Letzte-Hilfe-Kurs in Bielefeld: „So wie im Fernsehen stirbt niemand“

Bielefeld. Die Pflege von Menschen, die man liebt, ist eine der größten Herausforderungen im Leben. Besonders belastend ist die Zeit, wenn das Lebensende naht. Aus Angst und Unsicherheit kommt es in dieser Phase immer wieder zu unnötigen Klinikeinweisungen, die dazu führen, dass viele Menschen im Krankenhaus oder auf dem Weg dorthin sterben. Und das, obwohl sich die allermeisten Menschen wünschen, zu Hause zu sterben. Nur in den seltensten Fällen gelingt es. Um das zu ändern und pflegende Angehörige für diese schwere Zeit zu rüsten, bietet die familiale Pflege des evangelischen Klinikums Bethel Letzte-Hilfe-Kurse an. Wie stärkend dieser Kurs ist, zeigt sich bei der Teilnahme auch für die Autorin dieses Textes. &bdquo;Die wenigsten Menschen haben Erfahrungen mit dem Sterbeprozess, doch für die Letzte Hilfe muss man nicht Arzt oder Pfleger sein. Jeder kann einen wichtigen Beitrag leisten, so wie bei der Ersten Hilfe“, erklärt Bianca Michler, die den Kurs mit Fabienne Kuchenbecker leitet. Die Pflegeberaterinnen vermitteln Wissen darüber, was beim Sterben im Körper passiert, wie eine umfassende Vorsorge aussieht und geben Hilfestellungen für das Lindern von Leid und das Abschiednehmen. An dem Kurs nehmen Menschen Teil, die ihre Partner, Geschwister und Eltern pflegen und damit rechnen, dass Angehörige bald pflegebedürftig werden. In einer kurzen Vorstellungsrunde fließen Tränen. Einige wissen bereits, dass das Lebensende ihrer Liebsten absehbar ist. &bdquo;Sterbende schließen die Augen früh, hören aber bis zum Schluss“ Doch genau dafür sind Michler und Kuchenbecker da. Sie wissen, wie es Menschen außerhalb des Gesundheitssystems geht, die Sterbende begleiten. &bdquo;Es ist auch für Laien möglich, Menschen zu Hause beim Sterben zu begleiten. Und wenn man damit Betroffenen ihre letzten Wünsche erfüllen kann, macht das auch die pflegenden Angehörigen glücklich“, weiß Kuchenbecker. Dafür müssen jedoch die Wünsche, Vorlieben und Bedürfnisse der Betroffenen bekannt sein. &bdquo;Es ist wichtig, frühzeitig darüber zu sprechen und auch danach zu fragen, wie sie sich am wohlsten fühlen, was sie am liebsten essen und trinken und wen sie in diesem Prozess um sich herum haben möchten. Denn nicht jeder, der zu Lebzeiten ertragen wird, muss am Lebensende dabei sein“, sagt Michler. Hilfreich können dafür auch Bücher sein, die genau darauf vorbereiten. Wichtig ist nach Angaben Kuchenbeckers zudem, dass die Angehörigen die Anzeichen des nahenden Todes erkennen. &bdquo;So wie im Fernsehen stirbt niemand.“ Wenn das Lebensende naht, stellen sich häufig Symptome ein, die auch bei einer Depression auftreten können. &bdquo;Betroffene sind müde, schlapp, suchen weniger Nähe und haben immer weniger Interesse an einer Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme.“ Es gebe auch Veränderungen in der Atmung, des Kreislaufs und des Bewusstseins. &bdquo;Die Augenlider schließen sich oft schon sehr früh, ohne dass die Betroffenen schlafen. Doch hören können sie oft noch bis zum Schluss, weshalb man weiterhin nur das am Bett sagen sollte, was ihnen guttut.“ Eiswürfel aus der Toffifee-Verpackung, damit sich Pflegebedürftige nicht verschlucken Wichtig ist in diesem Zusammenhang laut Michler, dass Angehörige den Prozess aushalten. &bdquo;Viele Betroffene entwickeln eine rasselnde Atmung, die Angst macht, obwohl es sich dabei meist nicht um Atemnot handelt.“ Auch das Respektieren von Wünschen sei wichtig. &bdquo;Wenn Betroffene Nahrung ablehnen, sollte man sie nicht drängen, denn sie sterben nicht, weil sie nicht mehr essen und trinken, sondern, weil sie sterben, essen und trinken sie nicht mehr.“ In der letzten Phase des Lebens können Betroffene Nahrung nicht mehr verarbeiten. &bdquo;Dann drohen Verschlucken oder Erbrechen und damit unnötige Belastungen.“ Angehörige können nach Angaben Michlers trotzdem Durst lindern und Sterbenden so auch ermöglichen, wieder einen geliebten Geschmack zu erleben. &bdquo;Mit Babyzahnbürsten aus der Drogerie, großen Wattestäbchen, Waschlappen oder kleinen, runden Eiswürfeln, die man mithilfe der Verpackungen von Toffifee- oder Milka-Herzen einfach selber herstellen kann, können Getränke aller Art, püriertes Obst oder verdünnte Schokolade vorsichtig auf den Lippen und im Mund verteilt werden.“ Zudem sei für Angehörige wichtig zu wissen, dass auch bewusstlose Menschen spüren, dass sie umsorgt werden. Zur Stärkung pflegender Angehörige gehört nach Angaben Kuchenbeckers zudem, dass sie wissen, wo sie sich Hilfe holen können. &bdquo;Wir empfehlen die Einschreibung in ein Palliativnetz für die Unterstützung der Pflege zuhause.“ Die Pflegeberaterinnen unterstützen auch bei Hausbesuchen Der Letzte-Hilfe-Kurs umfasst einen Termin à vier Stunden und ist kostenlos, da die AOK finanziell unterstützt. Jeder Teilnehmer hat nach dem Kurs den Anspruch auf einen Hausbesuch von einer der Pflegeberaterinnen im Umkreis von 20 Kilometern. &bdquo;Wir kommen zu jedem, der sich Unterstützung bei der Pflege zuhause wünscht“, erklärt Michler. Der Letzte-Hilfe-Kurs läuft ein Mal im Monat im Gesundzentrum Bielefeld des Hilfsmittelversorgers PVM. &bdquo;Wir erleben jeden Tag Menschen, die Angehörige zuhause pflegen und wissen um ihre Herausforderungen, in denen wir sie ganzheitlich unterstützen möchten“, erklärt Inhaber Markus Wendler. &bdquo;Im Gesundzentrum möchten wir all das bündeln, was pflegende Angehörige benötigen, damit sie sich gut und frühzeitig auf Pflege vorbereiten können.“

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