Lücken in der Nachsorge: Schlaganfall-Patienten fühlen sich nicht gut versorgt

Gütersloh. Jeder Schlaganfall ist ein Notfall und muss umgehend behandelt werden. In der akuten Phase im Krankenhaus und auch in der anschließenden Rehabilitation werden Patienten engmaschig überwacht und bei der Genesung begleitet. In der Nachsorge sieht das offenbar anders aus, wie eine Untersuchung der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zeigt. Demnach beklagen 70 Prozent der Betroffenen, die die Gütersloher Stiftung zum Welt-Schlaganfalltag zur Nachsorge befragt hat, einen Mangel an Unterstützung. Und das, obwohl Patienten auch längere Zeit nach dem Schlaganfall noch Fortschritte machen können. Die Versorgung von Schlaganfall-Patienten im Krankenhaus ist nach Angaben der Stiftung inzwischen gut untersucht, doch zu den Langzeitverläufen gibt es bisher wenig Erkenntnisse. Die Schlaganfall-Hilfe möchte das ändern und hat 1.000 Schlaganfall-Patienten aus Deutschland befragt. Die Ergebnisse sind nach Angaben von Pflegewissenschaftler Christian Voigt ernüchternd. Demnach hat der Großteil der Betroffenen auch Jahre nach dem Schlaganfall mit Folgen zu kämpfen. 70 Prozent der Befragten wünschen sich insgesamt mehr Unterstützung, 41 Prozent mehr Therapien und Angebote in der Rehabilitation, 33 Prozent mehr Unterstützung bei der Bewältigung psychischer Beeinträchtigungen und 28 Prozent mehr Hilfe bei der Einstellung ihrer Risikofaktoren, wie zum Beispiel beim Umgang mit der Medikation oder bei der Umstellung des Lebensstils. &bdquo;Die wichtigste Maßnahme, um einen wiederholten Schlaganfall zu vermeiden“, sagt Voigt. Patienten und Familien sind nach Krankenhaus oft überfordert Deutlich wird in der Befragung auch, dass die Erkrankung tiefe soziale Einschnitte zur Folge hat. &bdquo;Wenn ich durch körperliche Beeinträchtigungen in meiner Mobilität eingeschränkt oder auf Hilfe angewiesen bin, wird es schwierig, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen“, erklärt Voigt, der als Versorgungsforscher in der Stiftung aktiv ist. Der Schlaganfall sei die häufigste Ursache für Behinderungen im Erwachsenenalter, wie halbseitige Lähmungen, aber auch für nicht sichtbare Beeinträchtigungen wie Sprach- oder Konzentrationsstörungen. Lesen Sie auch: Jede Minute zählt: So handeln Sie richtig beim Verdacht auf einen Schlaganfall Voigt ist von den Ergebnissen der Befragung überrascht: &bdquo;Dass so viele Menschen so lange nach dem Schlaganfall Probleme haben, die Folgen ihrer Krankheit zu bewältigen, habe ich nicht erwartet.“ Viele Betroffene und ihre Angehörigen seien offenbar mit der Organisation ihrer Nachsorge überfordert. &bdquo;Man muss sich nur einmal in die Situation von Betroffenen hineinversetzen. Ihr Leben wird von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt.“ Und in dieser schwierigen Situation müssten sich die Betroffene und ihre Familien intensiv mit dem komplexen Gesundheitssystem auseinandersetzen und schnell passende Therapien finden. &bdquo;Das schaffen viele nicht.“ Befragung zeigt, dass der Schlaganfall eine chronische Erkrankung ist Repräsentativ ist die Untersuchung nach Angaben Voigts aufgrund des geringen Durchschnittsalters von 56 Jahren der Befragten nicht. &bdquo;Das Durchschnittsalter von Betroffenen in Deutschland liegt bei 73 Jahren.“ Aus diesem Grund schätzt die Stiftung den tatsächlichen Hilfebedarf noch größer ein, als die aktuelle Befragung zeigt. Die Untersuchung zeige jedoch tiefe Einblicke in die Nachsorge, weil der Schlaganfall im Durchschnitt zum Zeitpunkt der Befragung bereits neun Jahre zurücklag, erklärt Voigt. Lesen Sie auch: Schlaganfall mit 42 Jahren: So hat sich das Leben eines Bielefelders verändert Nach Einschätzung Voigts weisen die Ergebnisse der Befragung auf eine Schwachstelle in der Schlaganfall-Versorgung hin und zeigen, dass der Schlaganfall eine chronische Erkrankung ist, die langfristige Folgen hat. &bdquo;Im Durchschnitt muss jeder Betroffene mit elf verschiedenen Folgen umgehen.“ Im Notfall seien Betroffene in Deutschland inzwischen gut versorgt, weil 350 zertifizierte Spezialstationen in Krankenhäusern, sogenannte Stroke Units, eine fast flächendeckende klinische Versorgung gewährleisten. &bdquo;Doch in der anschließenden häuslichen Nachsorge gibt es keine strukturierten Behandlungsprogramme“, moniert Voigt. Kampf für Patientenlotsen, die Betroffene ein Jahr begleiten Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe versteht sich als Patientenorganisation als Stimme der Betroffenen und setzt sich deshalb für die Einführung von Patientenlotsen in die Regelversorgung ein. Die Lotsen begleiten Betroffene und ihre Angehörigen nach Angaben Voigts durch das erste Jahr nach der Erkrankung, bis diese in der Lage sind, ihre Versorgung selber zu organisieren. In OWL profitieren bereits viele Patienten von dem Lotsen-Programm, im evangelischen Klinikum Bethel, im Sankt-Elisabeth-Hospital Gütersloh, im Klinikum Herford, im St.-Ansgar-Krankenhaus Höxter, im Klinikum Lippe und im St.-Vincenz-Krankenhaus Paderborn.

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