
Bielefeld. Der jahrelange Machtkampf um die Führung der Oetker-Gruppe könnte bald ein friedliches Ende finden. Die drei jüngeren Geschwister Alfred, Carl Ferdinand und Julia Oetker – allesamt Nachkommen aus der dritten Ehe des 2007 verstorbenen Patriarchen Rudolf-August Oetker („RAO") – hatten sich zuletzt gegen die ihrer Ansicht nach unrechtmäßigen Berufung des neuen Beiratsmitgliedes Anna Maria Braun (39) gewehrt und beim Landgericht Bielefeld sogar eine Feststellungsklage gegen den Gesellschafterbeschluss eingereicht. Braun, die ab April in sechster Generation den Hersteller für Medizintechnik B. Braun in Melsungen leitet, rückte als Nachfolgerin von Lufthansa-Chef Carsten Spohr in den Oetker-Beirat.
Die Kläger wollen das Verfahren ruhen lassen
Der mächtige siebenköpfige Oetker-Beirat, dem drei Familienmitglieder angehören, kontrolliert die Oetker-Gruppe, die mit Lebensmitteln, Bier, Sekt, Wein, Bank, Chemieprodukten, Hotels und der mittlerweile verkauften Reederei Hamburg-Süd 2017 noch 11,6 Milliarden Euro Umsatz machte. Die Klage der jüngeren Oetker-Generation ging zwar beim Gericht ein, aber die Kläger hätten inzwischen beantragt, das Verfahren vor dem 3. Senat ruhen zu lassen, sagte ein Gerichtssprecher. Die Beklagte habe sich dem Antrag angeschlossen. Sollte die angestrebte außergerichtliche Einigung aber scheitern, werde die zuständige Kammer für Handelssachen den Fall übernehmen.
Wie berichtet hatten sich die sehr viel älteren „RAO"-Nachkommen um den heutigen Beiratsvorsitzenden und früheren Konzernchef August Oetker (74) bei der Wahl durchgesetzt, obwohl die nötige Dreiviertelmehrheit verfehlt wurde. Trotzdem erklärte August Oetker die Wahl für gültig. Denn das Stimmverhalten der jüngeren Halbgeschwister beruhe auf „treuwidrigen" Gründen, die Nein-Stimmen seien deshalb als Ja-Stimmen zu zählen, argumentierte er. Sein Bruder und Nachfolger an der Konzernspitze Richard Oetker (68) und auch seine ältere Halbschwester Rosely Schweizer (78), die älteste Tochter von Rudolf August Oetker aus dessen erster Ehe, unterstützten August Oetker bei der Wahl.
Die Streitfront könnte mit August Oetkers Abtritt bröckeln
Möglicherweise ist auch die anstehende Neubesetzung des Beiratsvorsitzes ein Anlass, den Zwist endlich zu begraben. August Oetker wird am 17. März 75 Jahre alt und scheidet damit turnusgemäß aus dem Beirat aus. Damit könnte auch die Streitfront bröckeln. Kurz nach seinem Geburtstag soll das Gremium seinen Nachfolger wählen. Angeblich soll Rudolf Louis Schweizer (51) der älteste Sohn von Rosely Schweizer, die vor August Oetker den Beiratsvorsitz hatte, das Kontrollgremium leiten.
Zwar rückte Alfred Oetker (52), der ursprünglich auf die Konzernführung gepocht hatte, 2015 zum stellvertretenden Beiratschef auf und sitzt bereits seit 2011 in dem Gremium. Aber operativ hat er bei Oetker nur drei Jahre lang als Geschäftsführer in den Niederlanden gearbeitet.
Roselys ältester Sohn als Nachfolger gehandelt
Rudolf Louis Schweizer (51), der 2010 die Anteile seiner Mutter (12,8 Prozent) übernahm und als Kommanditist in die Dr. August Oetker KG eintrat, rückte nur wenig später, 2012, in den Beirat nach. Neben drei Familienmitgliedern, die jeweils die Nachfahren aus den drei Ehen des Patriarchen vertreten, sitzen vier externe Mitglieder in dem Kontrollgremium, das über die Führung des Unternehmens entscheidet.
Der verstorbene Patriarch legte großen Wert auf fähige Nachfolger. Das Unternehmen stand für ihn an erster Stelle. So gesehen hätte Schweizer, der mit seiner Familie in Stuttgart lebt, wohl die längere unternehmerische Erfahrung. Der Miterbe des schwäbischen Autozulieferers Schweizer Group (weltweit 900 Mitarbeiter) in Hattenhofen war geschäftsführender Gesellschafter des 1867 von Louis Schweizer gegründeten Unternehmens, das heute vor allem Aluminiumteile produziert.
Allerdings musste der Autozulieferer Ende 2018 „in Folge des Abgasskandals" Insolvenz anmelden. „Das Insolvenzverfahren ist eröffnet", heißt es beim Insolvenzverwalter, zuletzt lag der Umsatz bei 150 Millionen Euro. Nun werde ein Investor gesucht. Schweizer gehörte auch dem Aufsichtsrat der Stuttgarter Kickers an.
Noch ist die Wahl des neuen Oetker-Beiratsvorsitzenden nicht gelaufen.