
Bielefeld. Ostwestfalen-Lippe gilt als Mekka der Familienunternehmen. Firmenchefs und IHK-Präsidenten werden nicht müde, die Werte des Mittelstands „made in OWL" zu loben. Wolf D. Meier-Scheuven ist beides in Personalunion, Familienunternehmer und IHK-Präsident.
Deshalb registrierten Beobachter auch genau, wie Meier-Scheuven im Februar auf eine unbefriedigende Ergebnisentwicklung seines Unternehmens Boge Kompressoren in Bielefeld reagierte. Zunächst baute der Geschäftsführende Gesellschafter die Führungsetage um. Jetzt rumort es aber auch in anderen Abteilungen von Boge. Mitarbeiter sprechen von Druck. Wer sich weigere, einen Auflösungsvertrag zu unterzeichnen, erhalte die Kündigung, heißt es aus Unternehmenskreisen.
Betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen
Meier-Scheuven, 2017 zum OWL-Unternehmer des Jahres gekürt, hatte schon Anfang des Jahres restriktivere Zeiten auf der Kostenseite angekündigt. Freiwerdende Stellen sollten zunächst einmal nicht neu besetzt werden, hieß es seinerzeit. Aus gut unterrichteten Kreisen ist nun zu hören, dass jetzt auch betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen würden und nach anderen Wegen gesucht werde, die Mitarbeiterzahl zu verringern.
Boge-Betriebsratschef Rainer Händler spricht von 41 Kollegen, die das Unternehmen seiner Kenntnis nach bis zum Ende des Jahres verlassen sollen. Allerdings seien darunter bislang lediglich vier betriebsbedingte Kündigungen. Diese vier Fälle seien dem Betriebsrat vorgelegt worden und seiner Einschätzung nach korrekt begründet worden. In Bielefeld beschäftigt Boge rund 600 Mitarbeiter, an anderen Standorten weitere 200. Meier-Scheuven spricht davon, man habe sich von „einer Handvoll Mitarbeiter über eine Aufhebungsvereinbarung" getrennt. Genaue Zahlen und weitere Einzelheiten über den Arbeitsplatzabbau nennt er nicht. Er bekräftigt noch einmal seine Ankündigung aus dem Februar, man müsse an die „Personalkosten herangehen". Es habe an verschiedenen Stellen Fehlentwicklungen gegeben. Für das kommende Jahr sei ursprünglich ein Umsatzziel von 200 Millionen Euro angepeilt worden. „Im Moment liegen wir bei 150 Millionen."
Auf 200 Millionen Euro Umsatz ausgelegt
Boges Problem sei, dass schon jetzt Personal und Material auf den 200-Millionen-Umsatz ausgelegt worden seien. „Dann hat man schnell ein Kostenproblem."
Es habe im Unternehmen immer eine Fluktuation von 30 bis 40 Personen im Jahr gegeben, sagt der Betriebsratsvorsitzende Händler. „Dafür gab es auch immer Neueinstellungen." Das habe sich nun geändert. Händler: „Es wird diesmal definitiv Personalabbau geben. Neu ist auch, dass Mitarbeiter gezielt angesprochen werden, ob sie einer Auflösung des Arbeitsvertrages zustimmen oder sich zum Beispiel Altersteilzeit vorstellen können. Das finden wir doch auch als Betriebsrat ungewöhnlich."
Die Unruhe im Betrieb sei spürbar. Eine Versammlung mit der kompletten Belegschaft habe es bisher nicht gegeben. Allerdings, zwei Wochen nach dem Wechsel in der Geschäftsführung im Mai, habe der Chef laut dem Betriebsrat sehr wohl gemerkt, „welche Erschütterung dieser Paukenschlag in der Belegschaft ausgelöst habe". Damals hatte sich Meier-Scheuven, seit 1995 in vierter Generation Geschäftsführender Gesellschafter, von seinem Geschäftsführer Thorsten Meier (47) getrennt. Kurz darauf holte Meier-Scheuven den früheren Geschäftsführer und zugleich Meiers Vorgänger Rolf Struppek kurz vor dessen 68. Geburtstag zurück. Meier-Scheuven selbst sprach in Anlehnung an den FC Bayern München von der Heynckes-Lösung.
"Ich erfahre viel Zuspruch"
Ob er die Unruhe im Unternehmen gespürt habe? „Eher nein", sagt Meier-Scheuven. „Ich erfahre viel Zuspruch." Viele hätten gesagt, es sei Zeit gewesen, dass etwas passiere. Dem Eindruck, Struppek habe Dinge „zurückgedreht", widerspricht Meier-Scheuven mit Nachdruck. „Der Ausdruck ,zurückgedreht gefällt mir nicht." Was jetzt geschehe, passiere zur Sicherung der Arbeitsplätze.
Für Betriebsratschef Händler ist entscheidend, ob eine Rückkehr zum Haustarifvertrag gelingt. Seit dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband 2003 ist die Firma nicht mehr tarifgebunden. Die letzte hausinterne Regelung lief Mitte 2016 aus. Allerdings habe die Geschäftsführung in den vergangenen 13 Jahren alle Erhöhungen aus dem Flächentarif freiwillig an die Mitarbeiter weitergegeben. Bis jetzt.
"Wir nehmen niemandem etwas weg"
Die Einmalzahlung von 400 Euro, die im März fällig gewesen wäre, sei ausgesetzt worden. Die für Juli geplante Lohnerhöhung vorerst auf September verschoben, heißt es. Meier-Scheuven bestätigt, dass die Entscheidung über eine Lohnerhöhung im September fallen soll. Das Unternehmen befinde sich im Konsolidierungsprozess. „Wir nehmen niemandem etwas weg. Weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld", sagt er. „Aber wenn wir die Lohnerhöhung gezahlt und dann Menschen hätten entlassen müssen, wäre ich genauso kritisiert worden."