Wie die Regierung mit dem Entlastungspaket die Energie-Inflation abfedert

Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung angesichts der Energie-Inflation soll doppelt so groß werden wie die beiden vorhergehenden. Rund 65 Milliarden Euro stünden in diesem und nächstem Jahr zusätzlich zur Verfügung, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntagmittag. Rentner und Studierende erhalten neue Zuschüsse. Für Privathaushalte mit niedrigen Einkommen können sich diese in der Größenordnung von 100 Euro monatlich bewegen. Staatliche Zahlungen für alle Haushalte bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze wird es aber nicht geben. Zuschüsse Rentner sollen zum 1. Dezember dieses Jahres eine Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Diese müssen viele allerdings versteuern. Unter dem Strich profitieren Leute mit niedrigen Renten stärker als Haushalte mit hohen Altersbezügen. Die Regierung verspricht alleine damit Hilfen von rund sechs Milliarden Euro, was Verena Bentele vom Sozialverband VdK &bdquo;beeindruckend“ fand. Studierende und Fachschüler dürfen sich auf eine Einmalzahlung von 200 Euro freuen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP &bdquo;stellt die richtigen Weichen“, sagte Ulrich Lilie, der Chef der evangelischen Diakonie. Höhere Leistungen Während bisher etwa 700.000 Haushalte Wohngeld erhalten, eine staatliche Beihilfe zur Miete, soll die Zahl der Empfänger ab Anfang kommenden Jahres auf rund zwei Millionen steigen. Geplant ist, dass diese dann auch eine &bdquo;dauerhafte Heizkostenkomponente“ bekommen, wie es im Beschlusspapier der Ampel heißt. Details zur Höhe fehlen bislang. Noch in diesem Jahr jedoch wird allen Wohngeld-Haushalten mindestens 415 Euro zusätzlich für Energie überwiesen. Ab Januar 2023 will die Regierung Hartz-IV durch das neue Bürgergeld ersetzen. Während der Regelsatz heute 449 Euro für Erwachsene beträgt, dürfte er dann auf rund 500 Euro monatlich zunehmen, um die Inflation abzufedern. Das Kindergeld für das erste und zweite Kind steigt Anfang 2023 um jeweils 18 Euro. Lesen Sie auch:Strompreis, Kindergeld und mehr: Das steht im dritten Entlastungspaket Steuern und Sozialabgaben Auf Wunsch von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) findet nächstes Jahr eine kleine Steuersenkung statt, die nahezu alle Steuerpflichtigen entlastet. Wer viel verdient, profitiert allerdings stärker. Der größte Teil des 65-Milliarden-Pakets komme deshalb &bdquo;Besserverdienern“ zugute, kritisierte Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Beschäftigte mit niedrigen Einkommen von bis zu 2.000 Euro monatlich müssen bald weniger Sozialabgaben entrichten. Außerdem will die Regierung keine Steuern auf bestimmte Einmalzahlungen der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer erheben. Strom Weil die Strompreise mit den Gaspreisen steigen, greift die Koalition ein. Die Kosten für den &bdquo;Basisverbrauch“ von Privathaushalten, kleinen und mittleren Firmen sollen deshalb gedeckelt werden. Die begünstigte Strommenge und die Preisgrenze stehen aber noch nicht fest. Das ist ein starker Eingriff in den Strommarkt. Den benötigten &bdquo;zweistelligen Milliardenbetrag“ (Lindner) will die Regierung hereinholen, indem sie hohe Gewinne von Stromproduzenten jenseits eines bestimmten Limits abschöpft. Geregelt werden soll das innerhalb der EU – oder, wenn es dort nicht schnell genug funktioniert, national. Für Kraftwerksbetreiber wirkt das wie eine Übergewinnsteuer, die aber nicht so heißen darf, weil die FDP sie eigentlich ablehnt. Diese &bdquo;Strompreisbremse ist völlig unausgereift und folgt dem Prinzip Hoffnung“, sagte Fratzscher, &bdquo;die Bundesregierung koppelt die Strompreisbremse an die Abschöpfung der Übergewinne, ohne einen Plan vorzulegen, wie dies geschehen soll.“ Die Ökonomen Achim Wambach (ZEW) und Sebastian Dullien (IMK) bemängelten, dass ein vergleichbarer Mechanismus auch beim Gas nötig sei. Bahnticket Im Anschluss an das erfolgreiche, aber beendete 9-Euro-Ticket für den bundesweiten öffentlichen Regionalverkehr soll es ein nationales Nahverkehrsticket geben. Alle Bürger könnten dann einen günstigen Monatsfahrschein für beispielsweise 49 Euro kaufen, der überall für Busse und Stadtbahnen gilt. Details fehlen bisher. Die Regierung stellt dafür 1,5 Milliarden Euro bereit, um den Ländern und Kommunen zu helfen. Kein höherer CO?-Preis Die turnusgemäße Erhöhung des nationalen CO?-Preises unter anderem für Benzin und Heizwärme kommt nicht 2023, sondern 2024. Die nachfolgenden Anhebungen verschieben sich entsprechend. Der CO?-Preis ist eine Zusatzabgabe, die Energie verteuert, um den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu verringern – ein wesentliches Ergebnis der Fridays-For-Future-Protestbewegung. &bdquo;Das Aussetzen der Anpassung des CO?-Preises ist ein katastrophales Signal für den Klimaschutz“, kommentierte Wirtschaftsforscher Fratzscher. Unternehmen Für Firmen will die Ampel ein neues Programm entwickeln, das energieintensive Unternehmen schützt, die ihre steigenden Produktionskosten nicht einfach an die Kunden weitergeben können. Für Betriebe mit sehr hohem Energiebedarf soll außerdem die Energiesteuer verringert werden. Das 65-Milliarden-Programm sei aus der Sicht der Wirtschaft &bdquo;enttäuschend“, sagte trotzdem Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger. Er wünschte sich unter anderem mehr Atomkraftwerke am Netz, um den Strompreis zu senken. Staatsfinanzen Die Folgen des Pakets für den Bundeshaushalt sind bislang nicht nachzuvollziehen. Zwar soll die Strompreisbremse außerhalb des Haushaltes finanziert werden, doch blieben noch Kosten von etwa 55 Milliarden Euro übrig. Dem steht ein von Minister Lindner genannter finanzieller Spielraum von rund 32 Milliarden Euro in den Haushalten 2022 und 2023 gegenüber. Rechnerisch fehlen damit über 20 Milliarden Euro. Trotzdem soll es in diesem Jahr keinen Nachtragshaushalt geben. Und 2023 will Lindner die Schuldenbremse einhalten, die den finanziellen Spielraum im Bundeshaushalt eng begrenzt. &bdquo;Die Bundesregierung wird, entgegen aller Versprechen, die Schuldenbremse 2023 nicht einhalten können“, sagte DIW-Chef Fratzscher.

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