Kommentar

Überlastung der Kommunen erschüttert Vertrauen in den Staat

NRW hat Geldsorgen. Das spüren auch die Menschen. Es zeichnet sich immer mehr ab, dass es nicht ausreichen wird, den Rotstift anzusetzen, meint unser Autor.

Unter anderem in Herford kämpfen Eltern mit verkürzten Öffnungszeiten in Kitas. | © Pixabay (Symbolbild)

Ingo Kalischek
29.06.2024 | 29.06.2024, 05:00

Die Stimmung im Land ist schlecht. Die Menschen sind erschöpft und gereizt. Vieles wird teurer, der Alltag komplizierter, Unsicherheiten größer. Es schwingt das Gefühl mit, dass einiges im Staat gerade nicht gut funktioniert. Warum?

Einen Erklärungsansatz lieferte jetzt Lars Bökenkröger, der Bürgermeister von Bad Oeynhausen: „Momentan wird alles den Kommunen aufgehalst – und die sind am Ende“. Solche Alarmsignale sind alt. Aber die Folgen werden nun für immer mehr Menschen auch in unserer Region spürbar. Kitas kürzen Öffnungszeiten und stellen weniger Personal ein, obwohl es doch mehr bräuchte. Die Suche nach einem Schul- und Kitaplatz wird zur Glücksfrage, auch in OWL. Angehörige pflegen ihre Eltern zu Hause, weil Plätze in Pflegeheimen fehlen.

Krankenhäuser drohen, vom Markt zu verschwinden, weil sie rote Zahlen schreiben. Bezahlbare Wohnungen fehlen, weil der Neubau stagniert. Die Polizei soll sparen, obwohl Meldungen über Prügeleien mit Todesfolgen OWL erschüttern. Und dann müssen sich Bürger auch noch auf Einschnitte in ihrer Freizeit einstellen, weil Kulturleistungen gestrichen und Sporthallen geschlossen werden könnten, um Menschen mit Fluchterfahrung dort spartanisch unterzubringen.

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NRW schiebt Lösung für Altschulden der Kommunen an

Das alles hat vielschichtige Gründe. Die Schuld liegt weder allein beim Bund noch beim Land. NRW beklagt zu Recht, dass es Milliarden aufwenden muss, um Projekte des Bundes zu stemmen – zum Beispiel in der Migration. Der Bund verweist auf Folgen durch externe Einflüsse wie Corona, das Hochwasser und den Ukraine-Krieg. Korrekt ist, dass NRW die Investitionen in die Kommunen seit 2017 auf rund 10 Milliarden Euro mehr als verdoppelt hat. Trotz schwieriger Zeiten schiebt die Landesregierung nun eine Lösung bei den Altschulden der Kommunen an.

Doch das reicht nicht. Der Investitionsstau wird in NRW auf 40 Milliarden Euro geschätzt. Zuletzt konnten nur noch 24 von knapp 400 Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Viele Städte drehen schon jetzt jeden Euro dreimal um. Wie ernst es wirklich ist, verschweigen mitunter Bilanz-Tricks, die die Kommunen vornehmen dürfen. Schließlich stehen bald Kommunalwahlen an. Die Agenda vom NRW-Finanzminister ist richtig, bei Geldknappheit erst zu priorisieren, weil Schulden unsere Nachkommen belasten.

Dennoch zeichnet sich in NRW mit rauschender Geschwindigkeit ab, dass dieses Vorgehen an Grenzen kommt. Selbst die CDU-geführte Regierung wird nun Schulden aufnehmen. Auch der Bund muss viel mehr Mittel locker machen – im Zweifel durch Schulden. Die Kommunen brauchen mehr Geld, aber auch mehr Fachkräfte und weniger Vorgaben, um ihre Aufgaben stemmen zu können. Das ist jetzt wichtig für das Vertrauen in den Staat und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.