Vergewaltigungs-Opfer lassen Spuren in Gütersloh anonym sichern

Gütersloh. Mädchen und Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung geworden sind, haben häufig direkt nach der grausamen Tat nur einen schnellen Wunsch: Duschen. An eine Anzeige denken viele in dieser Situation nicht. Sie wollen nur das ekelige Gefühl von sich waschen und alles vergessen. Jetzt und sofort. Doch für eine mögliche Überführung des Täters könnten genau dadurch wichtige Spuren verloren gehen. Die zwei Ärztinnen Wencke Ruhwedel und Marlies Grollmann raten deshalb: Nicht waschen, nicht duschen, sondern direkt ins Krankenhaus fahren! Seit drei Jahren führen das Klinikum und das Sankt Elisabeth Hospital in Gütersloh anonyme Spurensicherungen durch. Rund um die Uhr sind Ärzte und speziell geschultes Personal in beiden Krankenhäusern in Bereitschaft - auch jetzt während der Corona-Pandemie. Polizei wird nicht informiert Anzeigenunabhängig können Vergewaltigungsopfer dort wichtige Spuren sichern lassen - ohne, dass die Polizei informiert wird. Für die Untersuchung ist kostenlos; lediglich die Krankenkassenkarte ist notwendig, das Krankenhaus darf aber auch der Krankenkasse keine Auskunft geben. Das Material und der Untersuchungsbericht wird mit einer Chiffre-Nummer versehen und zehn Jahre lang in der Gerichtsmedizin in Münster aufbewahrt. Ohne Zustimmung der Betroffenen, darf es nicht verwendet werden. Entscheidet sich das Mädchen oder die Frau innerhalb der zehn Jahre doch noch für eine Anzeige, können die gesammelten Spuren vor Gericht verwendet werden. Erstattet die Betroffene keine Anzeige, wird das Material nach Ablauf der Zeit vernichtet. "Auch Jahre nach der Tat können sie einen Täter noch identifizieren", sagt Wencke Ruhwedel, Chefärztin am Klinikum. 194 Fälle von sexualisierter Gewalt wurden im vergangenen Jahr bei der Polizei im Kreis Gütersloh angezeigt, 2018 waren es 216 Fälle. "Das war früher anders - ein wichtiger Erfolg" Vor einem Jahr hat das Kooperationsnetzwerk, zu dem unter anderem auch der Kreis Gütersloh, die Frauenberatungsstelle und die Polizei gehören - eine Kampagne gestartet: Bunte Postkarten, ein Radiospot und ein Kurzfilm, der unter anderem regelmäßig im Bambi-Kino gezeigt wird, sollen auf die Möglichkeit aufmachen. "Die Kampagne lohnt sich definitiv", sagt Ruhwedel, "wir merken, dass die Frauen, die zu uns kommen, direkt mit der Information kommen, dass wir diese anonyme Spurensicherung durchführen. Das war früher anders - ein enorm wichtiger Erfolg." Bis zu vier Fälle jährlich pro Krankenhaus Bis zu vier Fälle pro Krankenhaus gibt es laut den zwei Ärztinnen jährlich. Etwa zwei Stunden dauert eine Untersuchung. Gesichert wird alles, das den Tathergang beweisen kann: Unterwäsche, Körpersekrete, Kleidung, Fingernägel, Speichel, Schamhaare. "Die Schamhaare kämmen wir zum Beispiel aus oder schneiden sie ab, um eventuelle fremde DNA zu sichern", erklärt Ruhwedel. Natürlich seien solche Untersuchungen belastend - auch für die Ärzte selbst. Solche Fälle könne man nicht einfach abarbeiten."Die Frauen kommen in einem seelischen Ausnahmezustand. Die Tat ist ein Schock für sie", sagt Marlies Grollmann, Oberärztin am Sankt Elisabeth Hospital, "viele geben sich selbst die Schuld an dem, was ihnen passiert ist und schämen sich." Häufig sind Alkohol, Drogen und K. O.-Tropfen im Spiel Häufig seien Alkohol, Drogen oder K.O.-Tropfen im Spiel. Sie erinnert sich zum Beispiel an eine Frau, die von einem Passanten auf einer Parkbank gefunden und dann mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht wurde. Man müsse sich immer die ganze Geschichte der Frauen anhöre, um überhaupt gezielt Spuren zu sichern. "Wir müssen wissen, was genau passiert ist. Das zu hören, ist nicht einfach. Aber in diesen Situationen gilt es einfach, professionell zu bleiben und Abstand zu halten." Man dürfe sich kein Urteil bilden, sondern einen klaren Kopf behalten. Für eine weitere psychologische Betreuung stelle das Krankenhaus auf Wunsch Kontakt zu vertraulichen Beratungsstellen her - ebenso für die Unterstützung bei einer möglichen Anzeigenerstattung.

Meistgelesen