Potsdam (dpa/anwi). Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind vorerst gescheitert - jetzt sind die Schlichter am Zug. Sie sollen binnen drei Tagen ihre Arbeit aufnehmen.
Seit Freitag lief in Potsdam die dritte Verhandlungsrunde für bundesweit mehr als 2,5 Millionen Menschen, die etwa in Kliniken oder Kitas, Flughäfen oder Nahverkehr, Bädern oder Pflegeeinrichtungen, Klärwerken oder Abfallbetrieben arbeiten. In Nordrhein-Westfalen sind rund 640.000 Beschäftigte von der Tarifrunde betroffen.
Am Montagabend kündigte die Verhandlungsführerin des Bundes, Innenministerin Nancy Faeser (SPD), an, dass die Schlichtung eingeleitet werde.
Kann es jetzt noch zu Streiks kommen?
Während der Schlichtung gilt die sogenannte Friedenspflicht - spätestens ab Donnerstag. Gestreikt werden darf dann vorerst nicht. Bis dahin sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi ganz vereinzelt über das Bundesgebiet verteilt kleine Ausstände möglich. Sie würden aber keine großen Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger haben, erläuterte ein Verdi-Sprecher.
Bundesweit und auch in Ostwestfalen-Lippe hatte die Gewerkschaft Verdi in den vergangenen Wochen zu mehreren Warnstreiks aufgerufen. Betroffen waren unter anderem das Bielefelder Verkehrsunternehmen Mobiel, Kitas, Klinikpersonal und die Müllentsorgung.
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Wer sind die Schlichter?
Die Arbeitgeber benannten dafür den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Er könnte als „stimmberechtigter“ Schlichter den Ausschlag für einen Kompromiss geben.
Für die Arbeitnehmerseite soll der frühere Bremer Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr Schlichter werden.
Welche Regeln gelten für die Schlichtung?
Die Schlichter beraten in einer Schlichtungskommission, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl vertreten sind.
Die Kommission muss binnen einer Woche nach ihrem ersten Zusammentreten eine Empfehlung beschließen. Kann sie sich nicht einigen, gibt der stimmberechtigte Schlichter den Ausschlag, also Koch. Dann geht die Empfehlung zurück in eine weitere Verhandlungsrunde.
Entweder die Runde nimmt das Ergebnis an oder verhandelt nach.
Erst dann, wenn das Ergebnis für eine Seite unannehmbar ist, kann die Urabstimmung eingeleitet werden - mit der Option auf unbefristete Streiks.
Wie reagieren Gewerkschaften und Arbeitgeber?
Der Verhandlungsführer des Beamtenbunds, Volker Geyer, sagte am Montagabend: „Bund und Kommunen haben mit viel Verzögerung und destruktiver Energie einen Kompromiss verhindert.“ Er betonte, der öffentliche Dienst brauche flexiblere Arbeitszeitmodelle, um auf dem Arbeitsmarkt mit der privaten Wirtschaft mithalten zu können. Verdi-Chef Frank Werneke teilte mit: „Wir haben uns bis an die Schmerzgrenze bewegt. Die Arbeitgeber haben unsere Einigungsvorschläge abgelehnt.“
Gabriele Schmidt, Landesbezirksleiterin bei Verdi in NRW, bedauerte am Montagabend das Scheitern der Gespräche. „In Nordrhein-Westfalen haben innerhalb von nur einer Woche mehr als 50.000 Streikende ein deutliches Zeichen für einen starken Abschluss gesetzt“, hieß es in einer Mitteilung der Gewerkschaft. „Wir waren bereit, diesen Abschluss im Rahmen von Verhandlungen zu erreichen.“ Statt den öffentlichen Dienst gemeinsam nachhaltig attraktiver zu gestalten und die „riesigen personellen Lücken“ zu schließen, hätten sich die Arbeitgeber vielen der Gewerkschaftsforderungen „weitestgehend verweigert“. Es mangele an Wertschätzung für die „Leistung der Kolleginnen und Kollegen“, warf Schmidt der Gegenseite vor.
Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge, meinten hingegen, die Gewerkschaften hätten sich zu wenig bewegt. „Ich erwarte jetzt aber auch von den Gewerkschaften Kompromissbereitschaft, damit wir am Ende einen guten Abschluss im Sinne der Beschäftigten haben werden“, sagte Faeser.
Was hat die Gewerkschaft gefordert?
Ursprünglich forderten Verdi und Beamtenbund eine Tariferhöhung um acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat. Außerdem wollten sie mindestens drei zusätzliche freie Tage durchsetzen.
Den Arbeitgebern von Bund und Kommunen war das zu teuer. Zuletzt hieß es, die Arbeitgeberseite habe eine Erhöhung der Entgelte um 5,5 Prozent angeboten sowie ein höheres 13. Monatsgehalt und höhere Schichtzulagen. Die Laufzeit blieb offen.