
Bielefeld. Der Stuttgarter Getränkehändler Hans-Peter Kastner (41) hat die Nase voll von billigen Plastikflaschen. Er macht Schluss mit dem Plastikmüll, der seinen Laden überflutete. Seit 1. August gibt es bei ihm nur noch Mehrwegflaschen zu kaufen. Aber auch wenn er nur wiederverwertbare Plastikflaschen (PET) vertreibt, muss er den „Discounter-Müll" annehmen.
„Und dann legt er noch Geld drauf", wie Dirk Reinsberg. geschäftsführender Vorstand vom Bundesverband des deutschen Getränkefachgroßhandels, sagt. Die 1,5 Liter-Einwegflasche Mineralwasser, die im Discounter nur 19 Cent kostet, würden Kunden wegen des Pflichtpfandes von 25 Cent massenweise zurückbringen – „egal bei welchem Händler". Im Automaten werden sie sofort geschreddert. „Aber die Händler müssen sie alle per Hand aussortieren und zur Sammelstelle fahren." Ein Verlustgeschäft.
Kultflasche der 30er feiert Comeback
Für Reinsberg ist der Schritt nachvollziehbar. „Alle reden von weniger Plastik." Grund sei auch der Umweltschutz. Seit zwei Jahren registriert Reinsberg vor allem im Einzelhandel und im Getränkefachhandel eine vermehrte Nachfrage nach Glasflaschen. Weil das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wachse.
Auch die Industrie reagiert auf die vermehrte Nachfrage nach Glasflaschen. Selbst Coca Cola investierte nach eigenen Angaben Millionen in eine neue Glasmehrweglinie in Lüneburg, wo Ein-Liter-Glasflaschen mit Mineralwasser (Marke Vio) abgefüllt werden. „Das Umsatzwachstum bei 1-Liter-Glasflaschen betrug im vergangenen Jahr 15 Prozent", sagt Unternehmenssprecherin Jessica Strobl. Selbst Coca Cola gibt es seit 2019 wieder in der gläsernen Ein-Liter-Kultflasche der 30er Jahre.
Der Bielefelder Getränkehersteller Christinen Brunnen erwartet 2019 ein zweistelliges Wachstum bei Getränken in Glasflaschen. „Bei Wasser in Glas ist der Absatz noch größer", sagt Geschäftsführer Guido Grebe. Auch 2018 sei die Nachfrage gestiegen. Grund war nicht allein die Hitze. „Das ist eine kontinuierliche Entwicklung, die sich auch in den ersten Monaten des Jahres abzeichnete." Der Anteil von Glas- und Mehrweg-PET-Flaschen beträgt bei Christinen jeweils 50 Prozent.
Der Glasanteil stieg auch beim Staatlich Bad Meinberger Mineralbrunnen (Marken Bad Meinberger, Forstetal 600) auf 50 Prozent. Seit anderthalb Jahren gebe es bei Glasflaschen ein sehr dynamisches Wachstum, sagt Volker Schlingmann, Sprecher der Geschäftsführung. "Wir erwarten, dass sich das Wachstum fortsetzen wird." Trotz Plastik-Debatte sei die Mehrweg-Kunststoffflasche ökologischer als Glas. Denn die leere Glasflasche sei beim Transport mit 600 Gramm etwa zehnmal so schwer wie eine PET-Flasche (62 Gramm) und benötige mehr Energie bei der Herstellung, betont er.
"Wasser in Glasflaschen wird einen Boom erleben"
Aber auch die Bielefelder Mineralbrunnen-Gruppe Wüllner (Marke Carolinen) rechnet seit Jahren damit, „dass Wasser in Glasflaschen wieder einen Boom erleben wird", wie Unternehmenssprecher Christoph Bisewski sagt. Wegen der vermehrten Nachfrage nach Glas, die in diesem Jahr 10 bis 20 Prozent erreiche, habe Wüllner in eine neue Abfüllanlage investiert und damit auch auf die Klimadebatte reagiert. Allerdings müssten die Mehrwegkisten auch zurückgeholt werden. „Bei mehr als 100 Kilometern ist die Ökobilanz negativ", so Bisewski.
Kastner legt Wert auf regionale Produkte und will seine Kunden über Klimabilanzen informieren. „Bei mir wird es neue Preisauszeichnungen mit Kilometerangabe zum Abfüllort und Regionalitätssiegel geben, um das regionale Denken zu wecken", verheißt er gegenüber der Bild-Zeitung.
Einen Trend zu Glas und damit ein Umdenken bei manchem Kunden sieht auch der Getränkehändler Rainer Grewe aus Salzkotten. Der Bielefelder Getränkefachgroßhändler Rethmeier betont: „Wir empfehlen jedem Kunden Glas." Billig-Wasserflaschen aus „Weichplastik", die schon nach dem Öffnen Dellen bekommen, sind bei ihm verpönt. Der Glasflaschenanteil betrage 65 Prozent.
„Aldi, Lidl und Co. haben den Trend zu Einwegflaschen befeuert. Wer eine 1,5-Liter-Flasche Mineralwasser für 19 Cent anbietet, der macht Dumpingpreise salonfähig auf Kosten der Umwelt und der Produzenten", kritisiert Gaby Böhm von der Gewerkschaft NGG Bielefeld-Herford.
Teilchen von Mikroplastik
Sowohl Glas- als auch PET-Flaschen werden vor dem Wiedergebrauch gereinigt. Allerdings fand die Münsteraner Lebensmittelchemikerin Darena Schymanski für ihre Studie im Labor in beiden Flaschentypen kleine Teilchen von Mikroplastik. Gleiches gelte für Tetrapacks und PET-Einwegflaschen. Die meisten Partikel waren demnach aber in Kunststoff-Mehrwegflaschen zu finden.Die Forscher vermuteten, „dass es sich bei den Mehrweg-PET-Flaschen tatsächlich um einen Abrieb oder ein Herauslösen von winzigen Stückchen der Flaschen und Deckel handelte".Knapp 80 Prozent der nachgewiesenen Plastikpartikel lagen im unteren Messbereich zwischen fünf und 20 Mikrometern, sind also besonders klein.
„Überall ist Plastik", sagt Schymanski und verweist auf Etiketten, die auch bei Glas mit gespült werden.
Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit kam in einer Studie zu ähnlichen Ergebnissen. Mögliche Kontaminationsquellen waren demnach Verpackungsmaterialien (PET-Flaschen, Deckel), Flaschenreinigung und die Luft. Rund 33 Prozent der Fasern in der Innenraumluft bestehen laut einer Studie aus Plastik.
Glasflaschen lassen sich auch mit kochendem Wasser gut reinigen, sind geschmacksneutral und geben keine Schadstoffe ab, rät die Verbraucherzentrale NRW.