Bielefeld/Berlin

Warum Automatik in Fahrschulen zum Standard werden wird

Die meisten Autofahrer lernen aktuell noch immer auf Schaltwagen

Automatikgetriebe werden künftig zum Standard, weil sich anders die vielen Assistenzsysteme gar nicht mit der Technik vereinbaren lassen. | © picture alliance / dpa Themendienst

Kristina Grube
23.08.2019 | 23.08.2019, 08:45

Bielefeld/Berlin. Wer seine Führerscheinprüfung auf einem Automatik-Auto absolviert hat, darf danach keinen Wagen mit einer manuellen Schaltung fahren. Zumindest nicht, ohne zusätzlich noch eine praktische Prüfung auf einem Schaltgetriebe gemacht zu haben. So die aktuelle Regelung, doch die könnte sich bald ändern.

Neue Regelung bis 2020 möglich

Das Bundesverkehrministerium soll auf Basis einer geänderten EU-Richtlinie eine Neuregelung planen, die im Frühjahr 2020 kommen könnte. Nach der sollen Fahrschüler künftig auf einem Auto mit Automatikgetriebe lernen und geprüft werden können und – nach einigen zusätzlichen Fahrstunden und einer Eignungsprüfung durch den Fahrlehrer – später trotzdem einen Schaltwagen fahren dürfen. Das Ministerium bestätigte dieser Zeitung auf Anfrage, dass derzeit Vorabstimmungen auf Arbeitsebene laufen.

Doch nicht nur für Fahrschüler, auch für Fahrschulen bietet diese Änderung große Vorteile und ist lange überfällig, sagt Resul Karasu. Er besitzt Fahrschulen in Bielefeld und ist hier zudem Unterbezirksleiter des Fahrlehrerverbands. „Es ist wichtig, dass wir mit dem Stand der Technik gehen. Doch Elektroautos gibt es nicht als Schalter", sagt er.

Neue Technik erfordert Automatik-Autos

Auch Rainer Zeltwanger, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Fahrschulunternehmen, erhofft sich einen Schub für Elektromobilität in Fahrschulen und somit auch letztendlich auf den Straßen. „Auch laufen die Autos mit den modernen Assistenzsystemen ausschließlich mit einem Automatikgetriebe", erklärt Zeltwanger. „Diese Technik nimmt zu."

"Da rührt in Zukunft keiner mehr mit einem Schaltknüppel herum", meint auch Fahrlehrer Wolfgang Stockfisch, der seine gleichnamige Fahrschule in Bielefeld hat. Er hat sich unter anderem auf die Ausbildung von Fahrschülern mit einem körperlichen Handicap spezialisiert – auch das gehe nur mit einem Automatik-Auto.

Kein neues Modell

Dieses Modell sei im Übrigen gar nicht neu, sagt Stockfisch. Vor über 30 Jahren hätten Fahrschüler ebenfalls sechs Schaltstunden erhalten, danach auf einem Automatik-Auto weitergelernt und am Ende hätten sie beide Varianten fahren dürfen. „Viele waren beim Fahren des Schaltwagens dann aber total unsicher", gibt er zu bedenken.

Ralf Collatz, Sprecher des ADAC OWL, hat auf diese Weise seinen Führerschein gemacht. „Als Anfänger war das sehr schön, weil man sich zunächst auf den Verkehr konzentrieren konnte. Und geschadet hat es nicht." Er finde es sinnvoll, die ersten Fahrstunden als „blutiger Anfänger" mit einem Automatikgetriebe zu fahren. „Es ist wichtig, dass man am Ende trotzdem alle Getriebearten fahren darf. Der Führerschein ist schließlich teuer genug", sagt er. Denn auch, wenn das eigene Auto ein Automatikgetriebe hätte, so müsse man mit Miet- oder Firmenwagen mit einer manuellen Schaltung rechnen.

Fahrlehrer skeptisch, weil Kunden Schaltgetriebe bevorzugen

Harald Pohlmann besitzt mit seinen Fahrschulen Zöllner den größten Anbieter in OWL und bleibt skeptisch. „Weniger als zehn Prozent meiner Kunden wollen auf einem Automatik-Auto lernen", sagt er. Die neue Regelung könne die Nachfrage ein wenig steigern, doch „am Ende entscheidet der Kunde" und der wolle aktuell Schaltwagen fahren.

Möglicherweise spielen dabei noch Vorurteile von früher gegen Automatik-Autos mit hinein. Die kann Ralf Collatz widerlegen. „Moderne Automatikgetriebe sind besser als eine Handschaltung. Es gibt keinen höheren Spritverbrauch, keinen höheren Verschleiß und keinen Leistungsverlust." Im Gegenteil: „Kollege Computer erkennt den Fahrstil und passt Schaltpunkte präziser an."

Womöglich wird Autofahrern die Entscheidung bald ohnehin abgenommen. "Ab 2021 müssen zudem alle Autos mindestens 30 Assistenzsysteme besitzen. Dazu gehört auch der Stauassistent und automatisches Bremsen und Anfahren", sagt Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Nordrhein. Das sei nur mit Automatik-Autos möglich.

INFORMATION


Deutsche kaufen immer mehr Automatik-Autos

Deutsche Autofahrer sind immer häufiger mit Automatikgetriebe unterwegs. Nach Herstellerdaten der Deutschen Automobil Treuhand lief im vergangenen Jahr mit 47,5 Prozent knapp jeder zweite Neuwagen mit Automatik vom Band. Vor acht Jahren waren es noch 27,4 Prozent, im Jahr 2000 rund 19,6 Prozent. „Wir gehen davon aus, dass die Anzahl der mit Automatikgetriebe ausgestatteten Fahrzeuge weiter steigen wird", sagte ein Sprecher des Marktbeobachtungsunternehmens.

Für den Trend nennt die DAT mehrere Gründe, darunter viele Assistenzsysteme, die etwa den Abstand regeln oder die Beschleunigung kontrollieren. Hinzu komme, dass Hybrid- und Elektrofahrzeuge nur mit Automatikgetriebe fahrbar sind.