Mehr als 270 Extremisten in NRW dürfen eine Waffe besitzen – 44 in OWL

Bielefeld. In NRW dürfen insgesamt 275 Personen, die der extremistischen Szene zugerechnet werden, offiziell eine Waffe besitzen: Sie haben einen sogenannten Kleinen Waffenschein oder eine Waffenbesitzkarte. Das berichtet eine Sprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) auf Anfrage dieser Redaktion (Stand: 31.12.2022). Mehr als 200 Extremisten aus NRW wurde eine waffenrechtliche Erlaubnis in den vergangenen Jahren allerdings bereits entzogen. Ein Grund hierfür kann beispielsweise die Zugehörigkeit zu extremistischen Strukturen sein. Ein Beispiel: Vor wenigen Wochen entschied das Verwaltungsgericht in Minden über die Klage eines Mannes aus Petershagen. Ihm wurde eine Waffenbesitzkarte entzogen, wogegen er klagte. Der Mann besuchte unter anderem Rechtsrockkonzerte sowie rechtsextreme Kampfsportveranstaltungen. Vor Gericht verlor er. Die meisten Extremisten mit Waffenerlaubnis in NRW sind dem rechtsextremen Spektrum sowie der Reichsbürger-Szene zuzurechnen, nämlich 236 (davon 126 Reichsbürger und Selbstverwalter). Darunter sind beispielsweise elf Personen aus dem Spektrum der Identitären Bewegung und 14 Personen des rechtsextremen AfD-"Flügels". Hinzu kommen unter anderem 24 Personen aus der rechtsextremen Mischszene. 15 Islamisten haben waffenrechtliche Erlaubnis Mehr als 100 der insgesamt 275 Extremisten haben eine Waffenbesitzkarte, die meisten aber einen Kleinen Waffenschein. Allein aus dem rechtsextremen Spektrum und der Reichsbürger-Szene wurden solche Erlaubnisse bei exakt 200 Personen widerrufen. Die meisten davon erfassten die Behörden als Reichsbürger. In der Szene besteht eine hohe Affinität zu Waffen. Deutlich niedriger scheint diese Affinität dagegen im linksextremen Spektrum. Aktuell besitzen neun Personen aus diesem eine waffenrechtliche Erlaubnis, seit 2020 wurde einer Person diese entzogen. 15 Islamisten besitzen eine waffenrechtliche Erlaubnis, neun wurde eine solche entzogen. Im Bereich der ausländischen Ideologie (beispielsweise türkische Rechtsextreme) verfügen 13 Personen über Waffenbesitzkarte oder Kleinen Waffenschein, zwei wurden diese entzogen. Zwei Extremisten mit waffenrechtlicher Erlaubnis kategorisiert das LKA zudem unter "sonstige". Viele Extremisten aus Minden-Lübbecke mit Waffen In Ostwestfalen-Lippe dürfen 44 Extremisten eine Waffe besitzen, die meisten in den Kreisen Minden-Lübbecke (11), gefolgt von Lippe (10) und Herford (9), Paderborn (8) und Gütersloh (6). Bei den Personen dürfte es sich – so wie im Landestrend – vor allem um Reichsbürger handeln. Sicherheitsbehörden sehen in der Region einen Brennpunkt der Szene. Im Kreis Höxter sowie der Stadt Bielefeld werde kein Extremist mit waffenrechtlicher Erlaubnis erfasst, so das LKA. In den vergangenen Jahren wurde 28 Extremisten eine entsprechende Erlaubnis abgenommen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagt dieser Redaktion: "Waffen gehören nicht in die Hände von Extremisten. Deshalb haben wir uns bereits im Jahr 2020 für eine Änderung des Waffengesetzes starkgemacht." Seitdem müssen die zuständigen Waffenbehörden frühzeitig über die bei den Sicherheitsbehörden vorhandenen Erkenntnisse zu Extremisten informiert werden. Reul weiter: "Uns geht es darum, herauszufinden: Was sind das eigentlich für Menschen, die sich eine Waffe besorgen möchten? Haben wir die schon auf dem Radar? Jetzt wird da noch stärker drauf geschaut." Experten: Viele illegale Waffen im Umlauf Aus Sicherheitskreisen wird derweil gemahnt: "In der extremistischen Szene werden auch viele Waffen unter der Hand gekauft und besessen." Dies reiche bis zu Schusswaffen. Manche Waffen wie Schlagstöcke oder Pfefferspray sind in Deutschland zudem frei verkäuflich. Im Ausland könne man darüber hinaus verbotene Waffen einfach kaufen, beispielsweise illegale Einhandmesser oder Schlagringe. Der FDP-Innenexperte Marc Lürbke aus Paderborn kritisiert deswegen: "Immer noch haben viel zu viele Extremisten in NRW Zugang zu scharfen Waffen. Statt immer wieder über symbolhafte Änderungen des Waffenrechts zu diskutieren, muss durch die Sicherheitsbehörden viel stärker auch die Eindämmung des illegalen Waffenbesitzes intensiviert werden." Die Anzahl illegaler Waffen in den Händen von Extremisten sei wahrscheinlich um ein Vielfaches größer. "Gerade von diesen illegal beschafften Waffen gehen ganz erhebliche Gefahren für die Bevölkerung aus. Immer noch fällt es Reichsbürgern und Extremisten viel zu leicht, sich eine Waffe beispielsweise über das Darknet zu besorgen", warnt Lürbke.

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