
Gütersloh/Berlin. Als ihr damals 15-jähriger Sohn eine halbseitige Lähmung erlitt, war die Angst zunächst groß, es könnte sich um einen Schlaganfall handeln. Der Verdacht bestätigte sich nicht, Auslöser war ein Zeckenbiss. Trotzdem veränderte dieser Moment einiges im Leben von Liz Mohn.
Zum ersten Mal setzte sich die Unternehmerin aus Gütersloh damals bewusst mit dem Thema Schlaganfall auseinander und stellte fest, wie wenig darüber gesprochen und dazu geforscht wurde. Anlass genug für die heute 82-Jährige, das zu ändern und im Januar 1993 die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ins Leben zu rufen.
Diese besteht seit mittlerweile 30 Jahren und feiert das am 24. November im Rahmen einer Gala in der Bertelsmann-Repräsentanz in Berlin. Durch den Abend führen Frauke Ludowig und Guido Maria Kretschmer. Die Veranstaltung soll zusätzliche Aufmerksamkeit für das Herzensprojekt von Mohn schaffen.
Stroke-Units verbessern die Situation
Denn das ist weiterhin ein sehr wichtiges: Knapp 270.000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Schlaganfall, 40 Prozent aller Betroffenen sterben innerhalb des ersten Jahres. Zur Verbesserung der Situation tragen Schlaganfall-Stationen, sogenannte Stroke-Units, bei. Die erste eröffnete 1994 am Universitätsklinikum in Essen.
Die Stiftung entwickelte im Verlauf der Jahre mit ihrem Experten-Netzwerk Qualitätskriterien für die wachsende Anzahl an Stationen und führte deutschlandweite Zertifizierungsverfahren ein. Heutzutage gehören die Stroke-Units laut des Vorstandsvorsitzenden Michael Brinkmeier zur Regelversorgung und ermöglichen es so fast doppelt so vielen Menschen wie vor 30 Jahren, einen Schlaganfall zu überleben.

Neben dem Service- und Beratungszentrum in Gütersloh gibt es in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kliniken und Praxen deutschlandweit heute 31 regionale Schlaganfall-Büros sowie 348 Stroke-Units.
Lotsinnen und Lotsen erleichtern den Alltag
Seit 1999 findet jährlich am 10. Mai ein bundesweiter Aktionstag zum Thema statt, der „Tag gegen den Schlaganfall“. 2016 unterstützt die Stiftung außerdem die Produktion der Fernsehserie „Unter Uns“ eine Zeit lang beim Drehbuch und der Vorbereitung der Schauspieler. Der Schlaganfall eines Protagonisten soll dabei realistisch geschildert werden, um das Thema sichtbar zu machen.
Ein wichtiger Meilenstein im Kampf der Stiftung gegen Schlaganfälle ist die Einführung von Schlaganfall-Lotsinnen und -Lotsen im Jahr 2011. „Sie kommen einen Tag nach dem Schlaganfall auf die Station und bieten an, die betroffene Person ein Jahr lang zu begleiten“, sagt Brinkmeier.
Sie unterstützen bei der Planung der Reha sowie Terminabsprache mit Fachärzten und statten den Schlaganfall-Patienten auch Hausbesuche ab, um regelmäßig nach dem Gesundheitszustand zu schauen und als dauerhafter Ansprechpartner zu dienen. „Das sorgt für ein sicheres Gefühl“, sagt Brinkmeier.
Flächendeckende Versorgung wird angestrebt
Bisher gibt es diese Unterstützung nur in einigen Modellregionen Deutschlands, zum Beispiel in Ostwestfalen-Lippe. Das möchte die Stiftung jedoch ändern. „Unser Ziel ist es, dass die Krankenkassen in Zukunft die Kosten übernehmen“, sagt Vorstandsmitglied Sylvia Strothotte.

Schon jetzt ist die Zahl der Lotsen-Projekte in Deutschland enorm gestiegen, seit 2021 strebt die Bundesregierung eine Regelversorgung an und hält dies auch im Koalitionsvertrag fest. Brinkmeiers Vision: „Eine flächendeckende Versorgung der Bundesrepublik in fünf bis zehn Jahren zu erreichen.“
Für die Zukunft ist ihm wichtig, die Aufklärungsarbeit rund um das Thema Schlaganfälle weiter voranzutreiben. Dazu gehört die Eingliederung betroffener Personen in Selbsthilfegruppen, wenn die Zeit mit den Lotsinnen und Lotsen endet, aber auch die Prävention und das schnelle Erkennen von Schlaganfällen.
Bis dahin sei aber noch ein weiter Weg zu gehen, mit vielen Herausforderungen und Hindernissen. Auch wenn die Bürokratie oft zäh sei, „wir sind am Ende zäher“, ist sich der Vorstandsvorsitzende sicher. Das darf am Freitag gefeiert werden.