Krebserregende Baustoffe

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Unsichtbare Gefahr im eigenen Haus: Was Sie über Asbest wissen sollten 

80 Prozent der Deutschen wohnen in Häusern, die vor dem Asbest-Verbot 1993 erbaut wurden. Wie gefährlich das ist, und was bei Sanierungen zu beachten ist.  

Asbestfasern gefährden die Gesundheit. Da immer mehr Menschen ältere Wohngebäude sanieren, kommt es zu Problemen. | © (c) Copyright 2011, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Anke Groenewold
04.02.2024 | 04.02.2024, 12:58

In Millionen Wohngebäuden in Deutschland steckt tonnenweise giftiges Asbest. Der krebserregende Baustoff wurde seit 1930, aber insbesondere in den Jahren 1950 bis 1989 in großem Umfang verbaut. Der Asbestverbrauch betrug laut Bundesumweltamt in den Jahren 1950 bis 1985 etwa 4,4 Millionen Tonnen.

Rund 9,4 Millionen Wohngebäude entstanden einer Studie des Pestel-Instituts im Auftrag der IG BAU zufolge in dieser Zeit. 80 Prozent der Deutschen wohnten in Häusern, die vor dem kompletten Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbest in Deutschland 1993 erbaut wurden.

Viele der betroffenen Gebäude sind inzwischen in die Jahre gekommen. Sie werden saniert, umgebaut oder modernisiert. Auch das neue Heizungsgesetz führt vermehrt zu Arbeiten an asbestbelasteten Gebäuden. Die IG Bau warnt vor einer „Asbest-Welle“ auf dem Bau. Was Sie jetzt wissen müssen.

Was ist Asbest?

Asbest ist die Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende Minerale, die aus sehr kleinen und widerstandsfähigen Fasern bestehen. Weil Asbest langlebig, robust, hitzebeständig und unbrennbar ist und sich außerdem gut mit anderen Materialien verarbeiten lässt, wurde es laut Bundesumweltamt über viele Jahrzehnte „zu weit mehr als 3.000 unterschiedlichen Produkten verarbeitet“. Dazu gehören unter anderem Bodenbeläge, Dach- und Wandplatten oder Heizkörperverkleidungen. Fast drei viertel des Gesamt-Imports von Asbest landete von 1950 bis 1990 im Asbestzement, der vor allem in den 1960er- und 70er-Jahren bei Rohren, Fassadenverkleidungen und Dacheindeckungen zum Einsatz kam.

Warum ist Asbest gefährlich?

Das Umweltbundesamt stuft Asbest als „eindeutig krebserregenden Stoff“ ein: „Charakteristisch für Asbest ist seine Eigenschaft, sich in feine Fasern zu zerteilen, die sich der Länge nach weiter aufspalten und dadurch leicht eingeatmet werden können.“ Die eingeatmeten Fasern können langfristig in der Lunge bleiben, das Gewebe reizen und zu Vernarbungen führen (Asbestose). Tumore können sich in Lunge, Lungenfell, Kehlkopf, Herzbeutel und anderen Organen bilden. Vom Einatmen von Asbestfasern bis zum Auftreten einer darauf zurückzuführenden Erkrankung kann es laut Umweltbundesamt bis zu 30 Jahre betragen.

Ich lebe in einem älteren Haus. Damit ist davon auszugehen, dass Asbest in irgendeiner Form verbaut wurde, und sei es bei späteren Renovierungen und Umbauten. Wie gefährlich ist das für die Bewohner?

Das Bundesumweltamt warnt vor unnötiger Panik, rät aber zu Vorsicht. Nur weil fest eingebundener Asbest in intakten Produkten in einer Wohnung oder in einem Gebäude vorhanden sind, müsse sich niemand Sorgen um seine Gesundheit machen.

In fest gebundenen Produkten sind die Asbestfasern im Baumaterial fest umschlossen beziehungsweise eingeschlossen. Gefährlich wird es erst, wenn die Materialien zerstört oder bearbeitet werden, etwa durch Bohren, Sägen, Schleifen oder Zerschlagen. Intakte und zementgebundene Baustoffe oder -teile müssten und sollten gar nicht ohne Anlass ausgebaut werden, so das Umweltbundesamt. Gerade beim Entfernen bestehe das Risiko, dass Fasern freigesetzt werden, bei normaler Nutzung der Wohnung zuvor jedoch nicht.

Heimwerker sind gefährdet, wenn sie Wände einreißen, Fliesen abschlagen oder auch nur kleinere Arbeiten durchführen, weil auch Putze, Kitte, Dichtungs- und Spachtelmassen sowie Fliesenkleber die gefährlichen Fasern enthalten können. Beim Bohren eines Lochs in asbesthaltigem Putz besteht laut Bundesumweltamt nach aktuellen Untersuchungen im Allgemeinen kein erhöhtes Risiko.

Ein großes Problem sieht die IG BAU auch im Spritzasbest, der häufig in Verkleidungen von Aufzugs- und Versorgungsschächten verarbeitet worden ist. „Bei diesem Produkt sind die Asbestfasern nur leicht gebunden und können durch Alterung und Erschütterung leicht freigesetzt werden.“

Ich will mein Haus sanieren lassen, worauf muss ich achten?

Wer Arbeiten plant, sollte zunächst einen Blick in die „Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden“ werfen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat sie 2020 herausgegeben. Sie richtet sich in erster Linie an Laien wie Heimwerker, aber auch Mieter und private Auftraggeber und gibt Empfehlungen, wie bei Asbestverdacht reagiert werden sollte. Gesetzlich verbindlich ist die Leitlinie nicht. Wer diese Planungshilfe befolgt, kommt aber geltenden gesetzlichen Verpflichtungen nach, vermeidet, dass gefährliche Stoffe Mensch und Umwelt schädigen, verhindert Verzögerungen der Bauarbeiten, Kostensteigerungen und Rechtsstreitigkeiten.

Laut Leitlinie gelten Bauteile, die vor dem 31. Oktober 1993 eingebaut wurden, so lange als asbesthaltig, bis das Gegenteil nachgewiesen wurde. Eine gesetzliche Pflicht für Privatpersonen oder Handwerksbetriebe, vor Beginn von Bauarbeiten die betroffenen Materialien auf Asbest prüfen zu lassen, gibt es aber nicht. Wer Sanierungsarbeiten in Auftrag gibt, muss den Handwerksbetrieben aber vorab Informationen zukommen lassen, zum Beispiel das Baujahr des Gebäudes, damit die Firmen eine Gefährdungsbeurteilung für ihre Beschäftigten erstellen können.

Einen gut verständlichen und kompakten ersten Überblick über Asbest am Bau gibt das Bundesamt auf seiner Website in dem Abschnitt „Häufig gestellte Fragen zum Thema Asbest“. Die Leitlinie für die Asbesterkundung finden Sie hier zum Download:

Wann Privatpersonen keine Asbestuntersuchung machen müssen

Eine „konkret formulierte Testpflicht, um die Belastung eines Gebäudes mit Asbest zu erkunden“, gibt es laut Bezirksregierung Detmold nicht.

Laut Leitlinie können Privatpersonen auf eine Untersuchung verzichten, wenn:

  • für die Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten ein emissionsarmes Verfahren nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe 519 (TRGS 519) angewendet wird. Im Prinzip kann das auch von Privatleuten erledigt werden. Sie müssen sich aber ebenfalls an die sicherheitstechnischen Maßnahmen gemäß TRGS 519 halten sowie über die erforderlichen Maschinen, Geräte, Einrichtungen, Schutzausrüstungen verfügen. Näheres zu diesen emissionsarmen Verfahren finden sich auf der Webseite des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Die formalen Anforderungen der TRGS 519 gelten laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nicht für Privatpersonen, wenn sie die Arbeiten ausschließlich selbst in ihrem Privatbereich durchführen. Wenn allerdings Nachbarn, Freunde oder Verwandte als Helfer tätig werden, „treffen den jeweiligen Veranlasser der Arbeiten, auch Privatpersonen, umfassend alle gesetzlichen Anforderungen, die auch ein gewerblicher Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten zu erfüllen hat“.
  • unter Annahme von Asbest ohnehin alle Tätigkeiten nach den Vorgaben der TRGS 519 durchgeführt werden. Das sollte eine Fachfirma erledigen, die ihre Sachkunde nachweisen kann. Der Bauschutt muss in allen Fällen zwingend als gefährlicher Abfall entsorgt werden.

Sie entscheiden sich vor Beginn der Arbeiten für eine Untersuchung auf Asbestfasern. Wer testet, und wie finde ich Anbieter?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Materialien auf ihren Asbestgehalt untersuchen zu lassen, zum Beispiel durch Prüfinstitute. Dabei gibt es einiges zu beachten. Die Stiftung Warentest gibt hierzu gute Tipps, was bei der Auswahl eines Instituts wichtig ist. Die Verbraucherzentrale NRW gibt außerdem Hinweise, wie Sie ein Testinstitut oder Labor finden können.

Der Test ist positiv ausgefallen, im untersuchten Material finden sich Asbestfasern. Was nun?

Liegt Asbest in der Bausubstanz vor, dürfen die Arbeiten nur von Firmen ausgeführt werden, die über entsprechende Sachkunde verfügen und die für die Asbestsanierung nach TRGS 519 zugelassen sind. Die örtlichen Handwerkskammern oder das Gewerbeaufsichtsamt können weiterhelfen. Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt zur rechtlichen Absicherung, dass der Auftrag diesen Satz enthalten sollte: „Die Durchführung der Arbeiten an asbesthaltigen Materialien und die Entsorgung der Asbestabfälle erfolgt gemäß TRGS 519.“

Privatpersonen können bestimmte Arbeiten auch selbst durchführen. Sie müssen sich aber ebenfalls an die TRGS 519 halten und emissionsarme Verfahren wählen. Der Bauschutt muss in jedem Fall als asbesthaltiger Abfall entsorgt werden. Die Leitlinie erklärt, welche Arbeiten von Fachfirmen erledigt werden müssen, und welche von Heimwerkern geleistet werden können. Die Verbraucherzentrale NRW hat diese Informationen zum schnellen Überblick zusammengefasst.

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