"Ruhe vor dem Sturm": OWL-Kliniken melden wieder mehr freie Intensivbetten

Bielefeld. Auf den ersten Blick ist diese Nachricht ein Grund zur Freude: Die Kliniken in Ostwestfalen-Lippe melden einen Rückgang der Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Besteht die Chance, verschobene Operationen nachzuholen, weil endlich die Kapazitäten da sind? Wir erklären, warum die aktuelle Lage nur mit Vorsicht zu genießen ist und wieso ein Arzt sogar von der "Ruhe vor dem Sturm" spricht. Laut Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) werden derzeit 89 Menschen in OWL intensivmedizinisch behandelt. Wichtig zu wissen: Die Statistik nennt die Anzahl der Intensivpatienten, die sich mit Covid-19 infiziert haben, egal ob sie wegen ihrer Symptome dort behandelt werden oder aus anderen Gründen. So oder so: Es ist ein Rückgang. Dass hier trotzdem nicht von einer verschwindend geringen Zahl gesprochen werden kann, wird spätestens klar, wenn man sich deutlich macht, dass in OWL etwa 13 Prozent aller Intensivpatienten aus dem Land NRW behandelt werden. Und auch dann, wenn klar wird, dass gut 66 Prozent der in OWL behandelten Covid-Patienten beatmet werden müssen. "Wir können nicht von einer Erholung sprechen. Die Lage ist weiterhin sehr ernst", erklärt Christian Busse, Sprecher der Mühlenkreiskliniken. Rückgang auf Normalstationen wegen der Feiertage In den Mühlenkreiskliniken behandele man aktuell 25 Corona-Kranke, erklärt Busse. Davon liegen elf Personen auf der Intensivstation und sieben würden beatmet. "Es ist richtig, dass wir nicht mehr ganz so viele Intensivpatienten haben, wie vor einigen Wochen, als es noch um die 15 bis 16 waren. Allerdings ist die Anzahl der Patienten, die beatmet werden müssen, erschreckend hoch." Der Sprecher erklärt, dass der Rückgang auf den Normalstationen etwas mit den Feiertagen zu tun habe. "Natürlich entlassen wir vor Weihnachten jeden, bei dem ein Aufenthalt nicht mehr zwingend notwendig ist. Zum Wohl der Patienten und zur Erleichterung des Personals." Insgesamt könne man sagen, dass die Zahl der Covid-Patienten auf der normalen Station gesunken ist, die der Kranken mit schweren Verläufen allerdings gleichbleibend hoch ist. Bielefeld profitiert von Impfquote Auch in den Bielefelder Krankenhäusern sind mehr Intensivbetten frei. "Die Zahlen sind leicht zurückgegangen, aber weiterhin keinesfalls niedrig", berichtet Hans Werner Kottkamp, Chefarzt der Zentralen Notaufnahmen des Evangelischen Klinikums Bethel. Auch er bestätigt dies im Hinblick auf die Normalstationen als Folge großzügigerer Entlassungen zu den Feiertagen. Hinsichtlich der leicht rückläufigen Intensivbettenbelegung vermute er auch, dass die hohe Impfquote in Bielefeld möglicherweise Früchte trage und das Infektionsgeschehen positiv beeinflusse. Bestätigen könnte diese Annahme, dass auch das Klinikum Bielefeld im Vergleich zur Situation vor zwei Wochen ebenfalls eine leichte Tendenz zum Rückgang der Belegung der Intensivstation verzeichnet. Das St. Vincenz Hospital in Paderborn betreut derzeit vier Covid-Patienten auf der Intensivstation. Das berichtet Sprecherin Charlotte Hoppe. Auf der Isolationsstation seien es 17 Patienten - ein minimaler Rückgang. Anders ist die Situation im Kreis Gütersloh. Die Zahl der Covid-19-Patienten auf der Intensivstation war in den letzten zwei Wochen in etwa gleichbleibend, sagt Sprecherin Ann-Katrin Johannsmann vom Klinikum Gütersloh. "Ein Rückgang ist daher nicht zu verzeichnen." Omikron rückt näher: So bereiten sich die Kliniken vor Dass die Freude über einen leichten Rückgang in Teilen der Region von kurzer Dauer sein könnte, befürchtet etwa der Bielefelder Mediziner Kottkamp. "Die fünfte Welle könnte uns schon in der ersten Januar-Woche sehr hart treffen. Das, was wir hier zwischen den Feiertagen sehen, könnte die Ruhe vor dem Sturm sein." Er bezieht sich auf die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante in der Region. Das EvKB habe sich auf die Situation aber vorbereitet. "Wir haben Notfallpläne entwickelt und unsere Testkonzepte aufgestockt", erklärt Kottkamp. Auch in anderen Kliniken hat man sich auf mögliche Szenarien vorbereitet. Besonders die Erweiterung der Teststrategie sowie das Tragen von FFP2-Masken sind gängige Vorsorgemaßnahmen der Krankenhäuser. In den Mühlenkreiskliniken müsse sich aktuell jeder Mitarbeiter zwei PCR-Tests in der Woche unterziehen, unabhängig vom Impfstatus. "Wir wollen die Anzahl der Testungen eventuell sogar noch erhöhen", erklärt Sprecher Busse. Im Klinikum Gütersloh bereite man das Personal bereits auf herbe Einschränkungen auch im Privatleben vor. "Alle Beschäftigten sind dafür sensibilisiert worden, ihre beruflichen und privaten Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren", erklärt Sprecherin Johannsmann. Wie die Entwicklung Operationen beeinflusst Und was bedeuten die Entwicklungen im Januar für Operationen? Ob der aktuelle Rückgang der Bettenbelegung dafür sorgen könnte, dass verschobene OP zeitnah stattfinden können, sei aktuell nur schwer einschätzbar, sagt Mediziner Kottkamp. "Wir haben durch die Feiertage ein schiefes Bild. Die Infektionszahlen sind nicht aktuell, da könnten im schlimmsten Fall im Laufe der nächsten Tage wieder einige Patienten nachrücken." Im EvKB, das sei wichtig zu betonen, sei derzeit kein derartiger Engpass vorhanden, dass wichtige Operationen verschoben oder Notfälle nicht behandelt werden könnten. Dramatischer sieht die Lage im Klinikum Gütersloh aus. "Planbare und nicht dringend notwendige Operationen werden um etwa ein Viertel reduziert, um die Ressourcen auf der Intensivstation und allen anderen Stationen des Krankenhauses zu schonen", erklärt Sprecherin Johannsmann im Hinblick auf die mögliche Omikron-Welle.

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