
Bielefeld. Anlagenmechaniker, Klempner, Ofen- oder Apparatebauer – Ausbildungsberufe gibt es reichlich. Die Handwerkskammer Lübeck ermöglicht unentschlossenen jungen Menschen seit dem vergangenen Jahr den Einblick in vier Ausbildungsberufe in einem Jahr. Das am 1. Juni 2024 gestartete Freiwillige Handwerksjahr genießt Pionierstatus und soll jetzt auch nach Ostwestfalen-Lippe kommen. Die Chancen für einen Start noch in diesem Sommer stehen gar nicht so schlecht, meint Carl-Christian Goll, Geschäftsführer Berufsbildung der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld.
Worum geht es genau?
„Das Freiwillige Handwerksjahr (FHJ) ermöglicht es Ausbildungsinteressierten, vier Ausbildungsberufe in einem Jahr kennenzulernen“, erklärt die Handwerkskammer Lübeck ihr Projekt. „Für jeweils drei Monate gehen Jugendliche und Studienzweifler in einen Betrieb und probieren einen Handwerksberuf aus. Mehr als 130 Berufe stehen zur Auswahl.“ Die Teilnehmer sollen so testen können, welcher Ausbildungsberuf zu ihnen passt, sie sammeln Berufserfahrung und lernen verschiedene Betriebe kennen. Von den Betrieben erhalten sie eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 450 Euro. Das Projekt wird durch das Schleswig-Holsteinische Institut für Berufliche Bildung (SHIBB) gefördert und ist auf drei Jahre angelegt.
Lesen Sie auch: Warum trotz freier Lehrstellen 2.526 Bewerber in OWL leer ausgehen
Wie soll das Freiwillige Handwerksjahr in OWL aussehen?
Auch in OWL will das regionale Handwerk nun ein solches FHJ etablieren. „Idealerweise als gesetzlich verankertes Instrument“, sagt Goll. So sollen junge Menschen in der Region sich praxisnah orientieren können und die Betriebe lernen potenzielle Auszubildende kennen. Wie in Lübeck sollen Interessierte vier Stationen zu je drei Monaten durchlaufen „und – wenn alles passt – anschließend mit einem Ausbildungsvertrag in ihrem Wunschberuf durchzustarten“, so Goll. Der Einstieg in das FHJ soll jederzeit möglich sein. Wie das Jahr vergütet wird und ob und wie die Zeit angerechnet werden kann, hängt Goll zufolge von der konkreten Ausgestaltung des FHJ ab. „Bei dem Bestreben einer gesetzlichen Verankerung werden Rahmenbedingungen angestrebt, die auch bei sonstigen Freiwilligendiensten Anwendung finden.“ Ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) kann zum Beispiel für die Ausbildungen, Zulassung zum Studium oder die Rente angerechnet werden.
Gibt es in der Region Interessenten für das Projekt?
„Erste Rückmeldungen aus der Handwerkspraxis zeigen großes Interesse sowohl aufseiten der Betriebe als auch bei Jugendlichen, insbesondere bei Schulabgängerinnen und -abgängern, die sich eine berufliche Orientierung wünschen“, sagt Goll. Aktuell führe die Handwerkskammer Gespräche mit den regionalen Handwerksorganisationen und Unternehmen, um konkrete Beteiligungsmöglichkeiten auszuloten.
Lesen Sie auch: Kein Wachstum in Sicht: OWL-Wirtschaft geht es schlechter als Rest von NRW
Wie stehen die Chancen auf einen baldigen Beginn?
Derzeit liegen die größten Herausforderungen Goll zufolge in der gesetzlichen Verankerung auf Bundesebene. „Sollte dies nicht erfolgen, müssen alternative Finanzierungsmodelle für eine regionale Umsetzung gefunden werden.“ Wie und ob ein bundesweites FHJ eingeführt wird, hänge von den politischen Entscheidungen der kommenden Monate ab. „Sollte eine gesetzliche Regelung nicht rechtzeitig beschlossen werden, könnte ein regionales Projekt als Übergangslösung starten“, sagt er. „Die Chancen für einen zumindest begrenzten Start in diesem Sommer stehen gut.“