Düsseldorf. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist schockiert und nimmt kein Blatt vor den Mund. „Die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie" seien keine Ausnahmen, sondern „systemimmanente Verstöße gegen das Arbeitsrecht". Zwischen Juli und September haben seine Spezialisten nahezu alle größeren Schlachtbetriebe (30 von insgesamt 34) in NRW in unangemeldeten Betriebsprüfungen kontrolliert. Das Ergebnis ist niederschmetternd.
Obwohl erst 40 Prozent der Unterlagen ausgewertet wurden, seien bereits 3.000 Arbeitszeitverstöße, 900 Verstöße gegen arbeitsmedizinische Vorschriften und 100 technische Arbeitsschutzmängel mit teilweise hohem Gefährdungspotenzial ermittelt worden, berichtet Steffen Röddecke, Leiter der Abteilung Arbeitsschutz im Ministerium. Minister Laumann geht davon aus, dass bei den weiteren Auswertungen noch tausende Verstöße hinzukommen. "Ich sehe meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt", sagt er.
Teilweise hätten Beschäftigte mehr als 16 Stunden an einem Tag arbeiten müssen (erlaubt sind maximal zehn). Entfernte Schutzeinrichtungen, gefährlicher Umgang mit Gefahrstoffen, abgeschlossene Notausgänge, gefährlich abgenutzte Arbeitswerkzeuge – es gibt in den Schlachtbetrieben offenbar nichts, was es nicht gibt. Laumann erbost: „Solange ich Minister bin, wird es solche Kontrollaktionen immer wieder gegeben."
Bußgelder von maximal 15.000 Euro schrecken wenig ab
Lediglich in zwei Betrieben seien nur „wenige Mängel" angetroffen worden. Auffallend sei, dass in diesen beiden Betrieben (Wurstverarbeitung) fast ausschließlich mit eigenem Stammpersonal gearbeitet werde. In den meisten Betrieben arbeitet ein Großteil der Beschäftigten – viele von ihnen kommen aus Rumänien, Polen oder Bulgarien – über Werkverträge mit Subunternehmen. Wegen der Verstöße gegen die Arbeitszeitvorschriften können deshalb nicht die Schlachthof-Betreiber, sondern nur die die Subunternehmen belangt werden.
Nur für die technischen Mängel sind die Schlachthofbetreiber selbst verantwortlich. Bußgelder in Höhe von maximal 15.000 Euro bei Vorsatz, ansonsten maximal 7.500 Euro schrecken wenig ab. „Über die Höhe der Strafen sollten wir nachdenken", sagt Laumann.
Der Schwerpunkt der Kontrollen lag im Münsterland und in Ostwestfalen-Lippe. Aufgrund der Betriebsgrößen mit teilweise 3.000 Beschäftigten (das Fleischunternehmen Tönnies beispielsweise beschäftigt in Rheda-Wiedenbrück allein rund 6.000 Beschäftigte) seien die Prüfungen von Einsatzteams mit einer Personalstärke von bis zu 14 Aufsichtsbeamten durchgeführt worden, so Arbeitsschützer Röddecke. Namen einzelner Unternehmen dürfe er in Bezug zu den Ergebnissen der Kontrollen nicht nennen.