Pflegekammer NRW: Mitglieder müssen vorerst doch keine Beiträge zahlen

Düsseldorf. In NRW sorgen neue Diskussionen um die Errichtung einer Pflegekammer für Unruhe. Auslöser war ein kurzfristig von CDU und FDP eingereichter Änderungsantrag zum Haushaltgesetz. Der räumt der Pflegekammer nun die Möglichkeit ein, selbst zu entscheiden, bis zum 31. Juli 2027 keine Mitgliedsbeiträge zu erheben. Zugleich soll die Kammer nicht wie geplant Ende März an den Start gehen, sondern erst Ende Dezember. Die SPD-Fraktion wertet das als einen Schritt, der die Errichtung einer Pflegekammer in NRW "de facto auf Eis" lege. Das weist die CDU-Fraktion hingegen scharf zurück. Was gilt nun? Die Kammer ist, wie mehrfach berichtet, als Interessenvertretung für die rund 220.000 Pflegekräfte im Land gedacht. Ihr Aufbau wurde Mitte 2020 per Gesetz auf den Weg gebracht. Zuletzt wuchs im Land die Kritik. Pflegende glauben nicht, dass die Kammer etwas an den Arbeitsbedingungen in der Pflege verändern können wird. Vor allem kritisieren sie den Mitgliedsbeitrag, zu dem die Pflegenden verpflichtet werden sollen. Die Fraktionen von CDU und FDP reagieren nun auf den wachsenden Protest. "Wir nehmen den Pflegekräften die Mitgliedsbeiträge ab", so CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen. Laut FDP-Fraktionschef Christof Rasche sind viele Fragen zur Kammer offen; dem trage man nun Rechnung. Konkret ändern sich nun zwei Dinge: Die Kammer wird nicht - wie vorgesehen - bis Ende März 2022 errichtet, sondern sie hat dafür Zeit bis Ende Dezember. Und: Die Kammer kann selbst entscheiden, vorerst keine Mitgliedsbeiträge zu erheben – bis zum 31. Juli 2027. Eigentlich wären die erstmals ab September 2022 fällig gewesen. Als Ausgleich will das Land pro Jahr eine Anschubfinanzierung von rund sechs Millionen Euro auf den Weg bringen. Bislang erst 60.000 Registrierungen CDU und FDP begründen diesen Schritt damit, dass in den vergangenen Monaten aufgrund der Corona-Pandemie nicht ausreichend über die Pflegekammer informiert werden konnte. Man müsse aber größtmögliche Transparenz herstellen und die Betroffenen über Struktur, Arbeitsweise und Vorteile aufklären, so der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Peter Preuß. Seit einigen Monaten sollen sich die Pflegekräfte registrieren. Von rund 220.000 haben das bislang rund 60.000 getan. Auch das führt die CDU vor allem auf die Corona-Pandemie und damit verbundene zusätzliche Belastung durch die Versorgung der Covid-Patienten zurück. Das sei bei der Gesetzeseinbringung Mitte 2020 nicht absehbar gewesen, so Preuß. Die Fristverlängerung um acht Monate bis zur Konstituierung der Kammer sei deshalb folgerichtig und fair. Zudem reagiere NRW damit auf Bewegung im Bund. "Die SPD im Bundestag sieht im Gegensatz zu den Sozialdemokraten im Düsseldorfer Landtag schon länger die Notwendigkeit einer Selbstverwaltung der Pflege und will diese auf den Weg bringen", so Preuß. Die SPD in NRW hatte sich bereits zuvor gegen eine Kammer ausgesprochen und wertet den aktuellen Schritt von CDU und FDP als Erfolg. Eine Pflegekammer, die keine Beiträge ihrer Mitglieder erhebe, sondern durch Steuermittel finanziert werde, sei keine Pflegekammer. Mit diesem Vorgehen knicke die schwarz-gelbe Landesregierung ein und setze "quasi ein Moratorium für die Pflegekammer um", so der gesundheitspolitische Sprecher Josef Neumann. Ampel plant bundesweite Befragung Das habe die SPD bereits seit Monaten gefordert. Neumann: "Tausende von Beschäftigten in der Pflege haben uns immer wieder ermutigt, vehement gegen eine Pflegekammer einzutreten, die ihnen gegen ihren Willen übergestülpt wird." Die CDU wiederum weist den Vorwurf des "Zurückruderns" zurück. NRW gehe voran und schaffe mit der Registrierung die Voraussetzung für die bundesweite Befragung, welche die Ampelkoalition in Berlin plane, so Preuß. Bis dahin könnten die Pflegerinnen und Pfleger in NRW die Vorteile ihrer Kammer in der Praxis erleben, ohne dafür Mitgliedsbeiträge zahlen zu müssen. "Die Pflegekammer ist bereits eingerichtet; das entsprechende Gesetz wurde ja schon und mit breiter Mehrheit des Landtags verabschiedet – soweit zur rechtlichen Realität", stellt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf Nachfrage von nw.de klar. Er halte den Entschluss für richtig, so Laumann, der Kammer etwas mehr Zeit für die Registrierung der Mitglieder einzuräumen, um die Wahl des ersten Kammervorstands auf eine breite demokratische Grundlage zu stellen. Kritiker der Pflegekammer hatten moniert, dass Ende 2018 lediglich 1.500 Pflegende nach ihrer Meinung befragt worden waren. 79 Prozent waren für eine Kammer. Kritiker fordern jedoch eine Vollbefragung. Was eine solche Befragung im Bund ergeben wird – und was deren Ergebnis für NRW bedeuten würde, bleibt also vorerst abzuwarten. Pflegebündnis bleibt weiter kritisch Sandra Postel, Vorsitzende des Errichtungsausschusses, sagt: "Der Errichtungsausschuss begrüßt die Entscheidung für eine Verschiebung der Kammerwahl. Wir haben im Vorfeld mit allen Fraktionen gesprochen und auf das Dilemma des Zeitplanes hingewiesen, auch wenn uns eine konsequente Umsetzung gesetzlicher Vorgaben sehr wichtig ist." Für die Erstellung der Wahllisten und Kandidaturen gebe es jetzt einen angemessenen Zeitrahmen. Die Verlängerung der Anschubfinanzierung unterstütze die Phase der konstruktiven Aufbauarbeit, so Postel. "Auf dieser Basis kann die unabhängige Arbeit der selbstverwalteten Pflegekammer NRW gut starten." Ulrich Sigrist, Krankenpfleger aus Bielefeld und Mitglied des Pflegebündnisses OWL, zeigt sich weiter unzufrieden. "Aus unserer Sicht ist es ein Wahlkampfgeschenk der Landesregierung um die Kammergegner zu beruhigen." Das werde aber nicht gelingen, da man den Protestnicht auf Mitgliedsbeiträge reduzieren lasse. "Wir sagen damit auch Nein zur Steuergeldverschwendung durch die fortbestehende Finanzierung des Landes NRW, Nein zur Pflegekammer und fordern weiterhin eine Urabstimmung der Pflegekräfte über die Pflegekammer", so Sigrist.

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