
Bielefeld. Im Januar 2019 macht der Vermieter einer Garage in Bielefeld-Vilsendorf eine grausame Entdeckung. Vom Mieter hat er einige Zeit schon kein Geld mehr bekommen. Deshalb will er überprüfen, ob die Garage überhaupt noch genutzt wird – und stößt dabei auf eine Holzkiste. Als er sie öffnet, entdeckt er die Leiche einer Frau.
Der Bielefelder verständigt die Polizei, die Obduktion bringt Klarheit: Es handelt sich um die zweifache Mutter Natalie W. (34) aus Bünde-Holsen, die seit November 2017 vermisst wird. Ihr Ehemann, Markus W., sitzt zum Zeitpunkt des Leichenfunds schon seit einiger Zeit in U-Haft. Er hat ausgesagt, über den Verbleib seiner Frau nichts zu wissen. Als er wegen Totschlags angeklagt wird, behauptet er im Prozess vor dem Landgericht Bielefeld: Seine Frau sei bei einem Sex-Unfall gestorben.
Freunde zweifeln sofort an der Darstellung. Natalie W. und ihr Ehemann sollen sich oft gestritten haben. Die Beziehung der beiden soll schon länger zerrüttet gewesen sein. Die Ermittler der Mordkommission sind deshalb von folgendem Tathergang überzeugt: Als Natalie W. eines Tages ihren Mann verlassen will, eskaliert der Streit. Markus W. schmeißt seine Frau zu Boden und erwürgt sie.
Der Fall ist nun Thema in einer neuen Episode von "OstwestFälle - dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen
Die Fakten zum Mordfall Natalie W. im Überblick:
- Im November 2017 verschwindet Natalie W. (34) aus Bünde-Holsen spurlos. Drei Tage nach ihrem Verschwinden schalten Mutter und Bruder eine Vermisstenanzeige.
- Nachdem Angehörige vergeblich nach W. gesucht haben, landet der Fall im Sommer 2018 bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld. Wegen fehlender Lebenszeichen von Natalie gründet die Bielefelder Kripo die Mordkommission "Rödinghausen".
- Der Ehemann, Markus W., gerät ins Visier der Ermittler. In seinem Haus finden sie persönliche Gegenstände der Vermissten, weshalb er in Untersuchungshaft kommt.
- Als Markus W. während seiner Haft nicht mehr für eine angemietete Garage bezahlt, wird sein Vermieter misstrauisch. In der Garage entdeckt dieser schließlich die Leiche von Natalie W.
- Markus W. streitet einen Mord ab – es sei ein Sex-Unfall gewesen. Das Gericht glaubt ihm nicht und verurteilt ihn später wegen Totschlags zu 9,5 Jahren Haft.
Kein Lebenszeichen der Vermissten – Markus W. täuscht Streit vor
Zurück zum Tag der Tat: Um das Geschehen zu verschleiern, schreibt Markus W. von Natalies Handy noch eine fingierte WhatsApp-Nachricht an sich selbst. Darin steht unter anderem: "Ich habe die Schnauze voll. Ich mache das Theater nicht mehr mit”.
Einen Tag später mietet er unter falschem Namen eine Garage in Bielefeld-Vilsendorf an und versteckt dort die Leiche seiner toten Ehefrau.
Angehörige sind schon am ersten Tag des Verschwindens in Sorge, weil sie von Natalie nichts mehr hören. Sie reagiert weder auf die Anrufe ihrer Kinder (9 und 15 Jahre alt), noch auf die ihrer Eltern. Außerdem ist Natalie mit einer Freundin verabredet. Doch am vereinbarten Treffpunkt taucht sie nicht auf und sagt auch nicht ab.
Angehörige suchen nach Natalie – ihr Mann nicht

Noch am Abend ihres Verschwindens gehen die Angehörigen den Weg ab, den Natalie mit ihrem Hund immer gegangen war.
Ehemann Markus ist nicht dabei. Seine Ausrede: er müsse Überstunden machen. Seine Frau meldet er nicht als vermisst.
Drei Tage nach Natalies Verschwinden gehen Bruder und Mutter der damals 34-jährigen zur Polizei nach Bünde. Von dort werden sie an die Kollegen in Herford verwiesen.
Mordkommission Rödinghausen wird gegründet
Die Beamten glauben zu dem Zeitpunkt noch nicht an ein Gewaltverbrechen. Sie vermuten, dass Natalie W. die Familie freiwillig verlassen hat. An diese Theorie glaubt ihre Mutter jedoch nicht.
Sie bleibt weiter hartnäckig, bis der Fall schließlich im Sommer 2018 bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld landet. Die Verwandten haben immer noch kein Lebenszeichen von Natalie.
Auch die Staatsanwaltschaft sieht inzwischen mehrere Anzeichen für ein Verbrechen. Seit ihrem Verschwinden gab es zum Beispiel keinerlei Aktivitäten auf ihrem Konto oder ihrer Krankenkassenkarte. Kurze Zeit später bildet die Bielefelder Kripo deshalb die Mordkommission "Rödinghausen", die den Fall genauer untersuchen soll.
Ehemann von Natalie W. unter Tatverdacht
Markus W. ist zu dem Zeitpunkt weiterhin ein freier Mann, gerät jedoch immer mehr in den Fokus der Ermittler. Er hat seine Frau schließlich nicht direkt als vermisst gemeldet und ließ kurze Zeit später eine neue Partnerin im Haus einziehen. Das lenkt den Verdacht früh auf den Ehemann.
Die Ermittler durchsuchen das Wohnhaus und stellen das Handy der Vermissten sicher.
Dabei soll, so berichten es die Polizisten später, Markus W. sichtlich nervös gewesen sein. Bei der Durchsuchung kommt aus dem Schlafzimmer eine Frau aus Südamerika – seine neue Partnerin.
Leiche von Natalie W. wird von Vermieter der Garage entdeckt

Bei einem Verhör auf dem Polizeipräsidium finden die Beamten bei Markus W. die Geldbörse seiner verschwundenen Frau inklusive Krankenkarte. Für die Ermittler sind das genug Indizien für ein mögliches Gewaltverbrechen. Der Mann kommt in Untersuchungshaft, beteuert aber weiterhin, nicht zu wissen, wo seine Frau steckt.
Die plötzliche Haft wird ihm letztlich zum Verhängnis. Weil er das Geld für die angemietete Garage nicht mehr überweist, wird sein Vermieter misstrauisch.
Er fährt zu der Garage und entdeckt die inzwischen verweste Leiche von Natalie W.
Sex-Unfall oder Mord? Es steht Aussage gegen Aussage
Nun scheinen die Beweise gegen den Ehemann erdrückend zu sein. Man ist sich sicher: Markus W. hat seine Frau getötet. Doch vor Gericht erzählt er eine andere Geschichte. Natalie sei beim Sex-Spiel ums Leben gekommen. Er spricht von Lust-Kicks durch Sauerstoffmangel. Dabei habe er aus Versehen zu fest zugedrückt.
Doch die Aussagen der anderen Zeuginnen und Zeugen zeichnen ein anderes Bild der Realität: Freundinnen des Opfers sagten aus, dass es schon lange Streit zwischen Natalie W. und dem Angeklagten gegeben habe. Von Würge-Sex-Spielen wissen die beiden Frauen nichts. Markus W. soll außerdem schon vor dem Verschwinden seiner Frau über Internetchats Kontakt zu anderen Frauen gehabt haben, wie eine Freundin aus Gesprächen mit dem Opfer erfahren hat.
Während des Prozesses vor dem Landgericht Bielefeld werden Sprachnachrichten von der getöteten Natalie W. abgespielt. Es werden auch zwei undatierte Abschiedsbriefe thematisiert, in denen sie erklärt, die Ehe mit ihrem Mann nicht mehr auszuhalten und sich deshalb umbringen zu wollen.
Gerichtsmedizin widerlegt seine Aussage zu Sex-Spielen
Auch die Gerichtsmedizin trägt schließlich zur Aufklärung bei. Sie kommt zu dem Entschluss: Der Bruch des Kehlkopfes wurde durch massive Gewalteinwirkung hervorgerufen.
In der Regel passiert das durch einen Angriff mit der Hand, nicht durch Drosseln mit einem Gürtel, wie es der Angeklagte geschildert hatte. "Wir finden das häufiger beim Erwürgen, als beim Drosseln", hieß es vom Sachverständigen vor Gericht.
Würgen ist ein Angriff gegen den Hals mit der Hand. Erdrosseln findet durch die Kompression gegen den Hals mit einem Werkzeug statt.
Angeklagter Markus W. muss 9,5 Jahre ins Gefängnis
Die Richter glauben dem Angeklagten schließlich nicht. Markus W. wird vom Landgericht Bielefeld wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Erklärung des Angeklagten über den vermeintlichen Sex-Unfall werten sie als "Verächtlichmachung des Opfers", sie wirkt sich strafverschärfend aus. Seine Verteidiger gehen gegen das Urteil in Revision und erzielen damit tatsächlich einen Teilerfolg.
Der Bundesgerichtshof bemängelt, dass die Strafe zu hoch sei, die Erklärung des angeblichen Sex-Unfalls sei als Verteidigung zulässig und habe daher nicht dazu gedient, das Opfer herabzuwürdigen.
So muss das Landgericht Bielefeld hinsichtlich der Höhe der Strafe den Fall erneut verhandeln. Sie wird um ein halbes Jahr gesenkt: Diesmal lautet das Urteil 9,5 Jahre Haft. Doch auch das ist der Verteidigung nicht genug. Sie geht wieder in Revision, scheitert damit jedoch diesmal beim Bundesgerichtshof.
Den Fall "Natalie W. – die Tote in der Holzkiste" hören Sie in der neuesten Episode von "Ostwestfälle", dem True Crime-Podcast der Neuen Westfälischen. Den Podcast hören Sie unter nw.de/owlcrime und bei allen gängigen Streaming-Diensten.