
Kreis Gütersloh. Wegen des Verdachts auf schwerwiegende Verstöße gegen den Tierschutz hat die Polizei am vergangenen Dienstag, 17. Juni, einen Schlachthof in Nordrhein-Westfalen, sowie Firmen in sieben Bundesländern durchsucht. Neben dem Schlachthof geht es um Viehhändler, Viehtransportunternehmen und Landwirte, wie die Staatsanwaltschaft Dortmund und das Landeskriminalamt (LKA) NRW mitteilten. Nach „NW“-Informationen war auch die „Sonnet Landfleischerei“ in Schloß Holte-Stukenbrock von den Maßnahmen betroffen.
Laut den Behörden waren an der koordinierten Aktion mehr als 200 Einsatzkräfte der Polizei an 30 verschiedenen Orten im Einsatz. Den 40 Beschuldigten wird vorgeworfen, die regelmäßige Anlieferung von Rindern und anderen Tieren organisiert und durchgeführt zu haben, obwohl die Tiere krank und weder transportfähig noch schlachtfähig gewesen seien.
Ihnen hätte entweder Zeit gegeben werden müssen, um wieder gesund zu werden, oder sie hätten getötet werden müssen – nach solchen Nottötungen von krankem Schlachtvieh darf das Fleisch in den meisten Fällen nicht mehr als Lebensmittel genutzt werden.
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Ermittler: Tiere hatten anhaltende Schmerzen
Aus Sicht der Ermittler durchlitten die Tiere auf den langen Transporten erhebliche anhaltende Schmerzen. Wo die Durchsuchungen genau stattfanden, gaben die Ermittler nicht bekannt, damit die Beschuldigten nicht identifiziert und vorverurteilt werden. Bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft ist die Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in NRW angesiedelt.
Betreiber aus dem Kreis Gütersloh streitet Durchsuchung ab
Florian Sonnet, der Betreiber der „Sonnet Landfleischerei“ bestätigt auf Nachfrage, dass er im Zuge der Ermittlungen Besuch von der Polizei bekommen habe, eine Durchsuchung seines Betriebes habe es allerdings nicht gegeben, betont er.
„Ich wurde nach Unterlagen befragt, die ich bereitwillig ausgehändigt habe“, so beschreibt Sonnet gegenüber der „NW“ seine Sicht auf die Maßnahme. Des Weiteren schreibt Sonnet in einer Stellungnahme, die dieser Redaktion vorliegt:
„Der Tierschutz und das Tierwohl sind Werte, die für mich nicht verhandelbar sind. Aus diesem Grund begrüße ich immer, wenn Aufsichtsbehörden engmaschig, die Einhaltung sämtlicher Vorschriften kontrollieren. Ich kooperiere grundsätzlich uneingeschränkt und gebe alle erforderlichen Auskünfte. In diesem speziellen Fall bin ich nur am Rande betroffen, auch hier gilt, dass ich an einer lückenlosen Aufklärung mitwirken werde, falls gewünscht.“
Tierschützer kennen die Masche
Das Vorgehen, welches den Beschuldigten vorgeworfen wird, ist Tierschützen hinlänglich bekannt. „Normalerweise braucht es für eine Schlachtung eine Schlachtfreigabe. Diese wird oftmals einem amtlichen Tierarzt erteilt“, erklärt Friedrich Mülln, Vereinsgründer der Tierrechtsorganisation „Soko Tierschutz“. In einem Mastbetrieb komme es aber immer wieder vor, dass Tiere erkranken oder sich derart verletzen, dass sie nicht mehr transportfähig sind – ein Verlustgeschäft für den Bauern.
Doch anstatt die Tiere wieder genesen zu lassen oder auf dem jeweiligen Hof notzuschlachten, greife man, wie es in der Branche heißt, auf „Kadaver-Taxis“ zurück, berichtet Mülln. „Viehhändler und Besitzer von Schlachtbetrieben tauschen Geheimtipps aus. So nach dem Motto: Kennst du nicht jemanden, bei dem ich meine Tiere loswerden kann“, fügt er hinzu.
Haben sich der Viehhändler und der Schlachtbetrieb einmal gefunden, werden die Tiere trotz ihres Zustandes verladen und zum Schlachtbetrieb gebracht, um dort ohne das Hinzuziehen eines Tierarztes geschlachtet zu werden. „Diese Praxis ist europaweit verboten“, betont Mülln.
Unternehmer taucht nicht das erste Mal auf
Für die Schlachtbetriebe sei dies eine „Lizenz zum Gelddrucken“, so der Tierschützer. „Die Bauern geben die Tiere für wenig Geld ab. Das Fleisch wird aber ganz normal verkauft“, erklärt er.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Name Florian Sonnet in Verbindung mit dem Verdacht der Tierquälerei in der Öffentlichkeit auftaucht. Wie die „Neue Presse“ (Hannover) im November 2018 berichtete, äußerte das Deutsche Tierschutzbüro in Berlin den Verdacht, dass der in Laatzen ansässige Schlachthof „Leine-Fleisch GmbH“ Verstöße gegen die Tierschutz-Schlachtverordnung begangen haben soll.
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Dem Büro wurden damals Videoaufnahmen zugespielt, auf denen zu sehen seien soll, wie eine Vielzahl von Schweinen bis zu 40 Mal mit Elektroschockern gequält werden, während sie keine Möglichkeit zur Bewegung haben. Die Veröffentlichung führte unter anderem dazu, dass der Schlachthof seine Bio-Zulassung, der Zertifizierungsstelle QAL GmbH entzogen wurde. Seit November 2024 ist der Leine-Fleisch-Standort geschlossen. Der damalige Betriebsleiter war Florian Sonnet.
Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe im November 2018 bestätigte „Leine-Fleisch“ mit Bedauern die Verstöße gegen den Tierschutz. Die Verstöße seien von eine „von einem über einen Werkvertrag eingesetzten Beschäftigten“ begangen worden, zitierte damals die „Neue Presse“ aus einer Mitteilung des Unternehmens. Das Unternehmen gab damals weiterhin bekannt, dass es die Zusammenarbeit mit dem Subunternehmer beendet habe.