
Düsseldorf. Für NRW birgt diese Nachricht besondere Brisanz: Deutschlands Industriegigant Thyssenkrupp kündigt neue umfangreiche Umstrukturierungen an, die auch den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge haben könnten. Für das Land ist das aus verschiedenen Gründen heikel.
Thyssenkrupp mit Sitz in Essen und Duisburg beschäftigt weltweit rund 96.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen besitzt derzeit fünf Sparten: Stahl (26.000 Jobs), Umweltschutztechnologien (12.500), Autozulieferung (30.500), Werkstoffhandel (15.500) sowie Marine (8.200). Diese Geschäftsbereiche will die Unternehmensführung in den nächsten Jahren auf dem Weg zu einer Holdinggesellschaft schrittweise verselbstständigen und für die Beteiligung Dritter öffnen, dabei aber Mehrheitsbeteiligungen halten. Damit verbindet die Führung die Hoffnung, das „Wertschöpfungspotenzial der Geschäfte“ zu heben, heißt es vom Unternehmen.
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Kritiker befürchten hingegen einen massiven Arbeitsplatzverlust. Zum Beispiel im Bereich der Zentrale, wo 650 Menschen arbeiten. Diese Anzahl wäre künftig wohl nicht mehr nötig und könnte auf 100 reduziert werden, berichtete zuerst die „Bild“-Zeitung. Schon vor Monaten wurde bekannt gegeben, dass sich Thyssen von seiner Stahlsparte trennen und 11.000 Stellen abgeben möchte. 5.000 wären bis Ende 2030 direkt betroffen.
Unternehmen und Gewerkschaft wollen bis Sommer verhandeln
Auch in der kriselnden Autozuliefersparte droht ein Abbau von 1.800 Jobs. Zwischenzeitlich stand zudem das Werk in Kreuztal im Siegerland mit 600 Beschäftigten vor dem Aus. Vor wenigen Wochen teilte das Unternehmen aber mit, die Schließung vorerst nicht umsetzen zu wollen. Aktuell verhandeln Unternehmen und Gewerkschaft und wollen bis zum Sommer einen Tarifvertrag aushandeln. Betriebsbedingte Kündigungen sollen verhindert werden, heißt es.
Besonders in der Kritik steht Unternehmenschef Miguel Ángel López Borrego, der vor zwei Jahren zu Thyssen wechselte. Im Herbst will er dem Aufsichtsrat konkrete Pläne vorstellen, dann werde auch über eine mögliche Vertragsverlängerung gesprochen, heißt es. Die Krupp-Stiftung ist aktuell die größte Anteilseignerin mit 21 Prozent.
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Lopez ist seit Monaten auch Thema im Düsseldorfer Landtag. SPD-Fraktionschef Jochen Ott bezeichnet ihn gar als „schlechtesten Manager, den es in Deutschland gibt“. Yazgülü Zeybek, Landesvorsitzende der NRW-Grünen, attestiert Lopez, „offenbar unfähig“ zu sein, das Unternehmen zu führen. Die IG-Metall kündigte an, eine einseitige Orientierung auf Aktionärsinteressen zulasten der Belegschaften abzulehnen und sich einer Zerschlagung „entschieden“ entgegenzustellen.
SPD kritisiert Ministerpräsident Hendrik Wüst
SPD-Fraktionschef Ott wirft NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vor, sich bei der Thyssen-Entwicklung „als vollkommen hilflos“ erwiesen zu haben. Die SPD fordert, dass das Land NRW bei Thyssen einsteigt, um einen Kahlschlag zu verhindern.
Tatsächlich birgt das Thema für die schwarz-grüne Landesregierung eine besondere Brisanz: NRW hatte dem Unternehmen 700 Millionen Euro für den Bau einer neuen Anlage zugesagt, die mit Wasserstoff betrieben werden soll - die größte Einzelförderung in der Landesgeschichte. Hinzu kommen 1,3 Milliarden Euro vom Bund.
Wüst wurde erst vor wenigen Wochen während einer mehrtägigen Delegationsreise an den Persischen Golf von Lopez begleitet. Rund 20 hochrangige Wirtschaftsvertreter wollten unter anderem in Katar Weichen für neue Handelsbeziehungen stellen. Um die Zukunft von Thyssen ging es an diesen Tagen wenn dann nur in vertraulichen Hintergrundgesprächen.
Zu den jetzt bekannt gewordenen Umstrukturierungsplänen bei Thyssen äußerte sich die NRW-Landesregierung zurückhaltend. Thyssenkrupp müsse als Gesamtkonzern zukunfts- und wettbewerbsfähig aufgestellt sein, erklärte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Hierzu steht die Landesregierung in engem Austausch sowohl mit der Unternehmensseite als auch mit der Arbeitnehmerseite sowie weiteren Beteiligten.“ Restrukturierungsmaßnahmen und Entwicklungsstrategien blieben immer Entscheidungen, die von den Unternehmen selbst getroffen und verantwortet würden.