"Vertritt nicht meine Interessen": Kritik an Pflegekammer NRW wächst

Düsseldorf. In NRW wird in knapp einem Jahr eine Pflegekammer an den Start gehen. Sie wird die größte in ganz Deutschland sein, mit dem Ziel, die Anliegen der mehr als 200.000 Pflegefachpersonen in NRW zu vertreten und ihnen in Verhandlungen mehr Nachdruck zu verleihen. Eigentlich müsste das im Sinne der Pflegekräfte sein, doch es formiert sich Widerstand im Land. Krankenpfleger Ulrich Sigrist sieht die Errichtung der Kammer kritisch. Im Pflegebündnis OWL organisiert er gemeinsam mit rund 15 weiteren Pflegenden Protest. &bdquo;Ich habe allein in den vergangenen Tagen mit 20 Pflegekräften gesprochen. Sie alle sind mehr als skeptisch", sagt Sigrist. Ein Kritikpunkt: die Mitgliedspflicht. Jede Pflegefachkraft muss der Kammer beitreten. In Gesprächen höre er oft, dass die Pflegenden der Kammer &bdquo;wenn überhaupt" nur freiwillig beitreten würden, so Sigrist. &bdquo;Sie wollen nicht dazu gezwungen werden." Auch die Mitgliedsbeiträge von rund 120 bis 180 Euro pro Jahr sähen viele kritisch. Sigrist befürchtet zudem, dass die Kammer als eine Art Kontrollorgan agieren wird, da dort zum Beispiel Vorfälle im Berufsalltag der Pflegekräfte gemeldet werden könnten. "Es wurden zu wenige Menschen befragt" Das NRW-Gesundheitsministerium hatte Ende 2018 1.500 Pflegerinnen und Pfleger nach ihrer Meinung gefragt. 79 Prozent waren der Auffassung, dass eine Pflegekammer gegründet werden sollte. &bdquo;Es wurden viel zu wenige Menschen befragt", findet Monika Sonnenberg vom Pflegebündnis Münsterland. Nur eine Vollbefragung aller Pflegenden könne ein exaktes Meinungsbild ergeben, so Sonnenberg. Die Basis wisse derzeit noch viel zu wenig, was sie in der Kammer erwarte. Anja Kuczera vom Pflegebündnis Ruhrgebiet glaubt, dass die Pflegekammer keinen Einfluss auf die Interessen der Pflegekräfte haben wird. &bdquo;Ich habe nicht das Gefühl, dass sie eine Vereinigung ist, die für mich da ist." Der sich formierende Widerstand in NRW ist bundesweit keineswegs einmalig. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden die Pflegekammern nach einiger Zeit wieder aufgelöst. Kuczera hatte die Entwicklung in Schleswig-Holstein aus erster Reihe mit verfolgt und sich in einem Bündnis für die Auflösung eingesetzt. Dessen Forderung nach einer Vollbefragung war die Politik gefolgt, mit dem Ergebnis, dass 70 Prozent der Pflegenden an der Befragung teilnahmen – und 91 Prozent gegen die Kammer stimmten. Die Mitglieder der Pflegebündnisse in NRW, die sich dort lose verbinden, glauben allesamt, dass die Kammer keinen Einfluss auf die Interessen der Branche haben wird, wie höheres Gehalt und mehr Personal. &bdquo;Nur die Gewerkschaft kann unsere Arbeitsbedingungen wirklich verbessern, dort müssen wir uns organisieren", so Sigrist vom Pflegebündnis OWL. "Werden Anliegen der Mitglieder ernstnehmen" Diese Sorgen weist Ludger Risse zurück. &bdquo;Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Kammer der einzige Weg ist, um wirklich etwas zu verändern", sagt der stellvertretende Vorsitzende des Errichtungsausschusses. Sämtliche Berufsverbände innerhalb der Pflege hätten sich für die Errichtung ausgesprochen. &bdquo;Einige kämpfen seit mehr als 20 Jahren dafür", so Risse. Natürlich sei es das Ziel der Kammer, Rahmenbedingungen wie Gehalt und Personal zu verändern. Sandra Postel ist Vorsitzende des Errichtungsausschusses. Ihr sei wichtig, dass die Kammermitglieder regelmäßig befragt und gehört werden. &bdquo;Wir führen schon jetzt alle fünf Wochen einen Kammerdialog durch, um die Anliegen der Mitglieder ernst zu nehmen", so Postel. Der Vorstand sei nicht gegen eine Vollbefragung; sie habe zur jetzigen Zeit aber keinen Sinn. &bdquo;Wir sind aktuell dabei, ein Pflegeregister aufzubauen und haben schon jetzt rund 120.000 Rückmeldungen bekommen." Postel ist überzeugt: &bdquo;Wenn wir selber gestalten dürfen, ist das unsere einzige Chance, die pflegerische Versorgung zu regeln und zu verbessern." Es sei wichtig, der Kammer Zeit zu geben, um Veränderungen anschieben zu können. Monika Sonnenberg vom Pflegebündnis Münsterland sieht das skeptisch: &bdquo;Ausgerechnet im obersten Gremium der Selbstverwaltung, dem Gemeinsamen Bundesausschuss, hat die Kammer kein Stimmrecht."

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