Betroffener Maurer berichtet

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Asbest und Lungenkrebs: "Ich gehöre zu den 20 Prozent, die überlebt haben"

Ihn hat es erwischt, Wolfgang Leihner-Weygandt hatte Lungenkrebs. Er hat als Maurer gearbeitet, heute ist der 69-Jährige im Ruhestand. Wie geht es ihm?

Asbest kann bis zu 30 Jahre, nachdem die kleinen Partikel eingeatmet wurden, zu Lungen-, Rippenfell- oder Kehlkopfkrebs führen. | © dpa

Hanna Gersmann
11.08.2023 | 11.08.2023, 18:00

Wie hat ich Ihre Krankheit bemerkbar gemacht?

Wolfgang Leihner-Weygandt: Es fing 1994 an mit Schmerzen im Schulterbereich, ein halbes Jahr bin ich von Orthopäde zu Orthopäde gelaufen. Ostern 1995 kam die Diagnose Lungenkrebs, dann Operation. Vom oberen rechten Lungenflügel wurde mir ein Teil in der Größe eines Tetrapaks rausgenommen. Das fehlt mir jetzt, ich merke das zum Beispiel immer, wenn ich Treppen steigen muss. Dann werde ich kurzatmig.

Wie ist das mit Schadenersatz?

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Bekomme ich nicht. Die Berufsgenossenschaft hat meine Krankheit nicht als berufsbedingt anerkannt. Also bekomme ich auch keine zusätzliche Rente von ihr. Man muss 25 Faserjahre haben, mir fehlen 5.

Was ist denn ein Faserjahr?

Das ist ein theoretischer Wert. Ein Jahr steht dafür, dass Sie über acht Stunden Luft ausgesetzt sind, wo in einem Kubikmeter eine Million Fasern enthalten sind. Man hat schon 40 Millionen Fasern pro Kubikmeter Luft, wenn man ein Eternitrohr schneidet. Das ist also eigentlich schnell erreicht.

Wie lange haben Sie mit der Berufsgenossenschaft gekämpft?

Wolfgang Leihner-Weygandt, 69, gelernter Maurer. Er lebt in Darmstadt. - © IG BAU | Alireza Khalili
Wolfgang Leihner-Weygandt, 69, gelernter Maurer. Er lebt in Darmstadt. | © IG BAU | Alireza Khalili

Etwa zwei Jahre, da werden dann Sachverständige eingeschaltet. Mich ärgert das. Denn es gab auch einen medizinischen Nachweis, dass es an Asbest liegt. Die entnommen Lunge wurde eingeäschert, Asbest verbrennt nicht. Der bleibt übrig. Da konnte man sehen, was los war. Aber es heißt, die Einäscherung sei nicht nach den erforderlichen Standards gemacht worden. Die Berufsgenossenschaft sagte, ich müsse nochmals eine Biopsie der Lunge machen. Das wollte ich aber nicht. Die Operation hat mir gereicht.

Wie viel hatten Sie mit Asbest zu tun?

Meine Eltern hatten ein Baugeschäft, schon als Zwölfjähriger war ich regelmäßig auf Baustellen. Nach einem Studium habe ich Maurer gelernt, Ich habe Zementfaserplatten mit einer Kreissäge zerschnitten, viel mit Spachtelmassen gearbeitet. Da war überall Asbest drin, da sind ohne Ende Fasern rumgeflogen. Der Arbeitgeber hat mir davon nichts gesagt.

Wie geht es Ihnen heute?

Gut, ich habe Glück gehabt, dass ich zu den 20 Prozent gehörte, die überlebt haben. Für 80 Prozent geht das anders aus.