Anwalt der rechten Szene will Synagoge abreißen – jetzt schaltet sich das Land ein

Detmold. Das vergessene Haus steht nur Meter entfernt von der Fußgängerzone, an einer Seitengasse neben hübsch restauriertem Fachwerk. Von der alten Hofsynagoge in Detmold ist der Lack früher Tage längst abgeblättert, die Holzfassade zeigt sich in verwittertem Zustand. Die Fenster sind verschraubt und mit Draht überspannt, Industrieklebeband stopft notdürftig die rostigen Regenrinnen und ein eingeknicktes Fallrohr. Der Anblick des Hauses ist wenig erbaulich, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht trotzdem Potenzial. Nordrhein-Westfalens Antisemitismusbeauftragte steht zum ersten Mal an diesem historischen Ort, auf Einladung der jüdischen Gemeinde. Mit einem vernünftigen Sanierungskonzept und Fördergeldern vom Land könne hier richtig was aufgebaut werden, findet sie: "eine Begegnungs- und Erinnerungsstätte". Die Situation aber sei bislang – "schade, schade – ziemlich festgefahren". Selten verirrt sich einmal jemand an dieses Haus. So hat der Konflikt jahrelang nur wenig Aufsehen erregt, dass der Rechtsanwalt Hendrik Schnelle, dem das Gebäude gehört, versucht, dieses Zeugnis jüdischen Lebens für Parkplätze abreißen zu lassen. Ein "Schandfleck im Stadtbild" sei die alte Synagoge, sagte er einmal einem Lokalreporter. Das Haus sei "ein eminent wichtiges Baudenkmal" Das Gebäude an der Bruchmauerstraße 37 wurde 1988 als vermutlich um 1700 errichtetes "Gartenhaus" in die Denkmalliste der Stadt Detmold eingetragen. Ein 2010 gestellter Abbruchantrag des seit Jahrzehnten ungenutzten Gebäudes hatte eine bauhistorische Untersuchung zur Folge. Sie erfolgte durch Bauforscher der Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). "Die ungewöhnlichen Baubefunde und die dendrochronologische Datierung des Kernbaus", sozusagen die Altersbestimmung des Holzes, "deuteten darauf hin, dass das Gebäude möglicherweise 1633 als Synagoge errichtet wurde", erklärt ein LWL-Sprecher. "Weitere archivalische Forschungen ließen deutlich werden, dass es sich bei diesem Gebäude um die älteste erhaltene Hofsynagoge in Nordwestdeutschland handelt." Das Haus sei "ein eminent wichtiges Baudenkmal". Die Antisemitismusbeauftragte sieht zum einen die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit. "Gleichzeitig geht aus ihr die Frage hervor, was wir heute in unserer offenen Gesellschaft aus der Geschichte lernen", sagt Leutheusser-Schnarrenberger. Die frühere Bundesjustizministerin hat in Nordrhein-Westfalen in den Pandemiejahren eine steigende Judenfeindlichkeit festgestellt. Der Eigentümer wurde wegen Volksverhetzung verurteilt Der Eigentümer des Hauses hält womöglich wenig von einer offenen Gesellschaft. In den oberen Fenstern der historischen Hofsynagoge hängen Fratzen, die wirken, als seien sie in den 1930er Jahren gestaltet worden. Hendrik Schnelle selbst wurde bereits wegen Volksverhetzung verurteilt. Fragt man die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Ostwestfalen-Lippe, wird er als "ein breit vernetzter Szeneanwalt der extremen Rechten" eingeordnet. Bei seinen Mandantinnen und Mandanten handele sich unter anderem um "Unterstützer von rechtsterroristischen Vereinigungen, Kader von Neonaziparteien, Islamhasser und Internetaktivisten". Verurteilt wurde Schnelle 2002 vom Landgericht Detmold, weil er öffentlich gefordert hatte, Homosexuelle zu "vergasen wie damals die Juden". Ein politisches Motiv in dem Willen, die Synagoge für Parkplätze abzureißen, kann vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. Matitjahu Kellig, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, hat Strafanzeige wegen Volksverhetzung, verhetzender Beleidigung und anderen Delikten gestellt. Der Streit um die Synagoge habe Schnelle offenbar dazu verleitet, im Internet eine Karikatur zu veröffentlichen. Sie vergleiche "die Forderung nach Enteignung des Herrn Schnelle mit der Praxis der Nationalsozialisten, bei der jüdische Eigentümer zwangsweise enteignet wurden und ihr Eigentum 'arisiert' wurde", heißt es in dem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Detmold. "Diese Darstellung entbehrt jeder realen Grundlage und kann nicht mehr als satirische Zuspitzung betrachtet werden." Die Stadt habe ein marktgerechtes Angebot gemacht Die Strafverfolgungsbehörde lehnte die Einleitung von Ermittlungen ab. Die Darstellung sei von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt. Die Stadt Detmold ist nach wie vor bereit, das wackelige Haus zu kaufen. Man habe dem Eigentümer ein marktgerechtes Angebot gemacht, sagt der Pressesprecher Markus Roll. Schnelle aber bleibe bei der Idee mit den Parkplätzen. "Es ist eine schwierige Situation", sagt Roll, "sie ist aber nicht ausweglos." Der Eigentümer könne mit dem denkmalgeschützten Gebäude nicht so hantieren, wie er sich das vorstelle, sagt Leutheusser-Schnarrenberger. Weil ein Abriss nicht so einfach gehe, "wäre es das Beste, wenn er es verkauft – an die Stadt oder an einen Investor, der in Detmold einen Beitrag leisten will zur lebendigen Erinnerungskultur".

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