Wie sich ein Lehrer aus Syrien seinen Traum erfüllt, wieder zu unterrichten

Lemgo/Bielefeld. In fünf Tagen wird es ernst für die Klasse 5c der Realschule Lemgo. Nach den Sommerferien steht die erste Mathe-Klausur auf dem Programm. Lehrer Mustafa Braun bereitet seine Schüler mit Übungsaufgaben darauf vor und lebt damit einen Traum, auf den der 33-Jährige seit fünf Jahren hinarbeitet. &bdquo;Der Weg in das deutsche Schulsystem ist für einen Lehrer aus Syrien nicht einfach", sagt Braun. Doch mithilfe des Qualifizierungsprogramms &bdquo;Lehrkräfte Plus" der Universität Bielefeld, schafft er genau das. 2017 etabliert die Universität das erste Qualifizierungsprogramm für geflüchtete Lehrer in NRW. Seit dem bewerben sich jährlich Hunderte Lehrkräfte, die nach ihrer Flucht nach Deutschland wieder unterrichten möchten. 2018 erfährt auch Braun von dem Programm, bewirbt sich und erhält den Zuschlag. 24 Lehrer aus Syrien, Algerien, Aserbaidschan, dem Irak, Tunesien und der Türkei Braun ist einer von 24 Lehrern, die zuvor in Syrien, Algerien, Aserbaidschan, dem Irak, Tunesien und der Türkei unterrichtet haben. Viele von ihnen sind vor dem Krieg aus ihren Heimatländern geflohen, haben mitunter Jahre auf der Flucht verbracht, Familienangehörige verloren und sich trotzdem ihren Traum verwirklicht, wieder als Lehrer zu arbeiten. Vor seiner Flucht arbeitet Braun in der syrischen Hauptstadt Aleppo als Mathe-Lehrer an einem Gymnasium. Zudem studiert er Physik. &bdquo;Der Bürgerkrieg schränkte unser Leben immer mehr ein, bis ich nicht mehr studieren und unterrichten konnte", erklärt Braun. Zudem droht ihm der Einzug in den Militärdienst. &bdquo;Ich habe zwei Freunde verloren, die zum Militärdienst mussten, deshalb bin ich einen Monat vor dem Einzug geflohen." Mithilfe eines Busfahrers gelangt Braun in den Libanon. Europa ist noch nicht sein Ziel. &bdquo;Ich wollte mir in Beirut ein neues Leben aufbauen, doch ich konnte nur schwarz arbeiten und mir das Leben dort schlicht nicht leisten." Zu Fuß von Griechenland nach Deutschland Über seinen Cousin, der bereits seit Jahren in England lebt, erfährt Braun, dass Flüchtlinge in Europa Chancen auf Asyl haben. &bdquo;Deshalb bin ich vom Libanon in die Türkei gereist und von dort mit dem Boot nach Griechenland", sagt Braun. Doch auch in Griechenland kann er nur schwarz arbeiten und sich so kein neues Leben aufbauen. Deshalb bricht Braun erneut auf, zu Fuß: &bdquo;Ein Bekannter und ich sind dann von Griechenland über die Balkanroute bis nach Ungarn gegangen. Einen Monat waren wir unterwegs, oft tagelang ohne Essen." Nach dieser Tortur setzen sich Braun und sein Begleiter im Herbst 2014 in Budapest in einen Zug Richtung Deutschland. Über München, Trier und Dortmund landet Braun schließlich in einer Flüchtlingsunterkunft in OWL. &bdquo;Das Leben in den Unterkünften war chaotisch, wir konnten lange keine Deutschkurse besuchen. Ich war deshalb anfangs sehr frustriert." Doch nach dem positiven Asylbescheid ändert sich das Leben von Braun. &bdquo;Ich habe Deutsch gelernt, Freunde gefunden und im vergangenen Jahr geheiratet. Deutschland ist meine neue Heimat." Nach fünf Jahren steht Mustafa Braun wieder vor einer Klasse 2018 folgt die Zusage für das Qualifizierungsprogramm und Braun steht endlich wieder vor einer Klasse. &bdquo;Ich bin sehr glücklich, dass ich mein Ziel erreichen konnte und wieder als Lehrer arbeite", sagt er. Doch das einjährige Programm verlangt den Teilnehmern viel ab, denn es umfasst nicht nur Sprachkurse, sondern auch fachliche, didaktische und pädagogische Weiterbildung sowie die Hospitanz in einer Schule. &bdquo;Das vergangene Jahr war eine große Herausforderung." Größte Herausforderung ist das Erreichen des notwendigen Sprachniveaus C1, eine Stufe unter dem Niveau der Muttersprache. &bdquo;Ich hatte zwar Erfahrungen im Unterrichten, aber Unterricht auf Deutsch ist sehr viel anspruchsvoller, weil immer mal wieder Sprachbarrieren aufkommen können", erklärt Braun. Ein weiteres Problem haben viele geflüchtete Lehrer, weil ihnen ein zweites Unterrichtsfach fehlt, das zwingend erforderlich ist, um in Deutschland als volle Lehrkraft eingesetzt zu werden. &bdquo;Ich habe in Syrien bereits vier Semester Physik studiert, konnte das Studium wegen des Krieges aber nicht fortsetzen", erklärt er. &bdquo;Deshalb muss ich jetzt einiges nachholen." Schulleiter: "Ein Vorbild für gelungene Integration" Doch der Einsatz lohnt sich, denn Braun unterrichtet seit dem Ende der Hospitanz in der Realschule Lemgo auch eigenverantwortlich. &bdquo;Mit Erfolg", bestätigt der Leiter der Realschule Lemgo, Norbert Fischer. &bdquo;Ich bin froh, dass Herr Braun Teil des Kollegiums ist. In den Unterrichtsbesuchen haben wir schnell gemerkt, dass er sein Fach Mathematik nicht nur fachlich kompetent umsetzt, sondern auch ein pädagogisches Gespür hat." Eine große Unterstützung leiste Braun auch in der Förderung geflüchteter Schüler, sagt Fischer. &bdquo;Herr Braun ist für Schüler auch ein Vorbild für gelungene Integration. Er zeigt ihnen, dass sie es auch schaffen können."

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