Jetzt als Podcast: Brutaler Mord an Kardelen (8) aus Paderborn

Paderborn. Mehr als 7.000 Menschen versammeln sich an einem Freitagabend im Januar 2009 zu einem bewegenden Trauerzug auf dem Paderborner Rathausplatz. Viele halten Kerzen in der Hand. Sie alle trauern um die kleine Kardelen, die wenige Tage zuvor missbraucht und getötet worden war. &bdquo;So etwas habe ich noch nicht erlebt. Kardelen bringt die Menschen zusammen, aber das Opfer dafür ist viel zu groß", meint der damalige Bürgermeister Heinz Paus. Der Fall ist nun Thema in einer Episode von "OstwestFälle - dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen". Die Fakten zum Mordfall Kardelen: Anfang Januar 2009 fehlt von der kleinen Kardelen (8) plötzlich jede Spur. Familie, Freunde und Nachbarn suchen nach dem Mädchen - erfolglos. Wenig später wird die Leiche des ermordeten Kindes gefunden. 60 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt. Der türkischstämmige Ali K. gilt als Hauptverdächtiger. Der mutmaßliche Mörder setzt sich kurz nach der Tat in die Türkei ab und taucht unter. Sein Schwiegervater hilft bei der Suche nach K. und trägt maßgeblich zu seiner Festnahme bei. K. wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Bis heute bestreitet K. das Mädchen missbraucht und umgebracht zu haben. Auch in den folgenden Tagen kommen immer wieder Menschen zu den Gedenkstätten am Rathaus und am Elternhaus von Kardelen, um eine Kerze anzuzünden und Abschied zu nehmen. Im Rathaus liegen Kondolenzbücher aus, in die sich mehr als 1.000 Menschen eintragen. Was war passiert? Erfolglose Suchaktion: Verschwinden der Achtjährigen bleibt zunächst ein Rätsel Montag, 12. Januar 2009: Die achtjährige Kardelen spielt in Sichtweite ihres Elternhauses in der Paderborner Südstadt. Doch von einem Moment auf den anderen ist das Mädchen nicht mehr zu sehen. Zuletzt wird Kardelen um 14.30 Uhr an der Kreuzung Benediktiner Straße/Liegnitzer Straße gesichtet, als sie an einem Wohnhaus klingelt und hineingeht. Danach scheint sie wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Erklären kann sich das Verschwinden des jungen Mädchens niemand. Gegen 18.20 Uhr melden die Eltern ihre Tochter als vermisst, die Polizei leitet sofort eine große Suchaktion ein. Ein Lautsprecherwagen fährt durch die Stadt, Spürhunde werden angefordert, ein Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera kreist über dem Gebiet. Auch zahlreiche Nachbarn, Freunde und Angehörige der Familie suchen bis in die frühen Morgenstunden nach Kardelen - vergeblich. Befürchtung wird zur traurigen Gewissheit Zwei Tage später finden Spaziergängerinnen am Möhnesee im Sauerland mehrere, weit verstreute Kleidungsstücke eines Kindes. Ein schrecklicher Verdacht kommt auf. Schnell ist klar, dass die Kleidung von Kardelen stammt. Weitere 24 Stunden später wird die Befürchtung zur traurigen Gewissheit: Polizeihunde finden am südlichen Ufer des Sees in einer Tannenschonung eine entkleidete Kinderleiche - es ist die achtjährige Kardelen. Hunderte Hinweise werden bei der Polizei gemeldet, doch vom Täter fehlt jede Spur Schon kurz nach der Tat gehen mehrere hundert Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber zunächst nicht darunter. Die Polizei bildet eine 30-köpfige Sonderkommission, die später auf 60 Beamte aufgestockt und nach dem Fund der Leiche in eine Mordkommission umgewandelt wird. In der Umgebung werden zahlreiche Plakate und Fahndungsaufrufe, auch in türkischer Sprache, aufgehängt. Zudem rekonstruieren die Ermittler das Geschehen am Möhnesee, um herauszufinden, ob die Kleidung möglicherweise aus einem fahrenden Auto geworfen wurde. Kardelen wurde sexuell missbraucht und qualvoll erstickt Ein kleines Puzzlestück bringt die Mordkommission schließlich entscheidend weiter: Am Möhnesee im Sauerland wird die Visitenkarte eines Juweliers aus der Türkei gefunden, die der Mörder dort offenbar verloren hatte. Da der Juwelier Verwandte im Bereich Paderborn hat, finden die Beamten über die Namensgleichheit die Adresse des mutmaßlichen Mörders heraus. Es ist Ali K., ein Nachbar von Kardelens Familie. Sowohl in seiner Wohnung als auch am Leichnam des Mädchens entdecken die Ermittler erdrückende Beweise für die Schuld des unauffällig lebenden Mannes. Er hat die gegenüber Fremden misstrauische Kardelen in seine Wohnung gelockt, missbraucht und anschließend erwürgt. Für viele stellt sich die Frage: Wie gut kannten sich Kardelen und Ali K.? Schließlich waren sie Nachbarn. Wie lockte er das Mädchen in seine Wohnung? All diese Fragen sind bis heute offen. Mutmaßlicher Täter setzt sich in die Türkei ab Das Unfassbare: Die Leiche des kleinen Mädchens hat der 29-jährige Nachbar der Familie in eine Reisetasche gepackt, um sie per Taxi, Bus und Bahn zum rund 60 Kilometer entfernten Möhnesee zu bringen und dort zu verstecken. Bis zur Festnahme gehen jedoch einige Wochen ins Land. K. hat Paderborn bereits kurz nach dem Mord verlassen und sich zusammen mit seiner Frau, einer türkischstämmigen Deutschen, in die Türkei abgesetzt. Dort wird mit Hochdruck nach ihm gefahndet, doch gefasst werden kann K. vor allem durch den Einsatz eines Mannes: Kadir Ayaz, der Schwiegervater des mutmaßlichen Täters. Mit einem Trick: Mutmaßlicher Täter wird von eigenem Schwiegervater reingelegt Dieser hat sich bereits zuvor persönlich bei Kardelens Eltern für die Tat entschuldigt und dabei geschworen, bei der Suche nach dem Täter zu helfen. Der 49-Jährige reist in die Türkei, um Ali K. auf eigene Faust zu suchen. Zudem macht er sich Sorgen um den Verbleib seiner Tochter. An der türkischen Ägäis spürt Ayaz den Mörder mithilfe von Freunden und Privatdetektiven bei Verwandten auf und überredet ihn telefonisch zu einem Treffen. K. flüchtet zunächst, wird aber kurz darauf von der Polizei festgenommen. Warum entscheidet ein türkisches Gericht über die Strafe von K.? Schon kurz nach der Festnahme in Didim signalisiert die Türkei eindeutig, dass sie Ali K. nicht ausliefern will. Nach einer dreistündigen Vernehmung durch den Haftrichter bringt man ihn ins Gefängnis der Stadt Söke, rund 40 Kilometer nördlich von Didim. Die türkische Polizei schützt K. mit großem personellem Aufwand. Sie befürchtet, dass er Opfer einer Blutrache werden könnte. In türkischen Medienberichten heißt es, die Polizei habe beim Transport des Tatverdächtigen zum Gerichtsgebäude in Didim drei baugleiche Fahrzeuge benutzt, um mögliche Attentäter zu verwirren. Mehr als neun Monate nach der Tat, Ende Oktober 2009, erhebt die türkische Justiz Anklage gegen Ali K. Die Staatsanwaltschaft wirft Ali K. den sexuellen Missbrauch eines Kindes sowie Mord zur Verdeckung einer Straftat vor. Der Prozess findet in Söke, in der Westtürkei, statt. K. beschuldigt seinen Stiefvater des Mordes und der Erpressung Der Prozess beginnt am 13. November 2009. K. bestreitet die Tat entschieden und beschuldigt stattdessen seinen Schwiegervater Kadir Ayaz. Dieser habe Kardelen in K.s Wohnung missbraucht, getötet und ihn anschließend unter Druck gesetzt. So habe er nur die Leiche gewaschen und gemeinsam mit seiner Frau zum Möhnesee gebracht. Ein Gericht im westtürkischen Söke verurteilt Ali K. im Dezember 2009 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Zusätzlich verhängen die Richter eine symbolische Strafe von 18 Jahren wegen sexuellen Missbrauchs und Freiheitsberaubung - eine Amnestie oder ein späterer Gnadenakt sind ausgeschlossen. Auch später bleibt K. bei seiner Aussage. In Paderborn wird das Urteil mit Erleichterung und Genugtuung aufgenommen. Mordfall lässt die Menschen in Paderborn zusammenrücken Der Mörder wird somit den Rest seines Lebens hinter Gittern in der Türkei verbringen. Die große Anteilnahme ist auch Jahre später noch spürbar. &bdquo;Die Paderborner sind näher aufeinander zugegangen", stellt Ayhan Demir, Vorsitzender des Paderborner Integrationsrats, fünf Jahre nach der Tat fest. Nach einer großen Trauerfeier an der Paderborner Moschee wird Kardelens Leichnam im Beisein ihrer Eltern in die Türkei überführt. Auf dem Heimatfriedhof der Eltern in Ordu am Schwarzen Meer wird Kardelen beerdigt. In Absprache mit den Eltern stellt die Stadt am Westfriedhof einen Gedenkstein für Kardelen auf. Auch die Blumen und Kerzen, die vorm Rathaus sowie in der Fußgängerzone niedergelegt oder -gestellt wurden, werden dorthin gebracht.

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