OWL Crime – mit Podcast

371 Tage in Gefangenschaft von Islamisten: Wie Pater Lohre diese Zeit übersteht

In der neuesten Folge von „OstwestFälle“ geht es erneut um die Entführung von Pater Lohre in Mali. Im zweiten Teil des Podcasts spricht der Hövelhofer darüber, wie er die Zeit gefangen in der Wüste erlebt und schließlich freikommt.

Pater Lohre aus Hövelhof lebte mehr als 30 Jahre in Afrika. 2022 wurde er in Mali von Islamisten entführt. Im NW-Podcast erzählt er seine bewegende Geschichte. | © Jan-Philipp Adams

27.06.2024 | 27.06.2024, 06:05

Auf dem Weg zu einem Gottesdienst in Malis Hauptstadt Bamako wird Pater Hans-Joachim Lohre am 20. November 2022 von Dschihadisten entführt. Mehr als ein Jahr verbringt der katholische Priester aus Hövelhof in Geiselhaft, wird an unterschiedlichen Orten in dem afrikanischen Land festgehalten und soll vom islamischen Glauben überzeugt werden. Bis er etwa ein Jahr später, urplötzlich freikommt.

In der neuesten Folge von OstwestFälle, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, sprechen Birgit Gottwald und ihr Gast, Pater Hans-Joachim „Hajo“ Lohre, über seine Geiselhaft in Mali und wie er schließlich frei kommt. Der 66-Jährige ist als Ordens-Geistlicher Mitglied der Gemeinschaft der Afrikamissionare „Weiße Väter“. Nach Mali kam er erstmals 1981, mehr als 30 Jahre wirkte er dann dort und setzte sich für den christlich-islamischen Dialog ein.

Die Entführung von Pater Lohre – alle Fakten im Überblick

  • Am 20. November 2022 wird Pater Hans-Joachim Lohre, der in Mali als Missionar tätig ist, entführt.
  • Er wird in die Wüste gebracht, schläft teils unter freiem Himmel.
  • Etwas mehr als ein Jahr lebt er in Geiselhaft von Dschihadisten. Sie wollen ihn vom islamischen Glauben überzeugen.
  • Im November 2023 wird er freigelassen und kehrt nach Deutschland zurück.
  • Nach Afrika zurückkehren, kann er aus Sicherheitsgründen nicht mehr.

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Sechs jugendliche Bewacher verschleppen den Geistlichen im November 2022 zunächst ins Buschland der Sahelzone. Sie gehören laut dem Priester zu einer Al-Qaida-Gruppe in dem afrikanischen Land und wollten durch ihn Rache an Deutschland nehmen. Zu der Zeit war auch die Bundeswehr noch in Mali stationiert.

Zunächst fehlt jede Spur von dem Geistlichen. Zuvor hatte der Pater bereits mehrfach über die gefährliche Situation in Mali berichtet. Lohre sagte: „Als Weißer, als Europäer, als Geistlicher bist Du eine große Zielscheibe – das ist klar. Man weiß nie, wen es wann treffen wird.“

Geiselnehmer wollen Priester vom islamischen Glauben überzeugen

In seiner Geiselhaft sind allerdings nicht Folter oder Gewalt an der Tagesordnung, sondern Gespräche. Die jungen Islamisten versuchen, den Missionar der „Weißen Väter“ in der Wüste vom Koran zu überzeugen. „Sie forderten mich mit Fragen heraus“, erinnert sich Lohre, wollen etwa wissen: „Warum betest du nicht auf unsere Art?“

Pater Lohre, hier bei einem Gottesdienst, betrachtet Mali längst als sein Zuhause. - © Raphael Athens
Pater Lohre, hier bei einem Gottesdienst, betrachtet Mali längst als sein Zuhause. | © Raphael Athens

Lohre findet einen Zugang zu seinen Entführern. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem christlich-islamischen Dialog in Mali: „Ich wusste, wie sie argumentieren und handeln.“ Das Problem: „Mit rationalen Argumenten kannst du nichts ausrichten gegen Menschen, die nur in der Koranschule und nie in einer Schule waren.“

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Die jungen Männer hätten den ganzen Tag den Predigten über den Dschihad gelauscht. Weiter erklärt der Pater: „Sie wollten das Beste für mich, dass auch ich in den Himmel komme, indem ich Muslim werde.“

Freilassung aus islamistischer Geiselhaft kommt plötzlich

371 Tage verbringt der Hövelhofer in dieser Geiselhaft. Dann wird er von den Entführern freigelassen. Im November 2023 kündigen ihm die Entführer mit den Worten „partir Allemagne“, also „nach Deutschland fahren“ seine Rückkehr in die Heimat an. Nach einer 17-tägigen Reise trifft Lohre erschöpft im Kreis Paderborn ein. Die Freilassung empfindet er als das „reinste Wunder“. Ein böses Wort über die Entführer verliert er auch heute nicht.

Im Januar dieses Jahres wird der befreite Priester sogar vom Vatikan nach Rom eingeladen. Bei der wöchentlichen Generalaudienz in der Audienzhalle am Petersplatz sitzt Lohre in der ersten Reihe. Im Anschluss kommt Papst Franziskus persönlich auf den Hövelhofer zu.

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Pater Lohre im Podcaststudio

In seiner Gefangenschaft habe er täglich vier bis fünf Stunden gebetet und in seinem Glauben tiefen Trost gefunden. Der Ordensmann nimmt die Entführung als „Wille Gottes“ an. Er habe ohnehin eine Auszeit nehmen wollen, damals dachte er sich: „Dann mache ich das eben etwas früher als geplant.“

Dass er irgendwann freigelassen wird, daran habe er nie gezweifelt. „Ich habe mir keinen Kopf gemacht, wann es passiert.“ Er sei davon ausgegangen, dass er mindestens drei Jahre gefangen bleibe. So sei es bei anderen Entführungen gewesen, von denen er während seiner Zeit in Mali mitbekommen habe. „Dass es nur ein Jahr wurde, war ein Wunder.“

Seit seiner Befreiung lebt Lohre wieder in seiner Heimat Hövelhof. Im Hintergrund ist die Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk zu sehen. - © Jens Reddeker
Seit seiner Befreiung lebt Lohre wieder in seiner Heimat Hövelhof. Im Hintergrund ist die Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk zu sehen. | © Jens Reddeker

Wie es zur Freilassung kommt? Das weiß auch Lohre nicht so genau. Von Seite der Behörden gibt es nach wie vor keine offiziellen Stellungnahmen – aus Sicherheitsgründen und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, wie es vom Auswärtigen Amt in Berlin heißt. Es ist zu vermuten, dass den Entführern eine Art Lösegeld gezahlt wurde.

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Nach Westafrika kann er aus Sicherheitsgründen nicht zurück. Dennoch möchte er seine Arbeit im interreligiösen Dialog nicht aufgeben. „Es gibt Optionen in Frankreich. Gerne möchte ich weiter ein Zeuge der Liebe Gottes sein“, erklärt Hans-Joachim Lohre auf Nachfrage zu seiner Zukunft.