Studie zu Gewaltkriminalität

Wovor Männer und Frauen in NRW am meisten Angst haben

Nur selten korreliert das Sicherheitsempfinden mit der tatsächlichen Gefahr. Viele Bürger fühlen sich unsicher, auch wenn Verbrechenszahlen sinken. Die Ausnahme: Gewalt gegen Frauen - und ihre Angst davor.

Vor allem Nächte machen Frauen Sorgen - und Bus- oder Bahnfahrten. | © Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland.

Lothar Schmalen
02.11.2020 | 02.11.2020, 20:32

Düsseldorf. Das subjektive Sicherheitsgefühl entspricht nur selten der objektiven Kriminalitätsstatistik. Während die Zahl der Straftaten beispielsweise in NRW so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr ist, fühlen sich viele Bürger dennoch vor allem außerhalb der eigenen vier Wände nicht besonders sicher. Das zeigt eine neue Dunkelfeldstudie zum Sicherheitsgefühl und Gewaltkriminalität des NRW-Landeskriminalamtes.

Wo fühlen die Bürger sich am unsichersten?

Der Unterschied im Sicherheitsgefühl tagsüber und in der nacht ist gravierend, besonders im öffentlichen Raum und im öffentlichen Nahverkehr. Während sich tagsüber nur 14,7 Prozent im öffentlichen Raum und nur 17,4 Prozent der in der Studie Befragten unsicher fühlen, ergibt sich für nachts ein ganz anderes Bild: 60,4 Prozent fühlen sich im öffentlichen Raum eher oder sogar stark unsicher, im ÖPNV sind es 57,7 Prozent. Noch alarmierender die Werte bei den Frauen. Im öffentlichen Raum fühlen sich 72,5 Prozent und im ÖPNV 69,8 Prozent aller weiblichen Befragten fühlen sich unsicher.

Wovor haben die Bürger am meisten Angst?

Beunruhigt sind die Bürger am ehesten über mögliche Einbrüchen in die eigene Wohnung (28,9 Prozent ziemlich oder sehr stark beunruhigt), über Internetkriminalität (27,8 Prozent) und über Sachbeschädigung. Auf den nächsten Plätzen rangiert Raub (21,1) und Diebstahl (19,4). Bemerkenswert also, dass die Angst vor Eigentumskriminalität größer ist als die vor Gewaltkriminalität.

Wie groß ist die Angst von Frauen vor Vergewaltigung?

Anders stelle sich die Lange dar, wenn man den weiblichen teil der Bevölkerung betrachtet. Mehr als ein Viertel aller Frauen (25,6 Prozent) sind ziemlich oder sehr stark beunruhigt darüber, Opfer einer sexuellen Belästigung, kaum weniger (23,4 Prozent) Opfer einer Vergewaltigung zu werden – und das gilt für Frauen jeden Alters gleichermaßen, wie die Studie ergab. Zwar werden auch Männer Opfer von sexueller Belästigung oder Vergewaltigung, doch deren Beunruhigung ist deutlich geringer (Belästigung: 11,3, Vergewaltigung: 11,5 Prozent).

Wie oft kommt Gewalt in Partnerschaften vor?

Frauen werden auch deutlich öfter Opfer von Gewalt in der Partnerschaft. Ob Beleidigung, Bedrohung, Nötigung, Körperverletzung oder Vergewaltigung – immer sind Frauen deutlich öfter Opfer als Männer. So ist die Zahl der Frauen, die Opfer von Körperverletzung in der Partnerschaft werden, mit 13,9 Prozent doppelt so hoch wie bei Männern, bei der Vergewaltigung mit körperlicher Gewalt sogar mehr als zehn Mal so hoch (2,1 Prozent der befragten Frauen wurden schon einmal vergewaltigt, 0,2 Prozent der befragten Männer).

Wie oft werden Gewalttaten angezeigt?

Gewalttaten werden generell zu selten angezeigt. Bei allen Formen der Gewaltkriminalität kommen nicht einmal die Hälfte der Delikte zur Anzeige. Beim Raub sind es immerhin rund 45 Prozent, bei der Körperverletzung insgesamt etwa 25 Prozent, bei Delikten mit Waffe sind es bei Einzeltätern 39,3 Prozent und bei Gruppentaten 48,4 Prozent.

Wie oft wird sexuelle Gewalt angezeigt?

Lediglich 15,0 Prozent der Opfer bei Einzeltätern und 20,6 Prozent der Opfer bei Gruppentätern zeigen die Vergewaltigung an. Noch seltener wird bei sexueller Nötigung (7,4 Prozent) oder sexueller Belästigung/Beleidigung auf sexueller Grundlage (1,0) die Polizei eingeschaltet.

Warum kommt es so oft nicht zur Anzeige?

Nur 9,6 Prozent der Befragten gaben an, Anzeige nach einer Gewalttat (körperlich, sexuell, psychisch) erstattet zu haben. In 61,4 Prozent der Fälle begründeten sie dies damit, die Tat sei nicht schwerwiegend genug gewesen. Dahinter rangieren als Grund: „will meine Ruhe haben, die Tat vergessen" (27,7 Prozent), Aufklärung unwahrscheinlich (25,6), „meine Privatsache" (24,8), keine Beweise (24,7). Aber auch schlechte Erfahrungen mit der Polizei (8,3), Angst vor dem Täter (7,5) und Scham (5,3) tauchen als Grund auf.

Wer hat an der Befragung teilgenommen?

Für die Studie wurden 60.000 Bürger in insgesamt 81 NRW-Kommunen angeschrieben. Die Rückmeldung betrug 40 Prozent. Aus OWL waren dabei: Bad Driburg, Bad Lippspringe, Bad Salzuflen, Bielefeld, Dörentrup, Espelkamp, Herford, Kirchlengern, Langenberg, Paderborn, Rahden und Rietberg.