Europawahl

#WirwählenEuropa: Was Jugendliche von Europa wollen

Europawahl: Während die Briten streiten, formulieren Jugendliche aus ganz OWL beim Debattierfest im Bielefelder Lokschuppen ein leidenschaftliches Plädoyer für die EU.

Verschiedene Prioritäten: Schülerin Angelina sorgt sich um die Umwelt, Christian Kastrop (M.) und Elmar Brok um den Frieden. | © Dennis Angenendt

Miriam Scharlibbe
15.03.2019 | 23.06.2022, 09:12

Bielefeld. Spannender hätten es die Briten nicht machen können. In zweieinhalb Wochen – so der eigentliche Plan – will sich das Königreich aus der EU verabschieden. Aber sicher ist bisher nur, dass nichts sicher ist. Das erneute Nein zum ausgehandelten Brexit-Vertrag hat vieles durcheinander gebracht und ist damit natürlich eines der großen Themen beim Debattierfest dieser Zeitung, der Bertelsmann-Stiftung und des Radionetzwerks „euranet plus" am Abend. Während im britischen Unterhaus über die Frage eines ungeordneten Austritts gestritten wird, heißt es zeitgleich im Bielefelder Lokschuppen „Hauptsache Europa – jetzt erst recht!"

Die Zukunft gehört der Jugend. Dieser oft zitierte Satz fällt nicht nur auf der Bühne, er schwebt auch als unsichtbares Leitthema über dem Abend. Denn zumindest für einige Stunden wird die EU von Schülern aus OWL regiert. Auf einmal sind sie Regierungschefs, bilden zu fünft kleine EU-Parlamente, verabschieden Gesetze.

17-Jähriger Experte: Marlon Kegel träumt von einem grenzenlosen Europa. - © Dennis Angenendt
17-Jähriger Experte: Marlon Kegel träumt von einem grenzenlosen Europa. | © Dennis Angenendt

Als drei Schüler ihre Ergebnisse des Planspiels mit Politexperten diskutieren, wird deutlich: Steuerfragen und Finanzthemen interessieren die Schüler wenig. Und es fällt ein Satz, der die älteren Besucher bewegt: „Das Thema Frieden hat mich nicht so sehr beschäftigt, Krieg wird es immer geben, so lange es Meinungsunterschiede gibt."

Was die Schüler in ihrem Europa stattdessen durchsetzen würden: Ein Plastiktüten-Verbot, die Aufnahme von Flüchtlingen, mehr Geld für Erneuerbare Energien. Umweltfragen dominieren auch hier, zwei Tage vor dem Höhepunkt der Fridays-for-Future-Proteste die Gespräche der Erstwähler. Am Ende gewinnt das Team, das besonders solidarisch gehandelt hat.

„Europa ist super, aber wenn wir nicht weitergehen, wird der Kontinent zerbrechen."

Den größten Applaus des Abends gibt es dann für die Europa-Version eines Zwölftklässlers: Souverän skizziert Marlon Kegel, wie er sich einen gesamteuropäischen Staat vorstellt, denn: „Europa ist super, aber wenn wir nicht weitergehen, wird der Kontinent zerbrechen." Unterschiede sieht der 17-Jährige als Geschenk. Kegel: „Man kann doch Europäer sein und trotzdem eine nationale Identität haben."

Dafür gibt es nicht nur Lob von Vertretern der heimischen Wirtschaft und aktuellen Europakandidaten. Elmar Brok (CDU), dienstältestes Mitglied des EU-Parlaments, ist mit leichter Verspätung direkt aus Straßburg in die ostwestfälische Heimat gereist. Er selbst habe als Jugendlicher wegen Europa angefangen Politik zu machen. Bald wird er damit als Abgeordneter aufhören. Sein Rat an die Schüler: „Das Wichtigste ist, wählen zu gehen. Das Zweitwichtigste ist, pro-europäisch zu wählen."

Ferris Fechner (17) aus Bad Oeynhausen kann genau das kaum erwarten. „Ich hoffe, dass ich mit meiner Stimme für eine vernünftige Partei verhindern kann, dass so etwas wie mit dem Brexit noch einmal passiert."

Damit trifft er den Nerv von Brok: „In Großbritannien waren 70 Prozent der jungen Leute gegen den Brexit, aber nur 35 Prozent haben gewählt."

Oder wie es Christian Kastrop von der Bertelsmann-Stiftung formuliert: „Man kann vieles an Europa schlecht finden, aber auszusteigen ist die schlechteste Idee."

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Drei Reporter, 15 Tage, 15 Länder

Der Brexit, das Erstarken rechtspopulistischer Parteien und die wachsenden Konflikte auf der Welt geben der Europawahl 2019 neues Gewicht. Für viele Europäer steht die EU am Scheideweg.
Die Neue Westfälische nimmt Sie, liebe Leserinnen und Leser, schon zwei Wochen bevor die Europäer am 26. Mai wählen dürfen mit auf eine abenteuerliche Reise. Drei Reporter – Matthias Schwarzer, Joris Gräßlin und Tom Sundermann – berichten in 15 Tagen aus 15 Ländern. Jeden Tag werden sie europäische Geschichten erzählen – multimedial für alle Digitalkanäle und in der Zeitung. Start ist am 11. Mai in Dublin (Irland). Dann geht es über die Niederlande, Finnland, Estland, Polen, Frankreich, Malta, Italien, Griechenland, Österreich, Ungarn, Spanien und Portugal nach Belgien. Themen sind dabei die Digitalisierung, Flüchtlingspolitik oder Finanzkrisen, aber auch der Wandel von Infrastruktur und Fischereiquoten. Am Wahlwochenende selbst berichten die Reporter direkt aus Brüssel, um dann ihre Reise in Deutschland zu beschließen.