OWL Crime - mit Podcast

Geiselnahme wegen Drogengeschäften: Asylbewerber aus Spenge in Todesangst

In der neuesten Folge von „Ostwestfälle“ geht es um die Geiselnahme eines Marokkaners. 40 Stunden lang wird er in einer Kellergrube festgehalten. Er schuldet ihnen offenbar Geld. Erst als er auf die Forderungen seiner Peiniger eingeht, kommt er frei.

Einer der Angeklagten versteckt sein Gesicht hinter einem roten Aktendeckel. Er wird von den Strafverteidigern Detlev Binder (l.) und Susanne Renner vertreten. Hinter ihnen sitzt der zweite Angeklagte, der ebenfalls unerkannt bleiben will. | © Sarah Jonek

Pauline Maus
04.07.2024 | 31.07.2024, 16:00

Mitten in der Nacht, im Oktober 2022, brechen zwei Männer in eine Flüchtlingsunterkunft in Spenge ein. Sie überfallen und entführen einen 27-jährigen Marokkaner. Auf einem Bauernhof in Versmold wird das Opfer mit Seilen und Drähten gefesselt und in eine Grube geworfen. 40 Stunden harrt er aus, bis er überraschenderweise frei kommt und der Polizei alles erzählt.

In der aktuellen Folge von „Ostwestfälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, sprechen Birgitt Gottwald und „NW“-Reporter Jürgen Mahncke über die brutale Geiselnahme, die Foltermethoden und die Todesangst, die das Opfer erlitten haben muss.

Geiselnahme wegen Drogengeschäften – der Fall im Überblick

  • Der 27-jährige Marokkaner wird aus der Flüchtlingsunterkunft in Spenge von zwei Männern gekidnappt und bedroht.
  • Er wird zu einem ehemaligen Bauernhof gebracht, gefesselt, geknebelt und mit einem Sack über dem Kopf in einer Grube festgehalten.
  • Offenbar schuldet das Opfer den Männern Geld – es geht wohl um Drogengeschäfte.
  • Ein weiterer Mann, er stellt sich als Mafioso aus Dortmund vor, kommt hinzu und bietet dem Marokkaner einen Deal an. Er soll die Schulden abarbeiten.
  • Der Marokkaner kommt frei, unter Todesangst gesteht er die Geiselnahme der Polizei.

Erst als der Fall beim Bielefelder Landgericht landet, wird die Geschichte publik. Was alles vorgefallen ist:

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Entführung aus der Asylunterkunft in Spenge

Am 1. Oktober, früh am Samstag gegen 3 Uhr, verschafften sich ein Bielefelder (35) und ein Mann aus Versmold (38) auf unbekannte Weise Zutritt zum Flüchtlingsheim. Scheinbar war die Eingangstür der Asylunterkunft in Spenge nicht verschlossen. Dort wohnte das 27-jährige Opfer, das aus Marokko geflüchtet war.

In dieser Flüchtlingsunterkunft in Spenge soll das Opfer gewohnt haben. - © Mareike Patock
In dieser Flüchtlingsunterkunft in Spenge soll das Opfer gewohnt haben. | © Mareike Patock

Die Männer brachen das Zimmer des Opfers auf und weckten den Mann mit Schlägen und Tritten. Der wehrte sich zunächst gegen die Männer, zog eine Machete unter dem Kopfkissen hervor, warf mit seinem Bettgestell nach ihnen. Letztlich hatte er aber keine Chance gegen die körperliche Überlegenheit der Angreifer.

Er wurde bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und musste den Tätern sein Mobiltelefon und 17.000 Euro Bargeld aushändigen. Vermutlich waren dies, so der Staatsanwalt, Erlöse aus einem Drogenhandel.

In einem blauen VW Caddy ging die Fahrt zunächst nach Bielefeld. Wo einer der Täter ausstieg. Dann ging die Fahrt nach Versmold weiter; sie endete auf einem kleinen Gehöft am Wischkamp, wo der 38-jährige Täter wohnte.

Opfer wird wie ein Paket zusammengeschnürt

Das Opfer wurde weiter gefesselt, wie ein Paket zusammengeschnürt und auf einer Sackkarre zunächst mehrere Runden durch den Garten geschoben, dann in einen fensterlosen Kellerschacht – wohl früher eine Güllegrube – geworfen. Lediglich mit etwas Trinkwasser musste das Opfer auskommen.

Birgitt Gottwald und NW-Reporter Jürgen Mahncke nehmen zusammen die neue Folge der "OstwestFälle" auf. - © Pauline Maus
Birgitt Gottwald und NW-Reporter Jürgen Mahncke nehmen zusammen die neue Folge der "OstwestFälle" auf. | © Pauline Maus

Immer wieder gab es Drohungen, ihn umzubringen, ihm die Hände abzuschneiden oder in eine Kiste zu stecken und nach Marokko zu transportieren. Die Fesselungen des Mannes wurden immer gravierender, mit diversen Gurten wurden Arme und Beine an den Körper festgezurrt. Ein Draht an seinen Beinen endete an einem metallenen Gestell über ihm. Sollte er sich bewegen, würde das Gestell auf ihn fallen, lautete die erneute Drohung. Immer wieder gab es Schläge, auch auf den Kopf.

Dann kommt ein dritter Mann ins Spiel. Er sei aus Dortmund extra angereist und für die Mafia tätig. An ihn soll das Opfer Schulden in Höhe von 10.000 Euro zurückzahlen, monatlich in Raten von 1.000 Euro. Er sei jetzt die „Hure“ des Trios. Würde er nicht zahlen, käme er nicht ungeschoren davon.

Freilassung 40 Stunden nach Geiselnahme

Etwa um 20 Uhr am Sonntagabend, knapp 40 Stunden nach der Geiselnahme, treten die Männer mit ihrem Opfer die Rückfahrt nach Spenge an. Der Marokkaner wurde auch während der Fahrt weiter bedroht und verletzt. Der Druck sollte wohl dafür sorgen, dass er schweigt.

Obwohl ihm mit dem Tode gedroht wurde, falls er die Polizei rufe, schleppte sich der Schwerverletzte dann zu einer Pizzeria. Von dort aus wurde die Polizei gerufen.

Männer aus Bielefeld wegen Menschenraubes angeklagt

Die Staatsanwaltschaft hat die drei Männer im Alter aus Bielefeld, Versmold und Dortmund wegen erpresserischen Menschenraubes und schweren Misshandlungen angeklagt. Sie müssen sich im März 2023 vor dem Bielefelder Landgericht verantworten.

Sie werden wegen Geiselnahme mit schwerer Körperverletzung, Beihilfe und Anstiftung zur Geiselnahme zu mehrjährigen Strafen verurteilt. Der Haupttäter aus Versmold muss für sieben Jahre ins Gefängnis, sein Mithelfer aus Bielefeld, wurde zu vier Jahren Freiheitsstrafe mit Einweisung in eine Entziehungsanstalt verurteilt. Gemeinsam müssen sie 30.000 Euro als Schmerzensgeld an das Opfer zahlen.

Vor Gericht stellt sich heraus: Fünf Tag wurde der Marokkaner im Krankenhaus behandelt, anschließend wurde er vom Opferschutzbund „Weißer Ring“ betreut und befindet sich heute noch in psychiatrischer Behandlung.

Glimpflicher kam der Dortmunder davon. Seine Freiheitsstrafe von zwei Jahren wurde zur Bewährung ausgesetzt. Zudem muss er 2.400 Euro an die Staatskasse zahlen.