Forderungen zum 1. Mai

DGB-Chefin Weber: „Stimmung im Land ist schlechter als die Lage“

Die oberste Gewerkschafterin in NRW zieht eine überraschende Bilanz zum Tag der Arbeit. Das wirft die Frage auf: Herrscht zu viel Panikmache im Land?

Ministerpräsident Hendrik Wüst (m.) und links daneben Anja Weber bei der Kundgebung zum 1. Mai im vergangenen Jahr. | © ---

Ingo Kalischek
01.05.2024 | 01.05.2024, 09:00

Düsseldorf. Zu Anja Webers Jobbeschreibung gehört es praktisch dazu, immer mal wieder zu überspitzen. Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW weiß, dass sie qua Amt auch mal Forderungen stellen muss, die eher nicht im Bereich des Realistischen liegen. Umso überraschender fällt ihr aktueller Blick auf die Lage im Land aus.

„Die Stimmung ist schlechter als die Lage“, sagt Weber. Zwar gebe es „riesige Herausforderungen“ im Land und eine „dramatische Situation“, da Industrieunternehmen derzeit immer weniger in NRW investierten. Doch in den Augen Webers sind es vor allem die öffentlich ausgetragenen „Spardebatten“ der Politik, die die Menschen verunsicherten. Auch die Arbeit der NRW-Landesregierung betrachtet Weber differenziert. So habe man unter anderem bei der Besoldung im öffentlichen Dienst zuletzt gemeinsam „gute Ergebnisse“ erzielt. Die Zusammenarbeit mit NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sei wesentlich besser als die mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Die Gewerkschaften sieht Weber seit einigen Jahren im Aufwind. Allein im vergangenen Jahr sei die Zahl der Mitglieder bundesweit um 430.000 angestiegen. Das sei eine „erhebliche Zahl“, freut sich Weber. Gleichwohl sinkt die Tarifbindung im Land - nur noch 58 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitierten von einem Tarifvertrag.

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DGB hält weitere Streiks im Land für möglich

Für viel Wirbel gesorgt haben die Gewerkschaften in den vergangenen Monaten bundesweit durch Streiks. Weber will nicht ausschließen, dass sich diese Situation in den kommenden Monaten fortsetzen wird, zum Beispiel im Bau- und Hauptgewerbe, wo derzeit eine „akute Situation“ herrsche. „Die Menschen signalisieren uns ganz klar, dass sie anständige Lohnabschlüsse erwarten. Dafür gehen sie auch in die Streiks“, sagt Weber. Die Branchen hätten die volle Rückendeckung der Gewerkschaften. Vorstöße, das Streikrecht einzuschränken, bezeichnet Weber als „schlicht und ergreifend dumm“.

Zum Tag der Arbeit am Mittwoch, 1. Mai, sind in NRW 69 Kundgebungen geplant. Die zentrale Veranstaltung des Landes findet in Aachen statt - „einer Stadt, die für ein geeintes Europa steht“, so Weber. Das Motto dazu laute: mehr Lohn, mehr Sicherheit, mehr Freizeit. Bleibt die Frage: Wer soll das alles bezahlen? Weber fordert, ebenso wie Teile der Grünen und der SPD, ein Aussetzen der Schuldenbremse. Dafür solle sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Berlin einsetzen. Das gelte auch für die längst überfällige Altschulden-Lösung in NRW, um die „chronisch überlasteten“ Kommunen finanziell zu entlasten, fordert Weber.