Experten nennen Deutschlands Auswege aus der Energiekrise

Herne. In einem Punkt waren sie sich alle einig: Die aktuelle Energiesituation ist nicht nur herausfordernd, sondern dramatisch. Und sie wird sich massiv auf die Transformation, also den klimaneutralen Umbau der Industrie, auswirken. Experten und Politiker haben jetzt bei einer Energiekonferenz in Herne diskutiert, worauf es nun ankommt. Die Ansätze dürften nicht jedem schmecken. Deindustrialisierung Unternehmen in NRW sind besorgt, ob sie ihre Produktion langfristig wieder hochfahren und Lieferketten wieder aufbauen können. &bdquo;Wertschöpfung, die einmal verloren geht, kommt nicht wieder“, glaubt Thomas Wessel vom Verband der Chemischen Industrie in NRW. Ein Beispiel: Die heimische Produktion von Ammoniak ist massiv eingebrochen. &bdquo;Sofort haben Firmen aus den USA neue Angebote geschaffen, um in diese Lücke zu stoßen“, so Wessel. Die zeitnahe Umsetzung der Strom- und Gaspreisbremse sei deshalb exorbitant wichtig. Doch verlässliche Informationen seien bislang rar. Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda hält den Start der Energiepreisbremse zum 1. Januar für &bdquo;undenkbar“. Dies solle man den Menschen auch so sagen, sagte er zu Beginn der Energiekonferenz, die von der NRW-Landesgruppe der SPD um Landesgruppenchef Achim Post aus Minden organisiert wurde. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Thyssenkrupp Steel Europe, Tekin Nasikkol, zeichnete ein düsteres Szenario: Solange Deutschland keine wettbewerbsfähigen Energiepreise habe, wanderten Unternehmen langfristig aus. &bdquo;Das kann ich versprechen“, so Nasikkol. Andere Länder lockten deutsche Unternehmen durch &bdquo;extrem hohe“ Subventionen zunehmend zu sich. Deutschland sei derzeit nicht wettbewerbsfähig; Planungen und Genehmigungen müssten viel schneller und einfacher werden, so Nasikkol. Und: Der Staat müsse den klaren Willen bekunden, Unternehmen im Land zu behalten - auch dann, wenn sich dies für eine gewisse Zeit finanziell nicht rechne. Erneuerbare Energien Die Experten sind sich einig: Vor allem der Ausbau der Windkraft dauert zu lange. Matthias Miersch, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, erwartet hitzige Diskussionen in der Bevölkerung. &bdquo;Machen wir uns nichts vor: Das wird hart in der Gesellschaft auszukämpfen sein“, sagte er mit Blick auf einen schnelleren Ausbau. Er sei dafür, Klagebefugnisse einzuschränken, so Miersch: &bdquo;Die Form der persönlichen Betroffenheit, die alles konterkariert, was Neues ausmacht, geht so nicht mehr.“ SPD-Landesparteichef Thomas Kutschaty kritisierte, dass die NRW-Landesregierung beim Ausbau der Windkraft noch immer auf die Bremse trete – und zum Beispiel die 1.000-Meter-Abstandsregel von Windrädern zu Wohnhäusern noch nicht komplett abgeschafft habe. Nasikkol (Thyssenkrupp) machte deutlich, dass sein Unternehmen für den Umbau zur klimaneutralen Produktion allein 3.800 moderne Windräder benötige. &bdquo;Wir werden weiter ein Land bleiben, das Energie importieren muss“, so Nasikkol. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie, schlägt vor, dass ein Teil der Kapazitäten durch Erneuerbare Energien künftig über &bdquo;einen eigenen Kanal“ direkt der Industrie zur Verfügung gestellt wird. Finanzierung Laut Kutschaty stellt sich in der Krise die &bdquo;Verteilungsfrage“, die der SPD-Fraktionschef als &bdquo;Stunde der Sozialdemokratie“ bezeichnet. Ebenso wie die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Anja Weber, fordert Kutschaty eine Vermögenssteuer, eine gerechte Erbschaftssteuer sowie höhere Spitzensteuersätze. &bdquo;Das muss man jetzt entscheiden“, so Kutschaty. Weber glaubt, dass der Staat ansonsten nicht finanziell durch die Krise kommen wird.

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