
Herr Kampeter, ein viertel Jahr Schwarz/Rot. Was sagt die Wirtschaft?
Steffen Kampeter: Eine Regierung zu haben, ist schon ein Wert an sich. Die Regierung Merz hat einen hohen Vertrauensvorschuss in der deutschen Wirtschaft. Jetzt muss sie allerdings liefern. Mit Ankündigungen kann man keinen Aufschwung herbeizaubern.
Was meinen Sie mit „Liefern“?
Der Arbeitsmarkt braucht einen Schröder-Moment. Nicht, dass wir die Agenda 2010 kopieren sollten, aber wir müssen auf die neue Arbeitsmarktsituation reagieren. Wir brauchen bessere, zur Arbeit aktivierende Momente. Es geht zum Beispiel nicht, dass in bestimmten Fällen ein Bezugsempfänger 90 Euro abgeben muss, wenn er 100 Euro mehr verdient. Und wir brauchen ein besseres Sanktionsmanagement, wenn sich jemand der Arbeit entzieht oder nicht zum Termin erscheint.

Vor allem können wir es uns nicht mehr leisten, dass Beschäftigte vorzeitig und abschlagsfrei in Rente gehen. Das ist keine Brücke in Beschäftigung, sondern ein Beitrag zur Belastung des Sozialstaates ohne sachlichen Grund. Und verschärft auch noch den Fachkräftemangel.
Konkret?
Der Begriff Work-Life-Balance ist irreführend, weil er eine Wahl suggeriert, die es so gar nicht gibt: Gutes Leben gibt es nur mit guter Arbeit.
Teure Rentenpläne: Rente soll sicher sein - doch um welchen Preis?
Warum so fordernd?
In den vergangenen Krisen wurde viel mit Geld zugeschüttet. Deshalb wird die tatsächliche wirtschaftliche Lage heute – auch im Mittelbau der Parteien und der Gewerkschaften – als nicht so ernst wahrgenommen, wie sie tatsächlich ist.
Dennoch schon Aufbruchstimmung, wie von Kanzler Merz versprochen?
Eine Investitionswende oder umfassende Wachstumsimpulse können wir derzeit noch nicht erkennen. Auch der Arbeitsmarkt sendet keine Entlastungssignale. Der explosionsartig ansteigende Aufwand für die Sozialversicherungen führt nicht zum Ansteigen wirtschaftlicher Aktivität. Da muss nach der Sommerpause eine spürbare Entlastung in den Betrieben ankommen.
Alle Sozialsysteme rufen nach Geld. Rentenkassen, Pflegekassen, Bundesagentur für Arbeit, sie alle stehen finanziell auf einem schmalen Brett.
Für die Unternehmen bedeutet das höhere Abgaben und damit höhere Bruttoarbeitskosten, für die Beschäftigten weniger Netto in der Tasche.
Was ist zu tun?
Wir brauchen kostensenkende Reformen in allen Sozialversicherungssystemen. Mehr Wettbewerb, Konzentration auf das Wesentliche und Ausgabenverringerung. Wir haben in allen Sicherungssystemen kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.

Hängen die finanziellen Probleme der Sozialversicherungen nicht auch an der Zuwanderung von Menschen, die nie etwas eingezahlt haben oder einzahlen, aber mit Ansprüchen ausgestattet wurden?
Zuwanderung von Beschäftigung hält Deutschland am Laufen. Genauso entschlossen fordern wir, die Anreize für Zuwanderung in die Sozialsysteme abzuschaffen, sodass es nicht attraktiv erscheint, nach Deutschland zu kommen, ohne auch eine Beschäftigung aufzunehmen, Steuern zu zahlen und damit einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.
Geld scheint genug vorhanden. Aber müssen Mütterrente, höhere Pendlerpauschale, geringere Mehrwertsteuer für die Gastronomie wirklich sein? Was sagt die Wirtschaft?
Die Wettbewerbslage in der Gastro- und Hotelbranche war außerordentlich schwierig. Deshalb kann ich die Gründe dafür nachvollziehen. Das sollte aber keine Blaupause für eine weitere Verkomplizierung des Steuersystems sein. Die Mütterrente können wir uns faktisch gar nicht leisten – und sie ist in der Wirkung fraglich. Die höhere Pendlerpauschale hingegen ermöglicht Menschen Flexibilität am Arbeitsmarkt.