Hövelhofer Pater Lohre in Mali vermisst: Ein Leben für Versöhnung

Hövelhof/Bamako. Öffentlich gibt es nichts Neues. Seit dem 20. November, ein Sonntag, an dem er zu einem Gottesdienst erwartet wurde, wird der Hövelhofer Pater Hans-Joachim &bdquo;Hajo“ Lohre in Mali vermisst. Bei seinem Orden, den Afrikamissionaren Weiße Väter, herrscht mittlerweile äußerste Zurückhaltung. Auch die Familie hält sich bewusst bedeckt, genauso das Erzbistum Paderborn. Vereint sind sie alle mit Lohres Freunden und Verwandten im Gebet. Vom Auswärtigen Amt in Berlin dringt im Fall der mutmaßlichen Entführung ebenfalls nichts nach Außen. Welche Nachrichten auf geheimen Kanälen, eventuell auch über den Vatikan, ausgetauscht werden, bleibt unklar. Einblicke in die menschenverachtende Entführungsindustrie des westafrikanischen Landes kommen allerdings von Lohre selbst. Wer Gespräche mit dem 65-Jährigen aus den vergangenen Monaten hört, ahnt, wie der Pater die Gefahr für Leib und Leben einschätzt. Zuletzt hatte es in Mali Festnahmen im Zusammenhang mit seinem Verschwinden gegeben, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. &bdquo;Im Zuge der Ermittlungen wurden zwei Menschen festgenommen“, sagte ein Polizeivertreter in der Hauptstadt Bamako, ohne Angaben zu ihrer Verbindung zu dem Fall oder zu möglichen Motiven zu machen. Es deute immer mehr darauf hin, dass Hans-Joachim Lohre entführt worden sei, fügte der Beamte hinzu. Auch der Erzbischof von Bamako, Jean Zerbo, sagte, die lange Abwesenheit des Paters deute auf eine Entführung hin. &bdquo;Wir suchen nach einem verdächtigen Fahrzeug, das sich in der Gegend befand“, hieß es aus Lohres Umfeld. Dschihadisten wollen den Ur-Islam Bei einem Besuch in der Schweiz hatte der Hövelhofer im Sommer selbst gesagt: &bdquo;Als Weißer, als Europäer, als Geistlicher bist Du eine große Zielscheibe – das ist klar. Man weiß nie, wen es wann treffen wird.“ Gemeint hat er damit die Dschihadisten. Als militante Extremisten des Islamismus sorgen sie seit Jahren für die Destabilisierung Malis und stehen nun auch im Verdacht, den Hövelhofer entführt zu haben. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, ihre Religion als Ur-Islam zu implementieren. Neuzeitliche, liberalere Strömungen und andere Religionen werden als Bedrohung wahrgenommen. Wer Lohre zugehört hat, erfährt aber, dass diese Gewalttäter nicht die Mehrheit im Land vertreten. Lohre, den Weggefährten als Brückenbauer zwischen den Religionen beschreiben, sagt: &bdquo;80 oder 90 Prozent der Muslime im Land wollen keinen Dschihadismus.“ Lohre weiß, wovon er spricht. Er unterrichtet am Institut für christlich-islamische Bildung in Bamako. Der Geistliche ist dort auch verantwortlich für ein Glaubens- und Begegnungszentrum. Für dessen Erweiterung hatte er im Vorjahr auch in Hövelhof und im Erzbistum Paderborn um Spenden geworben. Lohre glaube fest daran, &bdquo;dass ein friedliches Zusammenleben der Religionen möglich ist“, erklärte jüngst ein Mitarbeiter der Einrichtung. &bdquo;Dörfer müssen Unterwerfungsvertrag unterzeichnen“ Die Dschihadisten haben aber nach Lohres jüngsten Einschätzungen dennoch etwa zwei Drittel von Malis Staatsgebiet unter strikter Kontrolle: &bdquo;Sie kommen in die Dörfer mit 20 oder 30 Motorrädern, schließen Schulen und verbieten christliche Kirchen. Die Orte müssen einen Unterwerfungsvertrag unterzeichnen.“ Ablaufen könne all das, weil der Staat &bdquo;nicht gegenwärtig“ und &bdquo;handlungsunfähig“ ist, wie Lohre sagt. In den letzten zwei Jahren ist in Mali zweimal geputscht worden, Militärs bilden die Führung eines Staatsapparats, der das Vertrauen seiner Bevölkerung längst verloren hat. So haben die Dschihadisten leichtes Spiel. Ihr Regime der Angst finanzieren die Extremisten, die vor allem das Zentrum des Landes und den Norden beherrschen, laut Lohre mit Waffen- und Drogenhandel – sowie mit Entführungen. Diese Tatsache könnte allen Beteiligten im Fall Lohre auch Hoffnung geben. Zuletzt war auch von freigelassenen Geiseln zu lesen. So kam im Herbst 2021 eine Franziskaner-Nonne frei, die sich aber zuvor vier Jahre in der Gewalt von Entführern befunden haben soll. Im April 2022 wurde bekannt, dass zwei Touristinnen aus der Schweiz und Deutschland sowie zwei kanadische Uno-Diplomaten drei Monate nach ihrer Entführung im Grenzgebiet zwischen Mali und Niger die Freiheit wiedererlangten. Eine Freilassung Lohres fordert auch die Deutsche Bischofskonferenz. Stellvertretend äußert sich Bertram Meier. Er sei &bdquo;tief besorgt“, sagte der Augsburger, der als Weltkirchen-Bischof der Bischofskonferenz fungiert. &bdquo;Mit zahllosen anderen Christen bin ich im Gebet mit diesem Missionspater verbunden, der seit 30 Jahren in Afrika Dienst tut und sein besonderes Augenmerk auf den muslimisch-christlichen Dialog gelenkt hat.“ &bdquo;Bildung, Entwicklung und Arbeitsplätze müssen her“ Der Angriff auf Lohre sei ein weiterer Beleg für die &bdquo;anhaltende Instabilität und die Zunahme des islamistischen Terrorismus in der Sahel-Region“, betonte Meier. Geiselnahmen und Entführungen gehörten immer mehr zum Alltag. &bdquo;Priester und Ordensleute stehen dabei besonders im Visier“, mahnte Meier. Wie das Land aus dieser Situation befreit werden kann, hat Lohre jüngst noch vorgeschlagen: &bdquo;Wenn der Westen die Hälfte der Ausgaben für den Mali-Militäreinsatz für Entwicklungshilfe einsetzen würde, wäre den Menschen sehr geholfen. Aber wenn es ihnen schlecht geht, treibt man sie in die Arme der Extremisten. Bildung, Entwicklung und Arbeitsplätze müssen her.“ Lohre hätte gerne sein Mali zurück, in das er 1981 kam: &bdquo;Wenn ich daran denke, sehe ich die Weiten des Landes, lachende junge Menschen aller Volksstämme, Gastfreundschaft und Lebensfreude.“ Für eine lebendige Gemeinschaft wird sich Hans-Joachim Lohre weiter einsetzen. Menschen, die ihn gut kennen sagen: &bdquo;Das ist sein Leben, seine Berufung. Er kann gar nicht anders.“

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