Nach Sturz des Diktators Assad: Deshalb möchte eine syrische Familie in Bielefeld bleiben

Bielefeld. Syrien, ihr Heimatland, ist frei. Den Kindern haben sie erst vor wenigen Tagen davon berichtet. Vom &bdquo;Diktator Bashar Al Assad“. Von dessen Sturz und Vertreibung aus Syrien. Von den Rebellen, die das Land befreiten. Und von dem berüchtigten Gefängnis Saidnaya in ihrer Heimatstadt Damaskus, das die Einheimischen nur &bdquo;das Schlachthaus“ nannten. Zuhour A. und ihr Mann Ali M. (d. Namen sind d. Red. bekannt) wollten ihre vier Kinder vor den grausamen Berichten schützen, die sie in den vergangenen Jahren aus der Heimat erreichten. Sie sollten in Deutschland ohne Angst aufwachsen können und in Bielefeld, wo die Familie ein Zuhause fand, eine Chance auf eine Zukunft bekommen. &bdquo;In Syrien gibt es ein Gefängnis, das richtig schlimm und schrecklich ist. Es heißt Saidnaya. Es ist für alle, die da sind, wie im Grab zu leben, also wenn man da rein kommt, wird man nie wieder da rauskommen ()“ Limar (zwölf Jahre). Ali ist der festen Überzeugung, dass sich in Syrien nun alles zum Guten wenden wird. Der heute 42-Jährige machte sich Ende 2014 auf den Weg, sein Land zu verlassen. Bis dahin arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität in Damaskus. &bdquo;Ich habe die Prüfungen der Studenten kontrolliert“, beschreibt er seine Tätigkeit, &bdquo;dann kam meine Einberufung zum Militär“. Mehr zu Thema: Lage in Syrien auch Tage nach Assads Sturz instabil Angst vor den Kontrollen des Militärs Ali hatte bisher weder eine Waffe in der Hand gehabt, noch konnte er sich vorstellen, auf einen Menschen zu schießen: &bdquo;Ich bin Pazifist, ich musste fliehen, andernfalls wäre ich inhaftiert worden, was meinen Tod bedeutet hätte.“ Mit finanzieller Unterstützung seiner Familie, die er zurücklassen musste, machte er sich mit dem Bus von Damaskus auf den Weg nach Aleppo, um von dort in die Türkei und weiter nach Deutschland zu gelangen. Die Angst bei den Kontrollen der Militärs, die entlang der Strecke immer wieder stattfanden, erwischt zu werden, fuhr mit. Schließlich erreichte er türkisches Staatsgebiet. Von hier aus begann seine Odyssee. &bdquo;Die syrischen Gefängnisse sind die gruseligsten, schrecklichsten und schlimmsten Gefängnisse, wo kein Mensch glauben kann, dass es sie gibt.“ Limar (12 Jahre). &bdquo;Ich versuchte, mit einem Flüchtlingsboot aus der Türkei heraus nach Griechenland zu kommen“, schildert Ali seine abenteuerliche Flucht, doch das Boot, in dem mehr als hundert Menschen und ein Baby saßen, lief voll Wasser und drohte, mitten auf dem Meer zu sinken. &bdquo;Im letzten Moment wurden wir von der türkischen Küstenwache gerettet, da habe ich gewusst, dass es einen Gott gibt“, sagt er. Ali M. versuchte, zu Fuß über die &bdquo;Grüne Grenze“ zu kommen: &bdquo;Von der Türkei aus ging ich nach Griechenland und von dort nach Mazedonien.“ Zwölf Tage schlief er im Wald. Lesen Sie auch: Umbruch in Syrien: Was bedeutet der Sturz Assads? Schlepper bezahlt und auf die Mitfahrt verzichtet Er vertraute sich Schleppern an, zahlte in Dollar und verweigerte dann doch die Mitfahrt auf der überfüllten Ladefläche eines Lkw. Zu groß war seine Angst darin zu ersticken. In Serbien wurde er gefasst und inhaftiert und kam schließlich wieder frei. In Ungarn legte man ihm Handschellen und einen Bauchgurt an, nachdem die Budapester Polizei ihn aufgegriffen hatte. Aus Protest verweigerte er die Nahrung, dann lies man ihn gehen. &bdquo;Die meisten, die da sind, wünschen sich den Tod. Unter Saidnaja gibt es geheime und versteckte Räume, wo sich Leute aufhalten, bei denen niemand bis jetzt weiß wo sie sind außer Bashar Al Assad und seine Mitarbeiter. “ Limar (12 Jahre). Am 25. Mai 2015 erreichte Ali M. Dortmund. Hier bekam er seinen Aufenthaltstitel. Man schickte ihn schließlich nach Bielefeld. Es dauerte zwei Jahre und drei Monate, bis er im Zuge der Familienzusammenführung seine Frau Zuhour, die in Syrien als Französischlehrerin arbeitete, mit den beiden Mädchen Limar und Alisar zu sich holen konnte. Die beiden Söhne Jad (5 Jahre) und Adam (2 Jahre) wurden in Deutschland geboren. In der Zwischenzeit hatte Ali Deutsch gelernt und die Sprachkurslevel B1 und B2 erreicht. Das Jobcenter finanzierte ihm einen Lkw-Führerschein und im Anschluss einen Busführerschein. Stolz erzählt er, dass er am 1. Januar 2025 eine Stelle als Linienbusfahrer beim Verkehrsbetrieb Stötzel begonnen hat. Zuhour lernte ebenfalls Deutsch. Neben der Betreuung der Kinder arbeitet sie momentan ehrenamtlich an einer Schule und unterrichtet Arabisch: &bdquo;Damit die Kinder ihre Muttersprache nicht vergessen.“ Sie wünscht sich mehr Berührungspunkte mit der deutschen Sprache: &bdquo;Seit dem Ende des Deutschkurses spreche ich nur noch wenig deutsch.“ Weiterlesen: Hoffen auf friedlichen Umbruchprozess in Syrien Verzweifelte Suche nach dem Bruder Die aktuelle Situation in Syrien erlebt die 41-Jährige mit gemischten Gefühlen. Die Freude über den Sturz des Diktators wird von der Sorge um ihren Bruder überschattet. Er sei 2013 im berüchtigten Foltergefängnis Saidnaja inhaftiert worden, erzählt Zuhour. Seit der Öffnung der Gefängnistore vor wenigen Tagen sucht die Familie verzweifelt nach ihm, in der Hoffnung, dass er noch lebt. &bdquo; Sehr viele wurden getötet, und dann wurden sie zusammen in ein Grab gebracht. Die anderen, als sie starben, wurden in einen Ofen gebracht, er wurde angemacht und ihr Körper wurde dann zu Puder. “ Limar (zwölf Jahre). Zuhour und Ali sprechen seit dem 8. Dezember 2024, als Assad aus Syrien floh, viel mit den größeren Kindern über die Geschehnisse. Limar ist mit 12 Jahren die älteste der vier Geschwister. Sie geht auf das Max-Planck-Gymnasium in Bielefeld. Sie liest viel über Syrien, möchte das Land, das sie im Alter von drei Jahren verlassen hat, unbedingt bald besuchen, sagt sie. Die Ereignisse in Syrien beschäftigen das zurückhaltende Mädchen. &bdquo;Meine Tochter hat eine Geschichte geschrieben, über das Gefängnis Saidnaya“, sagt Zuhour. Der Text ist eine Beschreibung der grausamen Zustände im Foltergefängnis Saidnaya. Es ist Limars Art, die unbeschreiblichen Geschehnisse im &bdquo;Schlachthaus von Damaskus“ zu verarbeiten. Zuhour und Ali möchten in Deutschland bleiben Zuhour und Ali sind dankbar, dass Deutschland ihnen eine Heimat gegeben hat, als sie ihre eigene verlassen mussten. &bdquo;Vielen Dank Deutschland, vielen Dank Mutter Merkel“, sagt Ali lächelnd. Er möchte mit seiner Familie in Deutschland bleiben. Auch wenn sich die Zustände in Syrien bald bessern werden, da ist der Familienvater zuversichtlich. Die aktuelle Diskussion in Deutschland über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge nimmt er fast demütig an: &bdquo;Wir möchten gerne hierbleiben. Aber wenn Deutschland es möchte, dann werden wir nach Syrien zurückgehen. Ich bitte dann nur um ein bisschen Zeit, bis Syrien wieder sicher ist.“

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