
Löhne/Berlin. Der Fall des so genanten Kannibalen von Neukölln erregte deutschlandweit Aufsehen. Jürgen L. (Name geändert), der lange Zeit in Löhne lebte, wurde verurteilt, weil er seinen Liebhaber ermordet, zerstückelt und die Körperteile für den späteren Verzehr im Kühlschrank aufbewahrt hatte. Der Bielefelder Strafverteidiger Detlev Binder vertrat Jürgen L. vor Gericht und lernte den „Kannibalen von Neukölln“ dabei hautnah kennen.
In der neusten Folge von „Ostwestfälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, sprechen Bettina Kirchner und Strafverteidiger Detlev Binder über den Fall des „Kannibalen von Neukölln“ und darüber, was mit verurteilten Tätern geschieht, die solch eine Tat begangen haben.
Der „Kannibale von Neukölln“ – der Fall im Überblick
- Jürgen L., der „Kannibale von Neukölln“, wurde für die Ermordung seines Liebhabers verurteilt.
- Sein späteres Opfer lernte Jürgen L. im Internet kennen, auf einer Seite, auf der Homosexuelle nach Partnern und Sexualkontakten suchen.
- Beim dritten Treffen fesselte Jürgen L. sein Opfer und verband ihm die Augen. Beim Sex erstach und zerstückelte er sein Opfer und verwahrte die Körperteile anschließend im Kühlschrank auf.
- Jürgen L. hatte seit Jahren Kannibalismus-Fantasien, konnte sich nach der Tat aber nicht zum Verzehr des Menschenfleisches durchringen und stellte sich der Polizei.
- L. wurde zu 13 Jahren Haft und Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt verurteilt, wo er sich noch immer befindet.
Jürgen L. lernt sein späteres Opfer im Internet kennen, auf einer Seite für Homosexuelle, die auf der Suche nach einem Partner oder Sexualkontakten sind. L. und sein Opfer treffen sich mehrmals, haben Sex miteinander, das Opfer baut Vertrauen zu L. auf.
Am Abend des Mordes fesselt Jürgen L. sein Opfer ans Bett und verbindet ihm die Augen. Vor Gericht sagt er aus, dass es zu sadomasochistischen Sexspielen und Oralverkehr gekommen sei.
Der Angriff kommt für das Opfer völlig überraschend. Mit einem Schraubenzieher sticht Jürgen L. mehrfach auf Oberkörper und Kopf ein. Anschließend zerstückelt er die Leiche, verpackt die abgetrennten Körperteile in Beutel und legt sie in den Kühlschrank, um sie später zu essen.
Jürgen L. steigerte sich in seine Kannibalismus-Fantasien hinein
Seit Jahren fantasiert Jürgen L. über das Zerstückeln und Verzehren von Menschen. In Internetforen – sogenannten Schlachterforen – tauscht er sich mit anderen über seine Fantasien aus. Im Fokus der Fantasien steht immer wieder das Braten und Verzehren männlicher Genitalien.
Am Tag nach der Tat will L. genau das tun – doch er kann nicht. Er ekelt sich vor dem Verzehr des abgetrennten Penis seines Liebhabers. Noch am selben Tag stellt er sich der Polizei.
„Er hat sich mit seiner Fantasie nur bis zu dem Moment des Aktes, des Tötens, des Zerstückelns beschäftigt. Ihm ist nie der Gedanke gekommen, was danach kommt“, sagt Detlev Binder in der neuen Folge von „Ostwestfälle“.
So hat Strafverteidiger Binder den „Kannibalen von Neukölln“ erlebt
Binder führte vor dem Gerichtsverfahren viele Gespräche mit Jürgen L. und lernte ihn dabei näher kennen. Er schildert ihn als schüchtern und unterwürfig. „Das passt gar nicht in das Bild des bösen, teufelhaften Kannibalen“, sagt Binder.
Wenn nicht böse und teufelhaft, so ist Jürgen L. doch definitiv eins: schwer psychisch krank. Das bestätigte im Prozess ein Gutachter. Der Befund lautet schwer gestörte Persönlichkeit mit einer sich steigernden kannibalistischen Perversion.
Aufgrund seiner schweren Persönlichkeitsstörung kam ein Gefängnisaufenthalt nicht Frage. Jürgen L. wurde wegen Mordes aus Heimtücke und zur Befriedigung des Geschlechtstriebs zu 13 Jahren Freiheitsentzug und Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung verurteilt. Bis heute ist Jürgen L. in einer Psychiatrie untergebracht.