Corona-Massenimpfung soll 2021 doch beim Hausarzt stattfinden

Bielefeld. Ganz NRW redet von den Impfzentren im Kampf gegen das Coronavirus. Dort soll in wenigen Wochen die große Massenimpfung beginnen. Doch tatsächlich soll nach den Plänen der Politik nur ein kleiner Teil der Bevölkerung in den Zentren geimpft werden. Das geht aus einem vertraulichen Papier des Gesundheitsministeriums hervor. Darin heißt es, dass man gemäß der Strategie des Bundes die ersten beiden Phasen in den Impfzentren bestreiten werde, danach aber die Impfungen &bdquo;in den Regelversorgungsstrukturen erfolgen". Gemeint sind hier vor allem Hausarztpraxen und Betriebsärzte. Erst in der dritten Phase wird der Großteil der knapp 18 Millionen Menschen in NRW gegen das Coronavirus geimpft werden. Inwiefern dann Impfzentren noch erforderlich seien, müsse man später prüfen, so das Ministerium. Wann genau diese dritte Phase mit der eigentlichen Massenimpfung beginnt, ist nicht genau benannt. In dem Papier ist von Mitte 2021 die Rede. Dies hängt von der Verfügbarkeit der Impfstoffe ab. In einer ersten Phase ab Mitte Dezember sollen zunächst Risikogruppen und Pflegebedürftige sowie medizinisches Personal in Krankenhäusern und Pflegekräfte in Heimen geimpft werden. Ab März 2021 dann in Phase zwei auch Beschäftigte der kritischen Infrastruktur sowie ambulantes medizinisches Personal und ambulante Pflegekräfte. So viele Impfungen sind in der ersten Welle vorgesehen Das Ministerium unter Minister Karl-Josef Laumann (CDU) geht davon aus, dass allein in der ersten Welle rund 900.000 Menschen geimpft würden, darunter 150.000 Mitarbeiter der Krankenhäuser. Vulnerable Gruppen sollen vor Ort in den Heimen oder Wohnungen geimpft werden. In den 53 landesweiten Impfzentren, die gerade geplant werden, wird der größte Ansturm in Phase zwei erwartet. Die Größe der Zentren, so heißt es in dem Papier, solle sich an der Bevölkerungszahl eines Kreises bzw. einer Stadt orientieren. In der Startphase sollen dort monatlich 10.000 Impfungen je 100.000 Einwohner möglich sein. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hatte zuletzt vorgeschlagen, generell in den Praxen zu impfen. Das beschleunige den Prozess. Er rechnete in einem Interview vor: &bdquo;Wir haben in Deutschland 110.000 Praxen. Wenn die Hälfte davon jeden Tag 10 Menschen impft, sind das pro Tag rund 500.000 Impfungen. Wir könnten 20 bis 30 Millionen Menschen in ein bis zwei Monaten durchimpfen." Für die Phase der Impfzentren stellt sich derweil die Frage, ob genügend Ärzte zur Verfügung stehen werden. Hier wird auf die niedergelassenen Mediziner gesetzt. Doch die betreiben selbst Praxen und können diese nicht für Wochen schließen. Die Politik kündigt Entlohnungen für Impfhelfer und Regelungen für Praxisärzte an, doch konkret geklärt ist noch nicht viel. Auf der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung diskutierten die Mediziner jetzt darüber. Die Entschädigungen, fürchten manche, reichen nicht, um die Umsatzausfälle in den Praxen zu decken. Selbst, wenn in Gemeinschaftspraxen ein Arzt im Impfzentrum arbeitet und der andere die Praxis führt. Aus Hamburg ist zu hören, dass Impfärzte für 80 Euro die Stunde arbeiten sollen. Alternativ könnten Praxisärzte erst nach Sprechstundenschluss und am Wochenende impfen. Rund 550 Ärzte haben sich in NRW bislang freiwillig gemeldet, viele davon sind aber Pensionäre. Brauchen wir wirklich Impfzentren? Mediziner rechnen vor, dass zeitgleich mindestens drei Ärzte in den Zentren gebraucht werden – selbst wenn alle Formalien von Helfern erledigt würden. Der erste Arzt führt die Aufklärungsgespräche, der zweite impft, der dritte betreut die Nachsorge, wenn Patienten Komplikationen durch Nebenwirkungen erleiden. Bleibt die Frage, ob die Impfzentren unbedingt notwendig sind für die ersten Phasen. Warum nicht gleich über die Praxen impfen? Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf die "besonderen Anforderungen an Transport und Lagerung bei bestimmten Impfstoffen" sowie auf die Notwendigkeit einer Priorisierung bei begrenzten Kontingenten. Sprich: wer bekommt eine frühe Impfung, wer nicht? Dies lasse sich über Impfzentren besser steuern. Sobald es die Rahmenbedingungen erlaubten, "wird angestrebt, die Impfstoffverteilung in das Regelversorgungssystem übergehen zu lassen". Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte jüngst auf einer Pressekonferenz anklingen lassen, dass er die Impfung in Arztpraxen "Zug um Zug" für denkbar halte, wenn Impfstoffe zur Verfügung stünden, die nicht bei -70 Grad Celsius gelagert werden müssten wie der von Biontech.

Meistgelesen