muss der Fall haben? Jochen Ott: Der Tatverdächtige war ausreisepflichtig und hätte abgeschoben werden müssen. Die Verantwortung dafür liegt allein bei der Landesregierung. Die zuständige Ministerin Paul hat sich aber nicht gekümmert. Sie hat das Thema nicht nur völlig unterschätzt, sie hat sich offenbar dafür auch überhaupt nicht richtig interessiert. Was folgt daraus? Es kommt ja jetzt ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA). Darauf können wir aber nicht warten. Wir fordern deshalb einen Sonderermittler für den Fall Solingen – den gab es auch damals für den Fall Lügde sowie für Anis Amri. Er soll dazu beitragen, jetzt schnell zu ersten Erkenntnissen zu kommen und den genauen Auftrag des Untersuchungsausschusses zu beschreiben. Ein Gezerre darum, wie es CDU und Grüne in aktuellen PUAs betreiben, darf es in diesem Fall nicht geben. Ein großes Thema im Land ist aktuell auch der Zustand des Stahlbauers Thyssenkrupp, der allein in Duisburg rund 13.000 Menschen beschäftigt. Welche Folgen könnten die aktuellen Verwerfungen im Aufsichtsrat für die Menschen im Land haben? Die aktuelle Lage rund um Thyssenkrupp ist ein Desaster. Hier stehen Zigtausend Arbeitsplätze auf dem Spiel – von Menschen, die einen richtig guten Job machen, denen aber dieses miserable Management die Sozialpartnerschaft aufgekündigt hat. Das ist ein absoluter Skandal und darf für die verantwortlichen Personen wie Miguel Lopez als Konzernchef und Siegfried Russwurm als BDI-Präsident nicht folgenlos bleiben. Sollte der Staat im Zweifel beim Unternehmen einsteigen, um Schlimmeres zu verhindern? Über all dem steht die Frage, ob NRW auch künftig Stahlstandort bleiben soll oder nicht. Ich beantworte sie eindeutig mit Ja. Die Landesregierung hat es aber versäumt, sich rechtzeitig den nötigen Einfluss auf die Unternehmensführung zu sichern. Dabei stellt sie Thyssenkrupp Fördermittel in Höhe von 700 Millionen Euro zur Verfügung. Und verzichtet trotzdem auf jedes Mitspracherecht, zum Beispiel im Aufsichtsrat. So hätte sie Konzernchef Lopez auch entsprechenden Druck machen können. Zum Vergleich: In den Aufsichtsrat des Duisburger Hafens entsendet die Landesregierung sechs Vertreter – bei einer Beteiligungssumme von rund 31 Millionen Euro. Lesen Sie auch: Nach den Rücktritten: Wie geht’s weiter bei Thyssenkrupp? Halten wir fest: Die Lage im Bereich der Inneren Sicherheit und die Arbeitsplatzsituation ist in NRW aktuell angespannt. Sind das Themenfelder, mit denen die SPD wieder punkten will? Also eine Rückkehr zur alten Identität der Arbeiterpartei? Wir werden die alte Identität nicht wiederbeleben, weil sich die meisten Menschen nicht mehr selber als klassische Arbeiter betrachten. Aber richtig ist, dass wir eine Arbeitnehmerpartei sind. Die SPD wird nur erfolgreich sein, wenn sie wieder weiß, welche Zielgruppe sie ansprechen muss. Das heißt? Wir wollen uns vor allem um die Menschen kümmern, die in der Rush Hour des Lebens gerade mit Vollgas unterwegs sind – insbesondere die berufstätigen Familien, die durch ihren Arbeitsalltag permanent erschöpft sind. Diese Leute berichten uns, dass die Politik jeden Tag ihr Versprechen bricht, eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen. Das ist eins unserer Kernthemen für die nächsten Jahre. Natürlich verlieren wir dabei aber auch die Menschen, die diese Zeit noch vor sich oder bereits hinter sich haben, nicht aus dem Blick. Lesen Sie auch: SPD-Politiker Jochen Ott im Interview: &bdquo;Berufstätige Familien trifft es gerade besonders hart“ Sie sind seit über einem Jahr Oppositionsführer im Landtag. Als Kölner tragen Sie das Herz auf der Zunge. Sie treten also ganz anders auf als zum Beispiel der Bundeskanzler. Warum? Wer mich kennt, weiß, dass ich so nun mal bin und mich nicht verstelle. Ich finde die Emotionalisierung von Politik aber grundsätzlich auch richtig. Das bedeutet aber nicht, dass man nur Kritik übt und ständig auf die Triggerpunkte der Menschen drückt – so wie das die AfD fortlaufend tut, nur um die Menschen gegeneinander aufzubringen. Man kann ja auch emotionalisieren, indem man Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt. Diese Hoffnung versucht auch Ministerpräsident Wüst auszustrahlen, dem manche vorwerfen, wie ein Bundespräsident durch das Land zu schweben Damit wird er aber nicht mehr lange durchkommen. Die erwähnten Punkte liegen alle in seiner Zuständigkeit. Er könnte Hoffnung verbreiten, indem er sich kümmert. Indem er dafür sorgt, dass die Kitas genug Geld haben, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Indem er die Situation an den Schulen verbessert. Aber er tut es nicht. Hinzu kommt jetzt der Anschlag von Solingen. Was werfen Sie ihm da vor? Der Fall Solingen ist die erste besorgniserregende Krise für Hendrik Wüst. Jetzt kann er nicht mehr die Verantwortung nach Berlin abgeben, weil die Abschiebung allein in seinem Zuständigkeitsbereich liegt. Und das hat er – wie so vieles andere auch – sträflich vernachlässigt. Es zeigt sich jetzt, dass er die Organisation des Kabinetts nicht im Griff hat. Seine Landesregierung ist dysfunktional und die Grünen sind so gut wie nicht regierungsfähig. Die Abstimmung der einzelnen Ministerien untereinander funktioniert nicht. Das zeigt sich beim Fall Solingen jetzt besonders deutlich – Herbert Reul und Josefine Paul scheinen offenbar gar nicht richtig miteinander zu reden. Und Hendrik Wüst führt nicht. Das wird in den nächsten Monaten noch deutlich werden. .responsive23-uKRJCBz8Gw9fLiUK-map-test-map { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-uKRJCBz8Gw9fLiUK-map-test-map { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-uKRJCBz8Gw9fLiUK-map-test-map { padding-top: 142.86%; } }

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