Staatssekretär im Interview Enak Ferlemann zur ICE-Trasse: "Am 14. Januar will die Bahn den Bürgerdialog starten"

Herr Ferlemann, der Bund hat die Deutsche Bahn mit der Planung einer neuen Bahntrasse zwischen Bielefeld und Hannover beauftragt. Warum?Enak Ferlemann: Wir haben im Verkehrswegeplan festgestellt, dass wir eine größere Kapazität auf dieser Strecke brauchen. Aber wir haben teilweise nur zwei Gleise. Die reichen nicht aus. Die Alternativstrecke durch das Weserbergland haben wir verworfen. Die Planungen beginnen jetzt, weil wir uns ausbedungen haben, die Rahmendaten des Deutschlandtakts abzuwarten. Spitzengeschwindigkeiten von 300 km/h sind machbar und wirtschaftlich. Das Bauprojekt hat in Ostwestfalen-Lippe eine kontroverse Debatte ausgelöst. Können Sie die Ängste verstehen?Ja, natürlich. Jeder Aus- und Neubau erzeugt Betroffenheit, Grundstücke müssen zur Verfügung gestellt werden. Damit muss man offen und fair umgehen. Konkrete Themen der Debatte sind Sorgen vor Eingriffen in die Natur, Lärmemissionen und Konflikten zwischen Bahnverkehr und Siedlungsräumen. Wie kann hier ein Ausgleich erfolgen?Das ist Bestandteil der Planung. Man muss verschiedene Varianten prüfen, zum Beispiel den Einfluss auf die Umweltbedingungen und die Machbarkeit vor Ort wie Städtebau und Wasserwirtschaft. Wenn man das Problem nicht lösen kann, muss man eben mit Tunneln arbeiten. "Es wird immer Betroffene geben" Kritiker der Neubaupläne fordern eher die Ertüchtigung der jetzigen Trasse. Wäre dies aus Ihrer Sicht eine mögliche Alternative?Dann werden wir nicht schnell genug fahren können, denn auf der Alttrasse gibt es Auflagen, die das unmöglich machen. Aber eine trassennahe Variante ist Bestandteil des Untersuchungskorridors. Man wird schauen, wo der größtmögliche Konsens machbar ist. Aber es wird immer Betroffene geben. Die Menschen hier in OWL fordern eine Bürgerbeteiligung zu dem Projekt. Wann wird diese beginnen und wie wird sie konkret aussehen?Es ist vorgesehen, die Bürger sehr intensiv zu beteiligen und zwar gleich am Beginn der Planung. Am 14. Januar 2021 will die Bahn den Bürgerdialog starten, er wird zunächst digital sein. Beteiligte sind zum Beispiel Kommunen, Bürgerinitiativen und Umweltverbände. Es wird auch Infomärkte geben, wo man alle Planungen sehen kann, und auf denen Mitarbeiter der Bahn Auskunft geben. Dort werden auch eisenbahntechnische Vorgaben erläutert. Wir haben damit positive Erfahrungen gemacht, aber das ist auch anstrengend. Es wird ein Bauprojekt kommen, die Frage ist nur wie. "Die Fahrgastzahlen im Nah- und Fernverkehr sollen verdoppelt werden" Auf Unverständnis stößt die Tatsache, dass bei diesem Planungsvorhaben zuerst der Fahrplan, der Deutschlandtakt, da war und nun die Trassen danach konzipiert werden. Warum ist dies so?Ja, bisher war es so, dass man auf das vorgegebene Netz einen Fahrplan geplant hat. Das war ein Webfehler. Wir haben das vom Kopf auf die Füße gestellt und nach dem ermittelten Bedarf einen Fahrplan für 2030 erstellt. Wir erwarten aufgrund von empirischen Daten, dass Menschen bei einer Fahrzeit von vier Stunden zwischen Bonn und Berlin vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen. Das wollen wir. Die Fahrgastzahlen im Nah- und Fernverkehr sollen verdoppelt werden. Einige Bundestagsabgeordnete kritisieren, dass der Deutschlandtakt noch nicht im Bundestag behandelt worden ist. Soll dies noch erfolgen?Alle Abgeordneten kennen den Deutschlandtakt, er ist eine Fachplanung. Das ist ein theoretischer Plan, an dem wir uns orientieren. Es geht darum, die Takte verlässlicher zu fahren. Sonst schaffen wir es nicht, dass die Leute vom Auto auf die Schiene umsteigen. Bei der Planung für diese Strecke als eine der wenigen nach dem Planungsbeschleunigungsgesetz mündet es am Ende in ein Gesetz, das dem Deutschen Bundestag vorgelegt wird, und die Abgeordneten beschließen. "In jedem Fall bleibt Minden sehr gut angebunden" Zudem gibt es die Forderung aus der Region nach einem neuen Regel-Halt für den ICE in Minden. Sehen Sie dafür eine Chance?Ich kenne den Wunsch der Stadt Minden. Das muss man sehen, ob dies im Planungslauf möglich ist. Aber auch die Niederländer wollen die Strecke Amsterdam-Berlin beschleunigen. Da kann es noch Möglichkeiten geben. Das schließe ich nicht aus. In jedem Fall bleibt Minden sehr gut angebunden. Kritiker bezeichnen das Neubauprojekt als Milliardengrab. Was sagen Sie dazu?Das wird bei jeder Strecke in Deutschland gesagt. Wenn wir in Deutschland ökologisch reisen wollen, dann ist das Mittel der Zeit die Bahn. Ich nehme meine Aufgabe als Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr mit Leidenschaft wahr. Aber wenn man den Ausbau des Systems Bahn will, dann muss man auch Milliarden in die Hand nehmen. Es gibt nach internen Informationen fünf Trassenvarianten, die in die engere Wahl der Planer bei der DB kommen. Gibt es hier schon Präferenzen, welche davon am ehesten sinnvoll wäre?Nein, wenn wir das täten, würden wir ja den ganzen Prozess ad absurdum führen. "So werden Kapazitäten auf allen Trassen frei" Könnte es auch noch eine sechste Variante geben?Ja, wenn das Dialogforum eine neue vorschlägt, könnte es eine zusätzliche Variante geben. Aus der Region kommen Stimmen, man solle mehr auf die Erschließung der kleineren und mittleren Städte per Bahn setzen und nicht so sehr auf die superschnelle Verbindung zwischen den Metropolen. Wo bleibt die Fläche im Deutschlandtakt?Beides ist wichtig. Wir brauchen die schnelle Verbindung zwischen den Metropolen in Deutschland und Europa und die Weiterentwicklung des Nahverkehrs. Das wollen wir beim Ausbau der Trassen beachten. So werden Kapazitäten auf alten Trassen frei. Übrigens: Aktuell laufen nur knapp 19 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene. Diesen Anteil wollen wir auf 25 Prozent hochfahren. Mein Ziel ist es, Deutschland zu einem Eisenbahnland zu machen. Wagen Sie eine Prognose: Wann wird die neue Bahntrasse Hannover-Bielefeld in Betrieb gehen können?Ich hoffe, dass wir 2030 im Bau sind.

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